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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sogar
    die Hypothese auf, daß aus diesem alten heidnischen
    Tempelbau, zunächst ohne wesentliche Umgestal-
    tung, die später so berühmt gewordene Marienkirche
    auf dem Harlunger Berge hervorgegangen sei. Wir
    halten dies für wahrscheinlicher als nicht, finden in-
    dessen den Beweis dafür weniger in der eigentümli-
    chen Architektur der Kirche als in dem historisch
    nachgewiesenen Umstande, daß sich unter den mär-
    kischen Wenden der Übergang aus dem Heidentum
    ins Christentum schließlich in aller Ruhe vollzog, et-
    wa wie 400 Jahre später der Übergang aus dem Ka-
    tholizismus in den Protestantismus. Der Fürst Pribis-
    law wurde Christ; das Volk folgte, teilweise widerwil-
    lig, aber doch vielfach auch willig und zwanglos. Man
    hatte sich bereits mit- und nebeneinander eingelebt,
    und der bloße Umstand, daß das gestürzte Bild des
    Triglaw nicht verbrannt oder zerstört, vielmehr, allen 1622
    bekannt und allen zugänglich, bis 1526 in einer Sei-
    tenkapelle der Marienkirche aufbewahrt wurde (in
    welchem Jahre Christian II. von Dänemark es unter
    Zulassung Joachims I. mit fortnehmen durfte), deu-
    tet darauf hin, daß die Wandlung der Gemüter sich
    friedfertig genug vollzogen und der Christengott den
    Wendengott in aller Stille beiseite gedrängt haben
    muß. Diese Umwandlung des Triglaw-Tempels in
    eine Marienkirche erfolgte zwischen 1136 und 1141.
    600 Jahre lang hat dann vom Harlunger Berge aus
    die berühmte Marienkirche ins Land gesehen. Ihre
    Entstehung drückte das Siegel auf den endlichen
    Sieg des Christentums über das Heidentum im Lande
    zwischen Elbe und Oder. Auf der Stätte des Triglaw-
    Tempels ging ein neues Leben auf, und der dreieini-
    ge Gott sprach hinfort statt des dreiköpfigen Gottes
    zu seinem Volke.
    So, wie vorstehend geschildert, waren die Wenden
    zur Zeit der endgültigen deutschen Eroberung 1157.
    Es bleibt uns noch die Beantwortung der Frage übrig:
    Was wurde aus den Wenden ? Sie wurden keineswegs mit Stumpf und Stiel ausgerottet, sie wurden auch
    nicht einfach zurückgedrängt bis zu Gegenden, wo
    sie Stammesgenossen vorfanden – sie blieben viel-
    mehr alle oder doch sehr überwiegenden Teils im
    Lande und haben in allen Provinzen jenseits der Elbe
    unzweifelhaft jene Mischrace hergestellt, die jetzt die preußischen Provinzen bewohnt.
    Einzelne Historiker haben dies bestreiten wollen, a-
    ber wir glauben, mit Unrecht. Einmal würde eine sol-

    1623
    che konsequent durchgeführte Racengeschiedenheit
    gegen die historische Überlieferung aller andern
    Staaten, bei denen ähnliche Verhältnisse obwalteten,
    sprechen, andererseits dürfte es, von allen Analogien
    abgesehen, nicht schwerhalten, in aber hundert Ein-
    zelfällen solche Mischung der beiden Racen nachzu-
    weisen. Es ist wahr, die Deutschen brachten den
    Stolz des Siegers mit, ein Racegefühl, das, auf ge-
    raume Zeit hin, eine Schranke gezogen haben mag;
    wir halten uns aber nichtsdestoweniger überzeugt,
    daß, noch ehe die Hohenzollern ins Land kamen,
    jedenfalls aber noch vor Mitte des fünfzehnten Jahr-
    hunderts, diese Unterschiede so gut wie verwischt
    waren . Sie mögen an einzelnen Orten länger bestanden haben, es mag Ortschaften geben, wo sich bis
    diesen Tag eine Exklusivität findet, die auf jene alte
    Wendenabneigung zurückzuführen ist, im großen
    und ganzen aber liegt die Verschmelzung weit zu-
    rück. Wir wollen dabei andererseits gern zugeben,
    daß, wenn innerhalb der seitdem verflossenen Jahr-
    hunderte die Generationen in den Dörfern, säend
    und erntend, in einem ewigen Wechsel und doch
    zugleich in einem ewigen Gleichmaß des Friedens
    aufeinander gefolgt wären, diese Empfindungen und
    Äußerungen des Racendünkels vielleicht fortgedauert
    hätten. Aber »die Not gibt wunderliche Schlafgesel-
    len«, und die Konservierung alter Vorurteile wurde
    durch die Verhältnisse, durch Brand und Krieg, durch
    die Gemeinschaftlichkeit des Unglücks unmöglich
    gemacht. Das Aufeinanderangewiesensein riß jene
    Schranke nieder, die die Fülle selbstbewußten Glücks
    aufgerichtet hatte. Mehrfach ging der schwarze Tod
    durch das Land und entvölkerte die Dörfer; was der

    1624
    schwarze Tod nicht tat, das taten, in nie rastenden
    Kriegen, die Pommern und Polen, und was die
    Pommern und Polen nicht taten, das taten die Hussi-
    ten. Im Barnim befinden sich vielleicht zwanzig oder
    dreißig Feldmarken, die Namen wie Wüste-
    Sieversdorf, Wüste-Gielsdorf, Wüste-Büsow etc. füh-
    ren, Benennungen

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