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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Heiden
    unsere christlichen Missionare selbstverständlich am
    meisten interessieren mußte, so ist es begreiflich,
    daß wir über diesen Punkt unserer liutizischen Vor-
    bewohner am besten unterrichtet sind. Die Nachrich-
    ten, die uns geworden, beziehen sich in ihren Details
    zwar überwiegend auf jene zwei Haupttempelstätten
    des Wendenlandes, die nicht innerhalb der Mark, sondern die eine (Rethra) hart an unserer Grenze,
    die andere (Arkona) auf Rügen gelegen waren; aber
    wir dürfen fast mit Bestimmtheit annehmen, daß alle
    diese Beschreibungen auch auf die Tempelstätten
    unserer märkischen Wenden passen, wenngleich
    dieselben, selbst Brennabor nicht ausgeschlossen,
    nur zweiten Ranges waren.
    Die wendische Religion kannte drei Arten der Anbe-
    tung:
    Naturanbetung (Stein, Quelle, Baum, Hain);
    Waffenanbetung (Fahne, Schild, Lanze);
    Bilderanbetung (eigentlicher Götzendienst).

    1613
    Die Natur war der Boden, aus dem der wendische
    Kultus aufwuchs; die spätere Bilder anbetung war nur Natur anbetung in anderer Gestalt. Statt Stein, Quelle, Sonne etc., die ursprünglich Gegenstand der An-
    betung gewesen waren, wurden nunmehr Gestalten
    angebetet, die Stein, Quelle, Sonne etc. bildlich dar-
    stellten.
    Die Wenden hatten in ihrer Religion einen Dualismus schwarzer und weißer Götter, einer lichten Welt auf der Erde und eines unterirdischen Reiches der Finsternis. Die Einheit lag im Jenseits, im Himmel.
    An und in sich selbst unterschied der Wende Leib
    und Seele, doch scheint ihm die Menschenseele der
    Tierseele verwandt erschienen zu sein. Wenigstens
    glaubte er nicht an persönliche Unsterblichkeit. Die
    Seele saß im Blut, aber war doch wieder getrennt
    davon. Strömte das Blut des Sterbenden zu Boden,
    so flog die Seele aus dem Munde und flatterte zum
    Schrecken aller Vögel, nur nicht der Eule, so lange
    von Baum zu Baum, bis die Leiche verbrannt oder
    begraben war.
    Die alten Chronisten haben uns die Namen von vier-
    zehn wendischen Göttern überliefert. Unter diesen
    waren die folgenden fünf wohl die berühmtesten:
    Siwa (das Leben); Gerowit (der Frühlingssieger);
    Swantewit (der heilige oder helle Sieger); Radegast
    (die Vernunft, die geistige Kraft); Triglaw (der Drei-
    köpfige. Ohne bestimmte Bedeutung).

    1614
    Vom Siwa haben wir keine Beschreibung. Gerowit,
    der Frühlingssieger, war mit kriegerischen Attributen
    geschmückt, mit Lanzen und Fahnen, auch mit ei-
    nem großen kunstvollen, mit Goldblech beschlagenen
    Schild. Radegast war reich vergoldet und hatte ein
    mit Purpur verziertes Bett. Noch im fünfzehnten
    Jahrhundert hing in einem Fenster der Kirche zu Ga-
    debusch eine aus Erz gegossene Krone, die angeblich
    von einem Bilde dieses Gottes herstammte. Swante-
    wit hatte vier Köpfe, zwei nach vorne, zwei nach
    rückwärts gewandt, die wieder abwechselnd nach
    rechts und links blickten. Bart und Haupthaar war
    nach Landessitte geschoren. In der rechten Hand
    hielt der Götze ein Horn, das mit verschiedenen Ar-
    ten Metall verziert war und jährlich einmal mit Ge-
    tränk angefüllt wurde; der linke Arm war bogenför-
    mig in die Seite gesetzt, die Kleidung ein Rock, der
    bis an die Schienbeine reichte. Diese waren von an-
    derem Holz als die übrige Figur und so künstlich mit
    den Knien verbunden, daß man nur bei genauer Be-
    trachtung die Fugen wahrnehmen konnte. Die Füße
    standen auf der Erde und hatten unter dem Boden ihr Fußgestell. Das Ganze war riesenhaft, weit über
    menschliche Größe hinaus. Endlich Triglaw hatte drei
    Köpfe, die versilbert waren. Ein goldener Bund ver-
    hüllte ihm Augen und Lippen.
    Diese Götter hatten überall im Lande ihre Tempel,
    nicht nur in Städten und Dörfern, sondern auch in
    unbewohnten Vesten, sogenannten »Burgwällen«,
    und zwar auf Hügeln und Klippen, in Seen und Wäl-
    dern. Wahrscheinlich hatte jeder »Gau«, deren es im
    Lande zwischen Elbe und Oder etwa fünfundvierzig

    1615
    gab, einen Haupttempel, ähnlich wie es in späterer
    christlicher Zeit in jedem größeren Distrikt eine Bi-
    schofskirche, einen Dom, ein Kloster gab. Dieser
    Haupttempel konnte in einer Stadt sein, aber auch
    ebensogut in einem »Burgwall«, der dann nur den
    Tempel umschloß und etwa einem Berge mit einer
    berühmten Wallfahrtskirche entsprach. In Julin, Wol-
    gast, Gützkow, Stettin, Malchow, Plön, Jüterbog und
    Brandenburg werden solche Städtetempel eigens
    erwähnt. Unzweifelhaft aber gab es deren an ande-
    ren Orten noch als an den vorstehend

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