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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Radegast zu
    Rethra, der sich schwach erwiesen hatte, ab und
    dem Swantewit-Tempel in Arkona zu. Hundert Jahre
    lang, von jenem Tage der Niederlage ab, glänzte nun
    Arkona, wie vorher Rethra geglänzt hatte. Auch von
    Arkona und seinem Swantewit-Tempel besitzen wir
    eine Beschreibung. Es scheint, daß vier mächtige
    Holzpfeiler, die auf Tierhörnern ruhten, ihrerseits ein Dach trugen, dessen Inneres dunkelrot getüncht
    war. Der Raum zwischen den vier Pfeilern war durch
    Bretterwände ausgefüllt, die allerhand bunt bemaltes
    Schnitzwerk trugen. Dies alles aber war nur die Au-
    ßenhülle, und vier mächtige Innenpfeiler, durch Vor-

    1619
    hänge geschlossen, teilten den inneren Tempelraum
    wieder in zwei Hälften, in ein Heiligstes und Allerhei-
    ligstes. In dem letzteren erst stand das Bild Swante-
    wits. Arkona hatte besondere Tempeldiener, und
    mehr und mehr bildete sich hier eine Priesterkaste
    aus. Sie unterschieden sich schon durch Tracht und
    Kleidung von dem Rest der Nation und trugen Bart
    und Haar lang herabwallend, während die übrigen
    Ranen Bart und Haar geschoren trugen. Sie gehörten
    zu den Edlen des Landes; kriegerische und priesterliche Tätigkeit galt überhaupt den Wenden als wohl
    vereinbar.
    Auch hier in Arkona diente das »weiße Pferd« zur
    Zeichendeuterei. Alle Poesie knüpfte sich an dassel-
    be. Nicht seiten fand man es des Morgens mit
    Schaum und Schmutz bedeckt in seinem Stall; dann
    hieß es, Swantewit selber habe das Pferd geritten
    und es im Streit gegen seine Feinde getummelt. Die
    Formen, unter denen das Orakel erteilt oder die Fra-
    ge »Krieg oder Friede« entschieden wurde, waren
    denen in Rethra nah verwandt, aber doch nicht voll
    dieselben. Drei Paar gekreuzte Lanzen wurden in den
    Boden gesteckt und das Pferd herangeführt. Schritt
    es nun mit dem rechten Fuß zuerst über die Speere,
    so war das Zeichen glücklich, unglücklich, wenn das
    Tier den linken Fuß zuerst aufhob. Entschiedenes
    Heil aber versprach das Orakel nur, wenn das weiße
    Pferd über alle drei Lanzenpaare mit dem rechten Fuße hingeschritten war.
    Der Swantewit-Tempel auf Arkona war das letzte
    Bollwerk des Heidentums. Es fiel endlich, wie schon

    1620
    hervorgehoben, in den Dänenkämpfen, im Kriege mit
    »Waldemar dem Sieger«, nachdem es nicht nur den
    Radegast-Tempel Rethras, wenigstens den Ruhm
    desselben, um ein Jahrhundert, sondern auch den
    uns in gewissem Sinne näher angehenden Triglaw-
    Tempel zu Brennabor um zwanzig und einige Jahre überlebt hatte.
    Dieser Triglaw-Tempel, wenn auch für die Gesamt-
    heit der Wenden nur ein Tempel zweiten Ranges,
    erheischt noch ein kurzes Verweilen.
    Triglaw war eine ursprünglich pommersche Gottheit
    und wurde, wie es scheint, erst in späterer Zeit, sei
    es aus Eifersucht oder sei es aus Mißtrauen gegen den Radegast (in Rethra), von Pommern her in die
    Havelgegenden eingeführt. In Kürze haben wir ihn
    schon an anderer Stelle beschrieben. Er hatte drei
    Köpfe, weil er Herr im Himmel, auf Erden und in der
    Unterwelt war, und sein Gesicht war verhüllt, zum
    Zeichen, daß er die Sünden der Menschen übersah
    und verzieh. In seinen Händen hielt er einen gehörn-
    ten Mond, ein Symbol, über dessen Bedeutung nur
    Vermutungen existieren. Seinen Haupttempel hatte
    er in Stettin, der, den Schilderungen nach, die wir
    davon besitzen, den aus Holz aufgeführten, mit Bild-
    werk und Schnitzereien ausgeschmückten Tempeln
    in Rethra und Arkona sehr verwandt gewesen sein
    muß. Auch der Triglaw- Dienst war dem Dienst des Radegast oder Swantewit mehr oder weniger verwandt. Die Zeichen wurden in ähnlicher Weise ge-
    deutet, das Roß schritt über die gekreuzten Lanzen-
    spitzen hin, und das Berühren dieser oder jener Lan-

    1621
    ze, mit dem einen oder andern Fuß – alles hatte sei-
    ne Bedeutung zum Heil oder Unheil. Nur das Roß
    selbst war nicht weiß, sondern schwarz , vielleicht weil Triglaw selbst mehr den finstern als den lichten
    Göttern zugehörte.
    Um 982, unmittelbar nach dem großen Wendenauf-
    stande, war es, daß nunmehr diesem Triglaw zu Eh-
    ren auch in Brennabor ein Tempel errichtet wurde.
    Derselbe erhob sich auf dem Harlunger Berge und
    sah triumphierend in das dem Heiden- und Wenden-
    tum wieder zurückeroberte Land hinein. Es war
    höchstwahrscheinlich kein Holzbau mehr, wie der
    Stettiner, sondern ein Steinbau, nach Art der christli-
    chen Steinkapellen1), und M. W. Heffter, in seiner
    trefflichen »Geschichte Brandenburgs«, stellt

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