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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hat so seinen Ge-
    schmack. Und wie ich nun den Gang entlangkomme
    und das Gezwitscher der anderen Vögel einen Au-
    genblick schweigt, was höre ich da plötzlich aus der
    Volière heraus? Die leisen, langgezogenen Töne mei-
    nes Leather-head, einmal, zweimal, dreimal. Mir war,
    als ob ich einen alten Bekannten wiedersähe. Da saß
    er und starrte mich lange an, wie wenn er gefühlt
    hätte: der hat dich verstanden.«
    Alles schwieg. Der Erzähler pfiff die Melodie noch
    einmal. Dann knipste der Förster mit den Fingern
    und sagte: »Nichts für ungut, aber ich bin doch für
    eine richtige Brieselang-Drossel; ihr Leather-head
    hat mich ganz melancholisch gemacht. Ich bin fürs
    Fidele.«
    »Ich auch, ich auch«, riefen die anderen. Der Leder-
    kopf war abvotiert.

    1756
    Inzwischen begann sich Gewölk am Himmel zu sam-
    meln. Dann brach die Sonne wieder durch, aber die
    Schwüle wuchs. »Haben Sie viel Gewitter im Briese-
    lang?« fragte ich.
    »Oft nicht, aber wenn sie kommen, kommen sie gut.
    Im vorigen Juli ging's hier eine Stunde toll her. Se-
    hen Sie dort die Brandstelle« (er zeigte nach rechts);
    »da stand vor Jahresfrist noch das Remontedepot,
    180 Pferde, alle schwarz.«
    »Und es schlug ein?«
    »Es schlug ein, und es gab ein Wetter, wie ich's hier
    nicht wieder haben möchte, und doch war es
    zugleich eine Stunde, daß mir das Herz im Leibe
    lacht, wenn ich daran denke. Da habe ich gesehen,
    was ein preußischer Futtermeister ist.«
    »Ein Futtermeister?«
    »Ja, solch Remontedepot, müssen Sie wissen, hat
    einen Wachtmeister von altem Schrot und Korn, der
    regiert das Ganze; er ist wie ein kleiner König. Und
    ich sage Ihnen, dieser Futtermeister,... nun, der
    verstand's. Das Remontedepot hatte acht Türen. Als
    nun das Wetter über uns stand und die ersten Blitze
    herunterfuhren, stellte er seine acht Knechte an die
    acht Eingänge, sich selber aber mitten auf diesen
    Platz da.

    1757
    Da stand er wie ein Feldherr, während das Feuer in
    breiten Scheiben niederfiel. ›Kerls‹, schrie er, ›wenn
    ich rufe: »Vorwärts, Türen auf!«, dann ist's Zeit,
    dann hat's eingeschlagen.‹ So vergingen wohl zehn
    Minuten; die Blitze ließen nach, ein Hagelwetter
    kam, Körner wie die Taubeneier. Mit einemmal
    schwieg auch das; der Hagel war wie abgeschnitten.
    Aber im nächsten Augenblick ›Krach!‹, und der Blitz
    lief über den First hin. ›Vorwärts!‹ Alle Türen flogen
    auf; die Schloßen fielen nieder wie ausgeschüttet,
    und im nächsten Moment jagten die 180 schwarzen
    Pferde an mir vorbei, hier über die Brücke hin, in die
    Butenheide hinein, auf Pausin zu. Zwölf Minuten spä-
    ter hatten wir die Spritzen hier; denn als die
    180 schwarzen Pferde wie die Wilde Jagd durchs Dorf
    jagten, da wußten die Pausiner, was los war. ›Das
    Remontedepot brennt‹, und heidi ging's in den Wald
    hinein, auf das Depot zu. Solch Wettfahren hat die
    alte Butenheide ihr Lebtag nicht gesehen. Ein schö-
    ner Tag war's, aber ich mag ihn nicht wieder erle-
    ben.«

    3. Die Königseiche

    Man sieht noch am zerhaunen Stumpf,
    Wie mächtig war die Eiche.
    Uhland

    1758

    Diese Erzählung konnte nicht umhin, uns leise daran
    zu mahnen, daß wir noch einen Teil unserer Wande-
    rung vor uns hätten, ein letztes Drittel, einen Schlu-
    ßabschnitt, den es auf alle Fälle gut sei hinter sich zu haben, um so mehr, als das sich ansammelnde, grell
    durchleuchtete Gewölk am Himmel das Einbrechen
    eines Brieselang-Gewitters nicht geradezu unwahr-
    scheinlich machte.
    Ein Wind machte sich auf, das Gewölk zerstreute sich
    wieder, die Schwüle ließ nach; so ging es vorwärts.
    Als wir den entgegengesetzten Waldrand nahezu
    erreicht hatten, nahm unser Führer die Tête und
    brach mit dem Kommando »halb rechts« in das Un-
    terholz der Butenheide ein. Es schien undurchdringli-
    ches Gestrüpp, bald aber lichtete sich's wieder, und
    in eine breite, durch den Forst gehauene Avenue
    tretend, hatten wir die Königseiche auf etwa
    300 Schritte vor uns. Wir ließen sie zunächst als ein
    Ganzes auf uns wirken. Sie steht da wie ein Riesen-
    skelett mit gen Himmel gehobenen Händen. Die A-
    venue hat ganz den Charakter eines feierlichen Auf-
    gangs, einer Trauerallee, die zu einem Denkmal oder
    Mausoleum führt. Erst ein Weißbuchen-, dann, im-
    mer schmaler werdend, ein Weißdornspalier, bis die
    Avenue in einen tannenumstellten Kreis mündet, aus
    dessen Mitte die »Königseiche« aufsteigt.
    Sie führt ihren Namen mit Recht. Es ist

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