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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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aus jener Epoche immer neuer
    Verödungen her. Die wüst gewordenen Dörfer, na-
    mentlich solche, wo einzelne bewohnte Häuser und
    Hütten stehengeblieben waren, wieder neu zu beset-
    zen war die Aufgabe der Landesverwaltung, die in
    Brandenburg von jeher den Friderizianischen Satz
    verfolgte: »Menschen; vor allem Menschen.« Man
    freute sich jeden Zuzugs, ohne nach der Race-
    nabstammung zu fragen.
    Das deutsche Dorf, in dem vielleicht ein Fritze, ein
    Hansen, ein Dietrichs wohnte, war froh, einen Kroll,
    einen Noack, einen Posedin die wüst gewordenen
    Stätten einnehmen zu sehn, und ebenso die wendi-
    schen Dörfer empfingen den deutschen Zuzug mit
    Freude. Die Namensverzeichnisse im Landbuch
    von 1375, wie die Urkunden überhaupt, lassen kei-
    nen Zweifel darüber.
    Alle diese Anführungen haben selbstverständlich nur
    die Regel , nur die Verhältnisse in ihren großen Zügen schildern sollen, ganz besonders aber die der Mittelmark . Die Mittelmark, im Gegensatz zu den mehr
    oder- und elbwärts gelegenen Landesteilen, war der
    eigentliche Mischungsbottich . Die Verhältnisse forderten dazu auf. Auf dem platten Lande war es die
    Not, in den Städten war es die Gelegenheit, die die 1625
    Menschen ohne sonderliche Rücksicht auf ihre Ab-
    stammung zusammenführte. Die alten Bürgerfamili-
    en freilich beharrten in ihrer Abgeschlossenheit und
    betrachteten den Wendenkiez um kein Haarbreit
    besser als ein jüdisches Ghetto, aber dem »Zuzug«
    gegenüber kamen die alten, alles nach Zunft und
    Race sondernden städtischen Traditionen wenig oder
    gar nicht in Betracht, und die »kleinen Leute« taten
    sich zusammen, unbekümmert um die Frage: wen-
    disch oder deutsch. So lagen die Dinge in der Mittelmark , das heißt also in Teltow und Barnim, im Ruppinschen, in Beeskow-Storkow, in der Westhälfte von
    Lebus, überhaupt in allen Landesteilen, in denen sich
    Deutschtum und Wendentum einigermaßen die Waa-
    ge hielten. Anders freilich war es in West und Ost. Je
    mehr nach der Elbe zu, je exklusiver hielt sich das
    Deutschtum, weil es ihm leicht gemacht war, sich
    aus seinen Stammesgenossen jenseits der Elbe zu
    rekrutieren; umgekehrt, je näher der Oder und den
    eigentlichen slawischen Landen zu, je länger blieb
    das Wendentum in Kraft. Jetzt indessen, wenige
    Stätten abgerechnet, ist es im Leben unsres Volkes
    verschwunden. Es lebt noch fort in der Mehrzahl un-
    serer Städte- und Dorfnamen, in dunklen Erinnerun-
    gen, daß in einzelnen, den Namen eines Wendengot-
    tes bis heute festhaltenden Lokalitäten (in Jüterbog,
    in Jütergotz) ein Tempel stand, vor allem in den Hei-
    dengräbern und Wendenkirchhöfen, die sich alleror-
    ten in der Mark verbreitet finden.
    Aber es ist charakteristisch, daß eben das einzige,
    was aus der alten Wendenwelt noch zu uns spricht,
    ein Begrabenes ist. Alles geistig Lebendige ist hin-1626
    über. Selbst der Aberglauben und die in ihm wur-
    zelnden Gebräuche, Sitten und Volksweisen, die wohl
    dann und wann für wendische Überreste gehalten
    worden sind, lassen sich vielfach auf etwas Urger-
    manisches zurückführen, das, auch vor den Wenden schon, hier heimisch war. Mit Sicherheit lebt noch
    Altdeutsches in den Gemütern, und das Volk erzählt
    von Wodan und Fricke (Freyja) und von dem Hackel-
    berger Jäger. Aber Radegast und Czernebog sind tot .
    Das Wendische ist weggewischt, untergegangen in
    dem Stärkern, in dem germanischen Leben und Ge-
    müt, und nur am Rande der Oder hin, den polnisch-
    slawischen Landen zu, zeigt sich je zuweilen, neben
    dem slawisch Heiteren, auch noch jener auf Hartnä-
    ckigkeit und Verschlossenheit deutende finstere Zug,
    der an die alte Zeit und ihre Bewohner mahnt.

    1. In einer 1619 zu Wittenberg gedruckten Ju-
    belpredigt eines Jüterboger Geistlichen findet
    sich folgendes: »Das uralte Templein allhier,
    welches ungefähr nun vor vierzig und etlichen
    Jahren ist eingerissen worden, darinnen der
    heidnische Götzendienst der wendischen Mor-
    gengöttin soll sein geleistet worden , dies
    Templein ist in der Länge, Breite und Höhe bis
    an das Dach recht viereckicht von Mauerstei-
    nen aufgeführt gewesen, hat oben ein Kreuz-
    gewölbe und darüber ein viereckicht zuge-
    spitztes Dach von hellen Steinen gehabt. Die
    Tür oder Eingang von abendwärts ist niedrig
    gewesen, also daß man im Eingehen sich et-

    1627
    was bücken müssen. Es hat auch keine Fens-
    ter gehabt sondern nur ein rundes Loch etc. –
    – also habe ich's von mehreren

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