Wanderungen durch die Mark Brandenburg
kraftlos und krank wie-
der herausgebracht oder, wenn dies zu schwerhielt,
an dem Orte, wo sie versunken war, geschlachtet
und zerstückt herausgetragen. Nur im hohen Som-
mer und bei trockener Witterung war der größte Teil
des Luchs zu passieren; dann mähte man das Gras,
1733
allein nur an wenigen Stellen konnte es mittels Wa-
gen herausgebracht werden; an den meisten mußte
man es bis in den Winter in Haufen stehenlassen, um
bei gefrornem Boden es einzufahren. Unter allen
Umständen war das Gras schlecht und eine kümmer-
liche Nahrung. Sowenig nutzbar dieses Bruch für den
Menschen und sein Hausvieh war, so vortrefflich war
es für das Wild geeignet. In früheren Zeiten hausten hier selbst Tiere, welche jetzt in der Mark nicht mehr
vorkommen, wie Luchse, Bären und Wölfe. Beson-
ders aber waren es die Sumpfvögel, Kraniche und
Störche, welche hochbeinig in diesem Paradiese der
Frösche einherstolzierten, und mit ihnen bewohnte
die Wasser ein unendliches Heer von Enten aller Art,
nebst einer Unzahl anderer Wasservögel. Kiebitze,
Rohrsänger, Birkhähne, alles war da, und in den
Flüssen fanden sich Schildkröten, wie allerhand
Schlangen in dem mitten im Luch gelegenen Zot-
zenwald.«
Im Rhin -Luch änderten sich diese Dinge schon zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts; Gräben wurden gezogen, das Wasser floß ab, und die Herstel-
lung eines Dammes quer durchs Luch hindurch wur-
de möglich. Wo sonst die Fehrbelliner Fähre , über Sumpf und See hin, auf- und abgefahren war, erstreckte sich jetzt der Fehrbelliner Damm . Das Jahr genau zu bestimmen, wann dieser Damm gebaut
wurde, ist nicht mehr möglich; doch existiert schon
aus dem Jahre 1582 eine Verordnung, in der von
seiten des Kurfürsten Johann Georg »dem Capitul zu
Cölln an der Spree, den von Bredows zu Kremmen
und Friesack, den Bellins zu Bellin und allen Zietens
1734
zu Dechtow und Brunne kund und zu wissen getan
wird, daß der Bellinsche Fährdamm sehr böse sei
und zu mehrerer Beständigkeit mit Steinen belegt
werden solle «.
Das große Havelländische Luch blieb in seinem Urzustand bis 1718, wo unter Friedrich Wilhelm I. die
Entwässerung begann. Vorstellungen von seiten der zunächst Beteiligten, die ihren eigenen Vorteil, wie
so oft, nicht einzusehen vermochten, wurden igno-
riert oder abgewiesen, und im Sommer desselben
Jahres begannen die Arbeiten. Im Mai 1719 waren
schon über 1000 Arbeiter beschäftigt, und der König
betrieb die Kanalisierung des Luchs mit solchem Ei-
fer, daß ihm selbst seine vielgeliebten Soldaten nicht
zu gut dünkten, um mit Hand anzulegen.
200 Grenadiere, unter Leitung von zwanzig Unterof-
fizieren, waren hier in der glücklichen Lage, ihren
Sold durch Tagelohn erhöhen zu können. Im Jah-
re 1720 war die Hauptarbeit bereits getan, aber noch
fünf Jahre lang wurde an der völligen Trockenlegung des Luchs gearbeitet. Nebengräben wurden gezogen,
Brücken und Stauschleusen angelegt, Dämme ge-
baut und an allen trockengelegten Stellen das Holz-
und Strauchwerk ausgerodet. Die Arbeiten waren
zum großen Teil unter Anleitung holländischer Werk-
führer und nach holländischen Plänen vor sich ge-
gangen. Dies mochte den Wunsch in dem König an-
regen, mit Hülfe der mal vorhandenen Arbeitskräfte
aus dem ehemaligen Sumpf- und Seelande über-
haupt eine reiche, fruchtbare Kolonie zu machen.
Der Plan wurde ausgeführt, und das »Amt Königs-
horst« entstand an dem Nordrande des kreisförmi-
1735
gen Havelländischen Luchs, ohngefähr da, wo das
vom Rhin-Luch abzweigende Verbindungsstück in
das Havelländische Luch einmündet. Die Fruchtbar-
keit freilich, die dem eben gewonnenen Grund und
Boden von Natur aus abging, hat kein königlicher
Erlaß ihm geben können; aber in allem andern hat
der »Soldatenkönig« seinen Willen glücklich durchge-
führt, und Königshorst mit seinen platten, unabseh-
baren Grasflächen, seinen Gräben, Deichen und Al-
leen erinnert durchaus an die holländischen Land-
schaften des Rhein-Delta. Hier wie dort ist die grüne
Ebene der Wiesen und Weiden belebt von Viehher-
den, die hier gemischter Race sind: Schweizer, Hol-
länder, Oldenburger und Holsteiner.
Die Gewinnung guter Milch und Butter war von An-
fang an ein Hauptzweck gewesen, und es wurde
demgemäß eine förmliche Lehranstalt für die Kunst
des Butterns und Käsemachens eingerichtet, wohin
die Beamten der kurmärkischen Ämter eine Anzahl
von
Weitere Kostenlose Bücher