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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Versammlung hinein: ›Runter mit
    ihm und hinein ins Feuer.‹ Allgemeines Gelächter.
    Aber der Oberprediger, der klugerweise nicht abwar-
    ten wollte, wieviel hier Ernst oder Spaß war (denn
    einige faßten bereits zu), rettete sich durch einen
    Sprung und verschwand im Unterholze des Briese-
    lang. Er hat den Tag nicht vergessen können.«
    So ging das Gespräch.
    Es war inzwischen heiß geworden, so heiß, daß unse-
    re Phantasie mit einem gewissen Neid an dem Win-
    terbilde hing, das unser Führer eben vor uns entrollt
    hatte, und schon dämmerte die Frage herauf, ob
    nicht ein flüchtiges »Ausspannen«, eine Lagerung an
    schattiger Stelle gestattet sei, als wir deutlich eine
    Art Janitscharenmusik vernahmen, belebende Klän-
    ge, die, immer lauter werdend, unsern Füßen ihre
    Elastizität wiedergaben. Wir waren am Ziel, wenigs-
    tens an einem vorläufigen. Der Finkenkrug blitzte
    durchs Gezweig, und in guter Haltung rückten wir
    auf einen kastanienumschatteten Platz, zu dem sich
    der Waldweg hier verbreitert. Eine Alternative, vor
    die wir uns plötzlich und gegen Erwarten gestellt

    1743
    sahen, gebot uns, mitten im Wege haltzumachen.
    Der Finkenkrug umfaßt nämlich eine Doppelwirt-
    schaft: links ist Kaffee und Kegelbahn, rechts ist Bier und Büchsenstand. Dies hielt sich die Waage. Aber
    was zuletzt unserem Schwanken ein Ende machte,
    war, daß nach rechts hin, wo freilich das verlockende
    Seidel blühte, doch zugleich auch die minder verlo-
    ckende Janitscharenmusik ihren Platz genommen
    hatte, die, in die Waldesferne hinein unbedingt se-
    gensreich wirkend, in nächster Nähe ihr entschieden
    Bedenkliches hatte.
    Also links .
    Da hatten wir's denn wirklich mal getroffen. Es war
    auch die Damen seite, die Seite der jungen Paare, und ich kann mich nicht entsinnen, von meinen
    Landsmänninnen, honni soit qui mal y pense, jemals
    einen so ungestört guten Eindruck empfangen zu
    haben. Schlank, hübsch, wohlgekleidet, munter ohne
    Lärm, neckisch ohne Frivolität, frei ohne »Freihei-
    ten«, schritten sie paarweise auf und ab, spielten
    zwischen den Bäumen oder flogen in der Schaukel
    durch die Luft. Fremde, die sich auf vergleichende
    Völkerkunde verstehen, würden die günstigsten Ur-
    teile von dieser Stelle mit hinweggenommen haben,
    wenn man ihnen, die Paare vorstellend, hätte sagen
    können: dies ist die Schwester eines Steinmetzen,
    die Braut eines Büchsenmachers, die junge Frau ei-
    nes Schiffszimmermanns oder Kahnbauers.
    Eine kurze Rast wurde genommen, das Seidel »von
    gegenüber« geprobt; dann brachen wir wieder auf,

    1744
    mit einem Gruß gegen das graziöse Paar, das eben
    jetzt im Versteckspiel hinter den Bäumen sich neck-
    te, und traten dann in jenen schon erwähnten, an
    der Grenzlinie von Wald und Wiese sich hinschlän-
    gelnden Weg ein, der, zumal in Apriltagen, wenn
    alles wieder See und Sumpf ist und jedes Elsenge-
    büsch zu einer Insel wird, die alten Brieselang-Zeiten
    heraufbeschwört. Heute bot die Szenerie nichts von
    den Bildern jener Zeit. Links zwitscherten die Vögel
    im Wald, nach rechts hin dehnte sich die Wiese, mit
    Tausendschön, Ranunkel und rotem Ampfer ge-
    sprenkelt. Alles war Heiterkeit und Friede. Unser
    »Pfadfinder«, der während unsers kurzen Aufenthalts
    im Finkenkrug sich mehr meinem Reisegefährten als
    mir zu attachieren gewußt hatte, brach hier die rasch
    angeknüpften Beziehungen ebenso rasch wieder ab,
    gesellte sich mir aufs neue und antwortete einge-
    hend und immer bereit auf meine hundert Fragen,
    die alsbald kreuz und quer gingen wie der Weg, den
    er uns führte.
    »Sie fragen nach Wildstand und Wilddieben. Nun, der
    Wilddiebe hat der Brieselang wohl nicht allzuviel,
    aber der Walddiebe desto mehr. Sie glauben gar
    nicht, was in solchem Walde alles steckt und wie
    viele Hunderte von Menschen daraus ihre Nahrung
    oder doch einen Teil ihres Erwerbes ziehen. Es mag
    wohl zwanzig Arten von ›Jägern‹ geben, die hier im
    Brieselang zu Hause sind. Vielleicht noch viel mehr.«
    »Und das wären?«

    1745
    »Ich will Ihnen nur ein halbes Dutzend nennen. Da
    sind die Kräuterjäger, die Käfer-, Fliegen- und Insek-
    tenjäger, die Eier- und Vogeljäger, die Laubfroschjä-
    ger, die Schlangenjäger, die Ameisenjäger. Auf dem
    Schwanenkruge versammeln sich im Juni allerlei
    Gestalten, jung und alt, die Jagd auf wilde Rosen-
    stämme, auf ›Hagebuttensträucher‹ machen, wäh-
    rend andere, etwas früher schon, aber mit

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