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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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im Brieselang. Das will gemacht sein.«
    »Gewiß. Aber ich habe mir sagen lassen, daß die
    Dinge doch Hand in Hand gehen und daß die ›Käfe-
    rei‹, wie Sie sagen, ohne ›Kräuterei‹ gar nicht recht
    bestehen kann. Beispielsweise wenn Sie eine Weiß-
    dornhecke sehen, so wissen Sie auch schon, was in
    dieser Hecke vorkommen kann, ebenso gewiß wir
    wissen, wo die Kretins und die Kröpfe zu suchen
    sind. Ursach und Wirkung, Theorie von der Ernäh-
    rung. Bergwasser.«

    1749
    »Ich danke Ihnen für Ihre Vergleiche. Aber Sie ha-
    ben recht. Das Land und die Leute, die Kräuter und
    die Insekten stehen in allernächster Beziehung zu-
    einander, und obwohl ich für strenge Scheidung bin
    und die Mengerei in der Wissenschaft nicht leiden
    kann, so kann man doch nicht käfern in absoluter
    Ignorierung der grünen Trommel. Rundheraus, ich
    kenne dies und das. Aber das ist nicht Wissen-
    schaft.«
    »Ich höre, daß der Brieselang eine eigene Flora ha-
    ben soll, daß hier Dinge vorkommen, die sonst in der
    ganzen Mark nicht mehr zu finden sind. Hat das sei-
    ne Richtigkeit?«
    »Gewiß. Der Brieselang hat seine eigenen Pflanzen
    und seine eigenen Insekten, er ist unser Gelobtes
    Land, und selbst die Rudower Wiese, in ›all dem
    Ruhm ihrer Orchideen‹, muß sich gegen den Briese-
    lang verstecken.«
    »Was kommt denn wohl so vor? Ich meine zunächst
    von Pflanzen.«
    »Da haben wir zunächst das Wanzenknabenkraut. Da
    haben wir ferner Neottia nidus avis, das Vogelnest.
    Noch seltener ist Coptolanthera rubra, der rote
    Rundbeutel. Die Krone von allem aber ist vielleicht
    Dieranum montanum, der gebirgliebende Gabelzahn.
    Wie der speziell in den Brieselang kommt, wo die
    Maulwurfshügel für alles, was Berglinie heißt, auf-
    kommen müssen, ist mir unerfindlich.«

    1750
    »Und nun die Käfer.«
    »Nun, wissen Sie, da gibt's kein Ende. Aber ich will
    es gnädig machen. Da ist der Widderkäfer, der Bast-
    käfer, der Feuerkäfer; dies sind die leichten Truppen.
    Dann kommt die Garde: der Schwarzkäfer, der Pan-
    zerkäfer. Aber das eigentlich schwere Geschütz, das
    den Ausschlag gibt, das ist doch Procrustes coriaceus
    und Saperda Seydlii. Besonders Saperda. Sie lä-
    cheln; aber glauben Sie mir, wie unsereinem zumute
    wird, wenn man bloß das Wort Saperda aussprechen
    hört, davon können Sie sich keine Vorstellung ma-
    chen. Ich hatte einen legitimistisch-historischen
    Freund, dessen Gesicht sich immer verklärte, wenn
    er ›Montmorency‹ sagte; sehen Sie, so geht es mir
    mit Saperda. Und sagen Sie selbst, klingt es nicht
    schön, apart, dies Doppel-a und das r in der Mitte!
    Oh, wir haben auch ein Herz.«
    »Ist denn nun Saperda im ganzen Brieselang ver-
    breitet?«
    »Verbreitet? Ich weiß nicht, was Sie verbreitet nen-
    nen. Wenn eine Sache verbreitet ist, nun, so ist es
    mit ihr vorbei, so ist sie entzaubert. Es gibt keine
    verbreitete Schönheit. Schönheit ist immer rar. Sa-
    perda findet sich auf einem einzigen Baum, an der
    Segefelder Straße.«
    »Davon hab ich gehört.«
    »Nicht mehr wie billig. Manche Messerklinge ist da
    zerbrochen worden. Der Baum sieht aus wie ein

    1751
    Scheibenpfahl, den hundert Kugeln gestreift, durch-
    bohrt, zersplittert haben. Es gibt keinen unter uns,
    der den Baum nicht kennte. Bei Segefeld liegt der
    Sand wie eine Sahara. Aber wir durchwaten ihn mit
    Freudigkeit – der Weg zu den großen Pilgerstätten
    hat noch immer durch die Wüste geführt.«

    2. Försterei Brieselang

    Lesen konnt ich in seinen festen Zügen
    Seinen lang und treu bewahrten Entschluß:
    Auch mit keinem Fingerdrucke zu lügen;
    Sicher und wohl ward mir bei seinem Gruß.
    Nik. Lenau

    Unter solchem Geplauder hatten wir eine Stelle er-
    reicht, wo der Weg, die bis dahin innegehaltene
    Scheidelinie zwischen Wald und Wiese aufgebend,
    nach links hin scharf einbiegt. Hier schlug sich Lam-
    pe in die Tiefen des Waldes, während wir, den Weg
    weiter verfolgend, alsbald auf eine große Lichtung
    mit Gärten, Häusern und Stallgebäuden hinaustre-
    ten. Wir hatten den Zentralpunkt dieser Waldregio-

    1752
    nen erreicht: Försterei Brieselang . Daneben das
    »Remontedepot« gleiches Namens. Die Lichtung, die
    diese beiden Häuserkomplexe einschließt, hat den
    Charakter einer großen Waldwiese. Ein Wasserlauf,
    »der Neue Graben«, der in früheren Jahren das
    Sumpfland entwässert hat und nun zum Holzflößen
    dient zieht sich quer durch die ganze Breite; eine
    Brücke führt darüberhin. Jenseits des

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