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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ein majestä-
    tischer Baum, acht Fuß Durchmesser, achtzig bis
    hundert Fuß hoch; man braucht zwanzig Schritt, ihn

    1759
    zu umschreiten. Sein Holzinhalt wird auf fünfund-
    zwanzig Klafter und sein Alter auf tausend Jahre be-
    rechnet. Bis vor kurzem lebte er noch; seit etwa drei
    Jahren indes ist er völlig tot, nirgends ein grünes
    Blatt, die Rinde halb abgefallen. Aber noch im Tode
    ist er gesund. Alles Kernholz. Die Forstleute sagen:
    er steht noch hundert Jahr. Dem wird jeder zustim-
    men, der die »Königseiche« sieht. Auf einen Laien
    macht sie den Eindruck, als halte sie nur einen lan-
    gen Winterschlaf, als brauche sie dazu mehr Zeit als
    junge Bäume und müsse deshalb ein paar Sommer
    überschlagen, aber als sei ihr Erwachen unter allen
    Umständen gewiß und als würd es binnen kurzem im
    ganzen Brieselang heißen: sie lebt wieder.
    Eine Welt von Getier bewohnt die alte Eiche. Der
    Bockkäfer in wahren Riesenexemplaren hat sich zu
    Hunderten darin eingenistet; am ersten großen Ast
    schwärmen Waldbienen um ihren Stock, und im kah-
    len Geäst, höher hinauf, haben zahllose Spechte ihre
    Nestlöcher.
    In den Tagen sich regenden deutschen Geistes, in
    den Tagen Jahns und der Turnerei, wurde die Eiche
    Wanderziel und Symbol. Dies war ihre historische
    Zeit. Damals vereinigte man sich hier, gelobte sich
    Treue und Ausharren und befestigte in Mittelhöhe
    des Stammes die Inschrifttafel, die bis diese Stunde
    dem Baum erhalten worden ist. Die Inschrift selbst
    aber, die um des Kaisergedankens willen, den sie ausspricht, in diesem Augenblicke wieder ein besonderes Interesse gewährt, ist die folgende:

    1760
    Sinnbild alter deutscher Treue,
    Das des Reiches Glanz gesehn,
    Eiche , hehre, stolze, freie,
    Sieh, dein Volk wird auferstehn.
    Brüder, alle, die da wallen,
    Her zu diesem heil'gen Baum,
    Laßt ein deutsches Lied erschallen
    Auf dem altgeweihten Raum:
    Wie in Sturmeswehn die Eiche,
    Stehet fest bei Treu und Recht,
    Einend schirme alle Zweige
    Einer Krone Laubgeflecht.1)
    Außer diesen Turnerfahrten scheint die Eiche, vorher
    und nachher, nicht allzuviel gesehen und erlebt zu
    haben. Sie lebte wie so mancher Alte, still und abge-
    schieden. Ein beständiges Gleichmaß in beständigem
    Wechsel. Auf Sommerdürre folgten die Stürme, dann
    fiel Schnee, dann war alles Sumpf und Bruch, dann
    wieder Sommerdürre – so kamen die Jahre, so gingen sie. Nichts geschah. Es gibt Holunderbäume in
    Pfarrgärten, die in fünfzig Jahren mehr gesehen ha-
    ben als die große Eiche in fünfhundert. Nur die letz-
    ten Jahrzehnte schufen einen Wandel: Landpartien
    und Berliner kamen.
    Es handelte sich jetzt für uns darum, ihr ein beson-
    deres Zeichen unserer Huldigung zu geben. Ein
    dreimaliges Hurra erschien uns für unsere zivilen
    Verhältnisse teils zu prätentiös, teils unausreichend.
    Aus dieser Verlegenheit indes sollten wir alsbald ge-

    1761
    rissen werden – unser Reisegefährte hatte alles be-
    reits sinnig erwogen. Er nahm seine umsponnene
    Flasche, füllte ein Glas mit rotgoldenem Kap-
    Constantia-Wein, trat vor und sprach: »Eiche, tau-
    sendjährige, sei uns gegrüßt! Hier hat der Wende
    gelagert und der Berliner, und allerlei Wein, fränki-
    scher und deutscher, nicht minder die ›gebrannten
    Wässer‹ beider Indien, Jamaikas und Goas sind dir
    zu Ehren an dieser Stelle verschüttet worden. Aber
    ob Südafrika, ob Mohrenland von jenseit der Linie dir
    je gehuldigt, das ist mindestens fraglich. Empfange
    denn die Gabe aus Gegenden, in denen nur Freilig-
    rath und der Kaffer ›einsam schweift durch die Kar-
    roo‹, empfange diesen Tropfen Kap Constantia – die
    Hänge des Tafelberges grüßen dich und den Briese-
    lang!« Damit goß er den Kapwein ihr zu Füßen. Wir
    schwenkten die Hüte, stimmten Lieder an von Arndt
    und Körner und machten uns auf den Rückweg.
    Im Fluge. Denn immer bedrohlicher zog sich's über
    uns zusammen, und kein Wind machte sich mehr
    auf, das Gewölk zu zerstreuen. So ging es an den
    alten Stätten vorbei, am Forsthaus, am Remontede-
    pot, an dem Elsbusch, aus dem uns Lampe, der »Jä-
    ger«, so bedrohlich entgegengetreten war. Als wir
    Finkenkrug erreichten, war es die höchste Zeit, wenn
    uns daran lag, mit den Extrazüglern, die eben in
    Sektionen formiert aufbrachen, den Rettungshafen
    der Eisenbahn zu gewinnen. Musik vorauf, so ging es
    durch die letzte Waldstrecke. Die Pauke tat wieder
    ihr Äußerstes, als plötzlich einer rief: »Pauke still!«
    Und sie

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