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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ein geheimnisvolles Lebensband
    zwischen diesem Baum und seinem eignen fränki-
    schen Geschlecht. War es doch selbst an dieser Stel-
    le erschienen wie eine hohe Tanne unter den Kiefern.
    Das von der Reckesche Haus wurde verkauft (ich
    weiß nicht, wann), und die Mendelssohns kauften es.
    Sie besaßen es erst kurze Zeit, da gab es eine hohe
    Feier hier: die Freiwilligen zogen aus, und ein Ab-
    schiedsfest versammelte viele derselben in diesem
    Garten. Eine lange Tafel war gedeckt, und aus der
    Mitte der Tafel wuchs der alte Eibenbaum auf, wie
    ein Weihnachtsbaum, ungeschmückt – nur die Hoff-
    nung sah goldne Früchte in seinem Grün.
    Und diese Hoffnung hatte nicht gelogen. Der Friede
    kam, und die heitern Künste scharten sich jetzt um
    den Eibenbaum, der ernst wie immer, aber nicht un-
    wirsch dreinschaute. Felix Mendelssohn, halb ein

    1766
    Knabe noch, hörte unter seinem mondlichtdurchglit-
    zerten Dach die Musik tanzender Elfen.
    Doch wieder andere Zeiten kamen. Vieles war be-
    graben, Menschen und Dinge; da zog sich auch über
    dem Eibenbaum ein ernstes Wetter zusammen. Wer
    weiß, was geschehen wäre, wenn nicht des Eiben-
    baumes bester Freund noch gelebt hätte. Der lenkte
    den Strahl ab.
    1852 brannte die damals in der Oberwallstraße gele-
    gene »Erste Kammer« nieder; das Mendelssohnsche
    Haus, samt Garten und Eibenbaum, wurde gekauft,
    und das preußische Oberhaus hielt seinen Einzug an
    neuer Stelle. Niemand ahnte Böses. Da ergab sich's,
    daß die Räumlichkeiten nicht ausreichten, und ein
    großes, neu zu errichtendes Hintergebäude sollte
    den fehlenden Raum schaffen. Soweit war alles klipp.
    und klar, wenn nur der Eibenbaum nicht gewesen
    wäre. Der bereitete Schwierigkeiten, der »beherrsch-
    te die Situation«. Einige, mutmaßlich die Baumeister,
    wollten zwar kurzen Prozeß mit ihm machen und ihm
    einfach den Kopf vor die Füße legen. Aber die hatten
    es sehr versehen. Sie erfuhren bald zu ihrem Leid-
    wesen, welch hohen Fürsprecher der Baum an ent-
    scheidender Stelle hatte.
    Was war zu tun? Der Baum stand just da, wo das
    neue Gebäude seinen Platz finden sollte. 1851 in
    London hatte man über zwei alte Hydeparkbäume
    die Kuppel des Glaspalastes ruhig weggeführt und
    die Einweihungsfeier unter grünem Dach und zwit-
    schernden Vögeln gehalten; aber der alte Eibenbaum

    1767
    im Sitzungssaale des Herrenhauses – das ging doch
    nicht. Man kam also auf die Idee einer Verpflanzung .
    Der König bot Sanssouci, der Prinz von Preußen Ba-
    belsberg zu diesem Behufe an. Wer wäre nicht bereit
    gewesen, dem Alten eine Stätte zu bereiten! Konsul-
    tationen wurden abgehalten und die Frage aufgewor-
    fen, »ob es wohl ginge«. Aber selbst die geschicktes-
    ten Operateure der Gartenkunst mochten keine Ga-
    rantie des Gelingens übernehmen. So wurde denn
    der Plan einer »Verpflanzung im großen« aufgegeben
    und statt dessen die Idee einer Verschiebung , einer Verpflanzung im kleinen aufgenommen. Man wollte
    den Baum loslösen, den Garten abschrägen und nun
    den losgelösten Baum, mit Hülfe der Schrägung, bis
    mitten in den Garten hineinschieben. Aber auch die-
    se Prozedur wurde, als zu bedenklich, ad acta gelegt
    und endlich beschlossen, den Baum am alten Platze
    zu lassen. Da unser Freund nicht in der Lage war,
    sich den Baumeistern zu bequemen, so blieb diesen
    nichts übrig, als ihrerseits nachzugeben und die
    Mauer des zu bauenden Hauses an dem Baume ent-
    lang zu ziehen. Man hat ihm die Mauer empfindlich
    nahe gerückt, aber der Alte, über Ärger und Ver-
    stimmung längst weg, reicht ruhig seine Zweige zum
    Fenster hinein. Ein Gruß, keine Drohung.
    Seine Erlebnisse indes, auch seine Gefährdungen
    während der Bauzeit, sind hiermit noch nicht zu Ende
    erzählt. Während des Baues (so hatte es der hohe
    Fürsprecher gewollt) war der Baum mit einem Bret-
    tergerüst umkleidet worden, in dem er ziemlich ge-
    borgen stand, eine Art Verschlag, der die hübsche
    Summe von 300 Talern gekostet hatte. Der Freund

    1768
    in Sanssouci gab es gern für seinen Freund im Reck-
    eschen Garten. Der Verschlag war gut gemeint und
    tat auch seine Dienste. Aber er tat sie doch nicht
    ganz. Mauerstaub und Berliner Staub dringen überall
    hin und finden jeden feinsten Spalt aus, wie Luft und
    Licht. Als endlich das Haus stand und mit dem Bau-
    gerüst zugleich auch der Verschlag des Baumes fiel,
    da ging ein Schrecken durch alle Herzen – der Ei-
    benbaum war weiß geworden . Wie Puder lag der

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