Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Personen, die
noch am Leben sind, beschreiben hören .« (Al-
lerdings ist diese Angabe, der man wohl einen
größeren Wert, als ihr zukommt, hat beilegen
wollen, kein Beweis, daß das »Templein«
wirklich heidnisch gewesen sei. Das Kreuzge-
wölbe spricht sogar dagegen. Als man hier-
landes Kreuzgewölbe baute, war es mit dem
Wendentum schon vorbei.)
Die Zisterzienser in der Mark
Der Morgen graut und lacht der Nacht entgegen,
Im Osten leuchtet schon des Lichtes Segen;
Die Finsternis entflieht .
Bruder Lorenzo (»Romeo und Julia«)
Die beiden Ereignisse, die über das Wendentum an
Havel und Spree entschieden, waren die Erstürmung
Brennabors am 11. Juni 1157 und unmittelbar dar-
auf, wenn der halb sagenhaften Überlieferung Glau-
ben zu schenken ist, die »Havelschlacht gegenüber
dem Schildhorn«, in der Jaczko, der Neffe Pribislaws,
und seine noch einmal zusammengeraffte Wenden-
macht entscheidend geschlagen wurde.
1628
Schon zweihundert Jahre früher, unter den ersten
Sachsenkaisern, waren die Deutschen bis ebenfalls
an die östliche Havel vorgedrungen, und schon da-
mals waren, in ihren ersten Anfängen wenigstens,
der Havelberger und Brandenburger Dom gegründet
worden, aber Leichtsinn, Unklugheit, Grausamkeit
von seiten der Sieger hatten zunächst zu Auflehnung
der Besiegten und endlich zu völliger Abschüttelung
des Jochs geführt. Das alte Wendentum war auf
150 Jahre hin wieder glänzend aufgeblüht. Jetzt , nach der Niederwerfung Jaczkos, war es zum zweiten
Mal unterlegen, und es galt nunmehr, die Mittel und
Wege ausfindig zu machen, um einer abermaligen
Auflehnung vorzubeugen. Albrecht der Bär, von dem
es im Volksliede heißt:
Heinrich de Leuw und Albrecht de Bar,
Darto Frederik mit den roden Haar,
Dat waren dree Heeren,
De kunden de Welt verkehren –
dieser Albrecht der Bär war just dazu angetan, diese
Mittel ausfindig zu machen und das früher durch Un-
klugheit Gescheiterte durch Mut und Ausdauer end-
gültig siegreich hinauszuführen. Es ist bekannt, daß
er, nach Plan und System, die Kolonisierung des
Landes begann; zu den Kirchen und Burgen aber, die schon einmal die Bekehrung und Beherrschung des
Landes versucht hatten, gesellte er, als ein Neues,
Drittes, die Vereinigung von Burg und Kirche – die Klöster . Mönche wurden ins Land gerufen, vor allem die Zisterzienser, ein Orden, der eben damals auf
1629
seinem europäischen Siegeszuge bis an die Saale
und Unstrut vorgedrungen war.
Da diesem überallhin pionierenden Orden die Aufga-
be zufiel, auch namentlich für die Kultur und geistige
Eroberung der Mark von hervorragender Bedeutung
zu werden, so mag es gestattet sein, bei seiner
Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte einen
Augenblick zu verweilen und das Fortschreiten des-
selben auf seinen großen Etappen von West nach Ost
zu begleiten.
Die ersten Klöster, die zumal in Süd- und Westeuro-
pa ins Leben gerufen wurden, waren Benediktiner-
klöster , das heißt Klöster, in denen die Regeln des heiligen Benedikt: Gehorsam, Armut, Keuschheit, die
Fundamentalsätze alles Klosterlebens, Geltung hat-
ten. Die Benediktiner übten diese Tugenden
jahrhundertelang, aber jene Epoche, die den Kreuz-
zügen unmittelbar vorausging, war eine Epoche des
kirchlichen, mindestens des klösterlichen Verfalls,
ganz in ähnlicher Weise, wie derselbe fünf Jahrhun-
derte später zum zweiten Mal in die Geschichte ein-
trat, und »sittliche Reform«, worauf zunächst die
Reformation gerichtet war, war eine Parole, die, wie
vielfach während des Lebens der Kirche, so auch um
die Zeit der ersten Kreuzzüge gehört wurde.
Dies Ringen nach Reform, nach Wiederherstellung
jener Klosterheiligung, wie sie die ersten Klöster ge-
kannt hatten, gab Veranlassung zur Gründung eines
neuen Ordens. Dieser neue Orden war der der Zis-
terzienser . Sein nächster Zweck war nicht Abzwei-1630
gung vom Benediktinertum, aus dem er hervorging, sondern Wiederherstellung desselben in seiner Ursprünglichkeit und Lauterkeit. Aber es scheint das
Los solcher und ähnlicher Bestrebungen – vielleicht
nach jenem Naturgesetz, welches die volle Wieder-
herstellung von etwas Verschwundenem unmöglich
macht –, jedesmal zu einer Neuschöpfung zu führen.
Zu einer Neuschöpfung, die anfänglich, in aufrichti-
ger Demut, sich selbst nicht als eine Neuschöpfung
betrachtet sehen will und doch, sich selbst zum
Trotz, mit jedem Tage mehr eine solche
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