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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Wasserlaufes
    aber steigt der Wald (»die Butenheide«) aufs neue
    an und schließt gegen Norden hin das Bild. Am jen-
    seitigen Rande des Waldes: die Königseiche und Dorf
    Pausin.
    Ein Hirschgeweih über der Tür ließ uns nicht lange in
    Zweifel, wo wir die Försterei, für die wir einen Gruß
    mitbrachten, zu suchen hätten. Wir traten ein. Es
    war um die dritte Stunde. Der Förster, ein Mann von
    nah an siebzig, fuhr aus seinem Nachmittagsschlaf
    auf, strich sich die momentane Runzel von der Stirn
    und stand grüßend vor uns. Wer in solchen Momenten Haltung bewahrt, ist allemal eine liebenswürdige
    Natur.
    Wenn dies je zutraf, so hier. Wir setzten uns zu-
    nächst in eine Geißblattlaube, die den Eingang um-
    rankte, als aber die Nachmittagsschwüle zu drücken
    begann, rückten wir – ein paar Forsteleven hatten
    sich uns zugesellt – weiter vor und stellten die Bänke
    ins Freie. Und nun die ganze Waldwiese samt Gra-
    ben, Brücke und Remontedepot (das zur Hälfte eine
    Brandstelle war) vor uns, begann das Geplauder.

    1753
    Der alte Förster verstand es. »Ich darf wohl sagen«,
    so hob er an, »der liebe Gott hat es gut mit mir ge-
    meint. Mein Großvater war Förster, mein Vater war
    Förster, ich bin Förster und meine drei Jungens sind
    auch Förster, oder sollen's werden. Wir haben alle
    Waldblut in den Adern, Brieselang-Blut. Ein Jahr bin
    ich einmal in einer Kiefernheide gewesen, aber mir
    wurde erst wieder wohl, als ich wieder Elsen und
    Eichen um mich her hatte.«
    »Ist der Brieselang Ihre Heimat?«
    »Nicht so ganz, aber doch beinah. Wir sind auf dem
    Glien zu Hause. Mein Vater war in Diensten beim
    alten Blücher, der dazumal Groß Ziethen hatte. Ich
    habe oft auf des alten Feldmarschalls Knie geritten.
    ›Willst du auch ein Förster werden?‹ – ›Das will ich.‹
    – ›Na, denn werd ein so braver Kerl wie dein Vater.‹
    Das hab ich nicht vergessen. Es war doch ein gnädi-
    ger alter Herr. Als es Anno 15 wieder losging, sagte
    er zu meinem Vater: ›Grothe, denk dir, der Deu-
    belskerl ist wieder da; wir müssen ihm noch mal eins
    geben; aber diesmal ordentlich, daß er genug hat un
    nich wiederkommt.‹ Und dabei sah er ganz ernsthaft
    aus, gar nicht so schabernackisch wie sonst wohl; es
    mocht ihm wohl schwanen, daß er am Ende selber
    nicht wiederkommen könne. Und hören Sie, es war
    auch dichte dran, als er da bei Ligny unter seinem
    Schimmel lag!«
    Wir nickten alle. Vom Wald her aber schmetterte
    Finken- und Drosselschlag immer frischer zu uns

    1754
    herüber, und mit dem Daumen rückwärts deutend,
    sagte der alte Förster: »Ja, das klingt ins Herz.«
    »Das tut's«, erwiderte jetzt mein Reisegefährte (den
    es nachgerade wohl Zeit ist aus seiner stummen Rol-
    le zu erlösen, in der er bisher eigensinnig beharrte),
    »aber wollen Sie glauben, Herr Förster, daß es Ge-
    genden gibt, wo die Vögel denn doch noch anders
    singen, so melodisch, so tief erschütternd, daß man
    aufhorcht, als habe man den Klang einer Menschen-
    stimme, die ersten Töne einer wehmütigen Volkswei-
    se gehört.«
    »Der Tausend auch«, sagte der Förster, »Sie machen
    mich neugierig.«
    »Und diese Vögel, von denen ich spreche, die singen
    da , wo wir's am wenigsten glauben möchten, in
    Australien bei den Antipoden. Ein Engländer ist dort
    gereist, hat die Waldstimmen belauscht, hat die Töne
    in Noten festgehalten und zuletzt eine Art Melodien-
    buch herausgegeben, aus dem wir nun genau erfah-
    ren können, wie die australischen Vögel singen.«
    »Ist es möglich!«
    »Es ist sogar gewiß. Ich habe das Buch. Und unter
    all diesen Stimmen ist eine, die es mir besonders
    angetan hat, das ist die Stimme des Leather-head.
    Leather-head heißt Lederkopf, ein Name, den dieser
    Vogel führt, weil er einen völlig kahlen Kopf hat. Ich
    will Ihnen die Melodie pfeifen; sie geht leise; Sie
    müssen scharf aufhorchen.«

    1755
    Unser Reisegefährte pfiff nun in langgezogenen Tö-
    nen die Klagemelodie des Leather-head. Selbst im
    Walde war es still geworden. Es war, als ob die Vögel
    drinnen mit zu Rate säßen.
    »Das ist schön«, sagte der Förster, »aber Ihr Eng-
    länder kann sich die Melodie erfunden haben.«
    »Ich gestehe«, fuhr unser Reisegefährte fort, »daß
    ich dann und wann denselben Verdacht hatte. Aber
    denken Sie, wo mir plötzlich die Gewißheit kam! Sie
    haben vom Aquarium gehört. Nun, in dem Aquarium
    befindet sich auch eine Vogelhecke, die mir das
    Liebste vom Ganzen ist. Jeder

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