Wanderungen durch die Mark Brandenburg
wird.
So gingen, gegen den Willen des Gründers, die Zis-
terzienser aus den Benediktinern hervor.
Verfolgen wir, nach diesen allgemeinen Bemerkun-
gen, die Entwickelung des neuen Ordens aus dem
alten auch an den Trägern dieser Entwickelung, an
den Personen .
Robert (später der heilige Robert), Abt des Benedik-
tinerklosters zu Molesme an der Grenze von Cham-
pagne und Burgund, gab, um der eingerissenen Ver-
derbtheit willen, die er in seinem eigenen Kloster
wahrnahm, das Kloster Molesme auf und zog sich in
das unwirtliche, nur mit Dornen und Gestrüpp be-
wachsene, durch ein Flüßchen kümmerlich bewässer-
te Tal von Cîteaux (Cistercium) in der Nähe von Di-
jon zurück, um daselbst mit zwanzig anderen Mön-
chen, die ihm gefolgt waren, getreu nach der ur-
sprünglichen Vorschrift des heiligen Benedikt zu le-
ben. Seine Trennung war eine rein äußerliche und
lokale, er hatte sich von seinem Kloster getrennt, 1631
nicht von der ursprünglichen Kloster regel , ja, er kehrte nach einjähriger Abwesenheit in Cîteaux, auf
Befehl des Papstes, in das Kloster Molesme zurück.
Aber unwissentlich war ein neuer Keim gepflanzt,
und der bescheidene Versuch, der, wie schon vorste-
hend angedeutet, eine alte Schöpfung nur neu ges-
talten sollte, schuf nicht in , sondern neben dem Alten ein Neues. In dem Tale von Cisterz ging ein neu-
es Klosterleben auf. Die Träger dieses neuen Lebens
aber waren nicht Benediktiner mehr, sie waren Zis-
terzienser.
Bald zeigte sich die erfolgte Trennung auch in der
äußeren Erscheinung, bald auch in den Zwecken und
Zielen des Ordens, in der Art, wie er seine Aufgabe
faßte. Was die Tracht angeht, so änderte bereits der
heilige Alberich, der zweite Abt von Cîteaux, die Klei-
dung seiner Mönche, und das Kleid, das vorher
schwarz gewesen war, wurde weiß mit einem schwarzen Gürtel und schwarzem Skapulier . Nach
der schönen Sage des Ordens war seine, des Albe-
rich, schwarze Kleidung unter der Berührung der
Heiligen Jungfrau weiß geworden.1)
Wichtiger aber als diese äußeren Abzeichen war die
Wandlung, die der neue Zweig der Benediktiner in-
nerlich erfuhr. Er wurde eine Spezialität, er wurde der Orden der Kolonisation .
Nie hat ein Orden einen rascheren und gewaltigeren
Siegeszug über die Welt gehalten. Aus dem Mutter-
kloster Cisterz, gegründet 1098, waren nach fünf-
zehn Jahren schon vier mächtige Töchterklöster:
1632
La Ferté, Pontigny, Morimad und Clairvaux, hervor-
gegangen, den Töchtern folgten wieder Töchter und
Enkeltöchter, und eh ein halbes Jahrhundert um war,
war nicht nur ein Netz von Zisterzienserklöstern über
das ganze christliche Europa ausgebreitet, sondern
auch tief in heidnische Lande hinein waren die Mön-
che von Cisterz mit dem Kreuz in der Linken, mit Axt
und Spaten in der Rechten, lehrend und Acker bau-
end, bildend und heiligend vorgedrungen. Es war ein
in jenen raschen Proportionen sich mehrendes An-
wachsen, wie man es auf alten Stammbäumen ver-
anschaulicht sieht, wo, von Generation zu Generati-
on, aus jedem einzelnen Neuzweig wieder zahllos
andere neue Zweige sprießen, anwachsend zu Multi-
plikationen, die der bekannten Verdoppelung der
Schachbrettfelder entsprechen. Fünfzig Jahre nach
der Gründung des Ordens gab es 500, hundert Jahre
nach der Gründung bereits 2000 Zisterzienserklöster,
und Kaspar Jogelinus, ein Deutscher, hat uns allein
die Beschreibung von 791 Zisterzienserklöstern hinterlassen. Von diesen 791 Klöstern waren 209 in
Frankreich, 126 in England, Schottland und Irland
und 109 in Deutschland.
Die Frage drängt sich auf, was diesem Orden zu so
rapidem Wachstum verhalf und ihm, zwei Jahrhun-
derte lang, in allen Ländern und an allen Höfen ein
alles überstrahlendes Ansehen lieh. Es waren wohl
drei Ursachen, die zusammenwirkten: die gehobene
Stimmung der ganzen christlichen Welt während der
Epoche der ersten Kreuzzüge, die wunderbare, mit
unwiderstehlicher Gewalt ausgerüstete Erscheinung
des heiligen Bernhard, der, aus dem Orden heraus,
1633
bald nach Entstehung desselben erwuchs und ihn
dann durchleuchtete, und endlich drittens die beson-
dere, schon in aller Kürze angedeutete kolonisatori-
sche Eigenart dieses Ordens, die ihn, in einer Zeit, in der geistig und physisch überall auszureden und urbar zu machen war, als ein besonders geeignetes
Werkzeug sowohl in der Hand der Kirche wie auch
des weltlichen Fürstentums erscheinen
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