Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Radegast zu
Rethra, der sich schwach erwiesen hatte, ab und
dem Swantewit-Tempel in Arkona zu. Hundert Jahre
lang, von jenem Tage der Niederlage ab, glänzte nun
Arkona, wie vorher Rethra geglänzt hatte. Auch von
Arkona und seinem Swantewit-Tempel besitzen wir
eine Beschreibung. Es scheint, daß vier mächtige
Holzpfeiler, die auf Tierhörnern ruhten, ihrerseits ein Dach trugen, dessen Inneres dunkelrot getüncht
war. Der Raum zwischen den vier Pfeilern war durch
Bretterwände ausgefüllt, die allerhand bunt bemaltes
Schnitzwerk trugen. Dies alles aber war nur die Au-
ßenhülle, und vier mächtige Innenpfeiler, durch Vor-
1619
hänge geschlossen, teilten den inneren Tempelraum
wieder in zwei Hälften, in ein Heiligstes und Allerhei-
ligstes. In dem letzteren erst stand das Bild Swante-
wits. Arkona hatte besondere Tempeldiener, und
mehr und mehr bildete sich hier eine Priesterkaste
aus. Sie unterschieden sich schon durch Tracht und
Kleidung von dem Rest der Nation und trugen Bart
und Haar lang herabwallend, während die übrigen
Ranen Bart und Haar geschoren trugen. Sie gehörten
zu den Edlen des Landes; kriegerische und priesterliche Tätigkeit galt überhaupt den Wenden als wohl
vereinbar.
Auch hier in Arkona diente das »weiße Pferd« zur
Zeichendeuterei. Alle Poesie knüpfte sich an dassel-
be. Nicht seiten fand man es des Morgens mit
Schaum und Schmutz bedeckt in seinem Stall; dann
hieß es, Swantewit selber habe das Pferd geritten
und es im Streit gegen seine Feinde getummelt. Die
Formen, unter denen das Orakel erteilt oder die Fra-
ge »Krieg oder Friede« entschieden wurde, waren
denen in Rethra nah verwandt, aber doch nicht voll
dieselben. Drei Paar gekreuzte Lanzen wurden in den
Boden gesteckt und das Pferd herangeführt. Schritt
es nun mit dem rechten Fuß zuerst über die Speere,
so war das Zeichen glücklich, unglücklich, wenn das
Tier den linken Fuß zuerst aufhob. Entschiedenes
Heil aber versprach das Orakel nur, wenn das weiße
Pferd über alle drei Lanzenpaare mit dem rechten Fuße hingeschritten war.
Der Swantewit-Tempel auf Arkona war das letzte
Bollwerk des Heidentums. Es fiel endlich, wie schon
1620
hervorgehoben, in den Dänenkämpfen, im Kriege mit
»Waldemar dem Sieger«, nachdem es nicht nur den
Radegast-Tempel Rethras, wenigstens den Ruhm
desselben, um ein Jahrhundert, sondern auch den
uns in gewissem Sinne näher angehenden Triglaw-
Tempel zu Brennabor um zwanzig und einige Jahre überlebt hatte.
Dieser Triglaw-Tempel, wenn auch für die Gesamt-
heit der Wenden nur ein Tempel zweiten Ranges,
erheischt noch ein kurzes Verweilen.
Triglaw war eine ursprünglich pommersche Gottheit
und wurde, wie es scheint, erst in späterer Zeit, sei
es aus Eifersucht oder sei es aus Mißtrauen gegen den Radegast (in Rethra), von Pommern her in die
Havelgegenden eingeführt. In Kürze haben wir ihn
schon an anderer Stelle beschrieben. Er hatte drei
Köpfe, weil er Herr im Himmel, auf Erden und in der
Unterwelt war, und sein Gesicht war verhüllt, zum
Zeichen, daß er die Sünden der Menschen übersah
und verzieh. In seinen Händen hielt er einen gehörn-
ten Mond, ein Symbol, über dessen Bedeutung nur
Vermutungen existieren. Seinen Haupttempel hatte
er in Stettin, der, den Schilderungen nach, die wir
davon besitzen, den aus Holz aufgeführten, mit Bild-
werk und Schnitzereien ausgeschmückten Tempeln
in Rethra und Arkona sehr verwandt gewesen sein
muß. Auch der Triglaw- Dienst war dem Dienst des Radegast oder Swantewit mehr oder weniger verwandt. Die Zeichen wurden in ähnlicher Weise ge-
deutet, das Roß schritt über die gekreuzten Lanzen-
spitzen hin, und das Berühren dieser oder jener Lan-
1621
ze, mit dem einen oder andern Fuß – alles hatte sei-
ne Bedeutung zum Heil oder Unheil. Nur das Roß
selbst war nicht weiß, sondern schwarz , vielleicht weil Triglaw selbst mehr den finstern als den lichten
Göttern zugehörte.
Um 982, unmittelbar nach dem großen Wendenauf-
stande, war es, daß nunmehr diesem Triglaw zu Eh-
ren auch in Brennabor ein Tempel errichtet wurde.
Derselbe erhob sich auf dem Harlunger Berge und
sah triumphierend in das dem Heiden- und Wenden-
tum wieder zurückeroberte Land hinein. Es war
höchstwahrscheinlich kein Holzbau mehr, wie der
Stettiner, sondern ein Steinbau, nach Art der christli-
chen Steinkapellen1), und M. W. Heffter, in seiner
trefflichen »Geschichte Brandenburgs«, stellt
Weitere Kostenlose Bücher