Wanderungen durch die Mark Brandenburg
vereinigte
das lebhafte und innige Gefühl für die bescheidnen,
anspruchslosen Reize einer nordischen Natur, welche
uns die Bilder eines Ruysdael, eines Hobbema so
anziehend machen, mit dem Liniengefühl und dem
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Sinn für zauberhafte Beleuchtung eines Claude Lor-
rain. Andere seiner Bilder erinnern durch eine gewis-
se Klassizität und kühle, harmonische Farbenwirkung
an die Landschaften Nicolaus Poussins.
Was uns, die wir die Mark durchreisen und beschrei-
ben, mit besonderer Genugtuung erfüllt, ist der Um-
stand, daß die herrlichen Gegenden des Südens, in
denen er so lange geschwelgt, ihn nicht unempfäng-
lich für die Reize seiner märkischen Heimat gemacht
hatten. Er verachtete unsere Landschaft keineswegs,
wie so viele tun, die sich dadurch das Ansehn feine-
ren Kunstverständnisses zu geben vermeinen. Neben
Palermo oder Taormina malte er »die Oderufer bei
Stettin«, und selbst »Stralau und die Spree« er-
schienen seinem Künstlerauge nicht zu gering. Alle
unsere großen Landschafter haben in diesem Punkte
empfunden wie Schinkel. Ich nenne nur Blechen,
anderer, jüngerer, wie Riefstahl und Bennewitz von
Loefen, zu geschweigen.
Vieles von den zahlreichen Arbeiten jener Epoche –
namentlich alles bloß Dekorative, für eine bestimmte
Gelegenheit Entworfene – ist verlorengegangen, an-
deres ist in den Schlössern und Herrenhäusern der
Mark zerstreut, in denen ich, wie zum Beispiel in
Neu-Hardenberg, Steinhöfel, Radensleben und Fried-
richsfelde, einer ganzen Anzahl von Gouache- und
Ölbildern begegnet bin.1) Wie manches aber auch
dem Auge entzogen oder verlorengegangen sein
mag, das Wesentlichste, das er als Landschafter ge-
leistet, ist unserer Hauptstadt erhalten geblieben,
und die jetzt der Nationalgalerie zugehörige Wagner-
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sche Sammlung bietet uns Gelegenheit, einen Ein-
blick in die reiche schöpferische Kraft Schinkels auch
als Maler zu tun. Die Technik ist seitdem eine andere geworden, und die Schinkelsche Farbe, wie nicht
geleugnet werden soll, hat zum Teil etwas Kalkig-
Nüchternes, das uns heutzutage, wo wir an die Far-
benzauber der Achenbachs gewöhnt worden sind,
befremdlich ansieht, aber als stilisierte Landschaften sind sie schwerlich seitdem ihrem inneren Gehalte
nach übertroffen worden.
Bis hierher haben wir uns fast ausschließlich mit
Schinkel dem Maler beschäftigt; der Friedensschluß von 1815 aber schuf einen plötzlichen Wandel, und
von nun ab tritt der Baumeister in den Vordergrund.
Es fällt diese Wandlung der Verhältnisse (nachdem er
übrigens schon 1810 in die Oberbaudeputation beru-
fen war) mit seiner Ernennung zum Geheimen Ober-
baurat zusammen. Man darf fast sagen, er wurde
lediglich auf Vertrauen und Diskretion hin in diese
Stellung eingeführt, denn noch war es ihm versagt
geblieben, durch irgendeinen ausgeführten Bau von Bedeutung die Aufmerksamkeit oder gar die Bewunderung der Fachleute auf sich zu ziehen.
Fünfundzwanzig Jahre lang, in runder Zahl von 1815
bis 1840, war er nun als Baumeister im großen Stile
tätig, und in ebendiesem Zeitraume gelang es ihm,
»Berlin«, wie seine Verehrer sagen, »in eine Stadt
der Schönheit umzugestalten«, jedenfalls aber uns-
rer Residenz im wesentlichen den Stempel aufzudecken, den sie bis diese Stunde trägt. Denn auch das,
was nach ihm gebaut worden ist, ist zu gutem Teile
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Geist von seinem Geist. Wenige Städte (wenn über-
haupt) zeigen etwas Gleiches. In Hamburg, Mün-
chen, Petersburg liegen die Dinge doch anders, und
selbst die London-City, die in gewissem Sinne als
eine Schöpfung Christopher Wrens betrachtet wer-
den darf, bietet nur Ähnliches.
Es verlohnt sich zu zeigen, worin der Unterschied
liegt.
Wenn man in London auf der Blackfriars-Brücke
steht und neben der Kuppel von St. Paul die zwei-
undfünfzig Türme überblickt, die, bis an den Tower
hin und darüber hinaus, das Häusermeer der City
überragen, so darf man sagen, dies in Nebel und
Sonne zauberhaft daliegende Stück London ist das
Werk Christopher Wrens – alles war niedergebrannt,
und auf dem Trümmerschutt des alten London fiel
ihm die Aufgabe zu, ein neues London aufzurichten.
Aber dennoch, wie schon angedeutet, stellt sich auch
hier eine sehr wesentliche Verschiedenheit heraus.
Was Wren für die London-City tat, war unendlich
mehr und unendlich weniger. Wren hat der City nach
außen hin eine bestimmte Physiognomie gegeben,
was sich von Schinkel
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