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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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noch im
    Schwinden ehrwürdig, voll Zeichen alter Berühmtheit
    und alten Glanzes. Er besteht zur Zeit noch aus zwei
    Hälften, aus dem eigentlichen Brieselang und aus der

    1739
    Butenheide, von denen jener, mit dem Hauptpunkt
    »Finkenkrug«, die südliche, diese, die Butenheide,
    mit dem Hauptpunkt »Königseiche«, die nördliche
    Hälfte bildet. Da aber, wo beide Hälften zusammen-
    treffen, inmitten einer Lichtung, erhebt sich die
    »Försterei Brieselang«, die als Zentralpunkt mit
    Recht den Namen des ganzen Waldes trägt.
    In den Brieselang also!

    1. Finkenkrug

    Es sauset und brauset
    Das Tamburin,
    Es rasseln und prasseln
    Die Schellen darin.
    Clemens Brentano

    In Tagen sommerlicher Lust:
    Mai, Juni, Juli und August,
    vergeht kein Sonntag, wo nicht Scharen von Besu-
    chern den Brieselang umschwärmten. Aber die Tau-
    sende, die kommen und gehn, begnügen sich damit,
    den Zipfel seines Gewandes zu fassen; die Parole
    lautet nicht »Brieselang«, sondern »Finkenkrug«.
    Und doch ist der Finkenkrug, an der südlichsten Stel-

    1740
    le der Südhälfte gelegen, ein bloßes Portal, durch
    das man hindurch muß, um in die eigentliche Schön-
    heit des Waldes einzutreten; nicht diesseits liegt die
    Herrlichkeit, sondern jenseits, und alles, was den
    Brieselang ausmacht, seinen Charakter, seine Erin-
    nerungen, seine Schätze, alles liegt drüber hinaus.
    Der Finkenkrug ist nur erste Etappe. Wer den Briese-
    lang kennenlernen will, der muß auch, rüstigen Fu-
    ßes, die beiden andern Staffeln zu erreichen wissen:
    die Försterei und die Eiche . Nur erst, wer bei der
    »Königseiche« steht, der hat den Brieselang hinter
    sich und kann mitsprechen.
    Wir tun's. Der geneigte Leser wolle uns folgen.
    Es ist Sonntag vor Pfingsten. Wir haben den Elf-Uhr-
    Zug benutzt, und die Sonne steht bereits in Mittag,
    als wir landen. Wir sind zu drei: mein Reisebegleiter,
    ein pommersch Blut, ich selbst und als dritter unser
    Führer, ein Autochthone dieser Gegenden. Das Drei-
    eck Spandau–Nauen–Kremmen umschließt seine
    Welt. Er ist hager und ausdauernd wie ein Trapper,
    erfahren und lederfarben wie »Pfadfinder«. Er ver-
    steht auch zu sprechen.
    »Können Sie's glauben«, so hebt er an, »daß ich die-
    se Straße seit zwanzig Jahren nicht gekommen bin.
    Ich fasse den Brieselang immer von Norden her, hier
    unten bin ich ein Fremder... Ja, vor zwanzig Jahren!
    Das war ein Tag, geradeso kalt, wie der heutige
    warm ist, und wir hatten Wahl in Finkenkrug.«
    »Im Finkenkrug?«

    1741
    »Ja, in Finkenkrug. Er mag dadurch poetisch verlie-
    ren, mehr verlieren, als er politisch gewinnt, aber ich kann es nicht ändern. Es war in Finkenkrug, und ich
    kam mit dem Falkenhagener Oberförster hier des
    Wegs. Die Pferde waren ganz weiß, der Wald glitzer-
    te; ich habe kein Rotkehlchen gesehn, so tot war der
    Wald.«
    »Und Sie kamen an und stießen aufs leere Nest. Je-
    der war zu Hause geblieben.«
    »Fehlgeschossen. Viele Hunderte waren da, immer
    neue Schlitten fuhren an, und ehe eine halbe Stunde
    um war, war es nicht mehr möglich, die Ankommen-
    den und Hereindrängenden in den Stuben unterzu-
    bringen. Da rief Oberförster Brandt: ›Wir machen ein
    Feuer und tagen draußen ‹ Allgemeiner Jubel. Er war Oberförster , und die paar Klafter Holz, die nun bald lichterloh und mit Geprassel an zu brennen fingen,
    wird er wohl nach oben hin verdefendieret haben. Es
    war ein entzückendes Bild. Der glitzernde Wald, das
    verschneite Haus, auf dessen weißes Dach die roten
    Lichter fielen, und um das Feuer herum, in Pelze ge-
    wickelt, all die havelländischen Bredows, die Rib-
    becks, die Hünekens, Erxleben von Selbelang, Ris-
    selmann von Schönwalde, dazwischen die Pastoren
    in ihren Filial-Reisemänteln, endlich die Kutscher und
    Knechte mit ihren Pferdedecken. Jede Stimme galt.
    Der alte Landrat von Hobe präsidierte und versicher-
    te uns einmal über das andere, daß von Patow-
    Potsdam gewählt werden müsse.«
    »Und was wurde?«

    1742
    »Nun, er wurde gewählt. Aber nicht ohne Zwischen-fälle. Es muß wahr sein, nie habe ich solche Vertil-
    gung von Grog und Glühwein gesehen. In solchem
    Momente höchster Hitze sprang der Oberprediger
    aus Kremmen, ein scharfer Liberaler, auf die Tribüne
    und schrie: ›Was wollt ihr jungen Most in alte
    Schläuche fassen; weg mit Patow, ich stelle mich zur
    Wahl.‹ Und sein Anhang rief ihm bravo zu. Aber ein
    Pächter aus Pressentin, der schon völlig unter Grog
    stand, schrie in die

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