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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Zwei-
    ten Schlesischen Kriege teil und erhielt, nach der
    Einnahme Prags, den Befehl über sämtliche die Gar-
    nison dieser Hauptstadt bildende Truppen. Es war ein
    höchst schwieriges Kommando, die Besatzung zu
    schwach, um sich auf die Dauer zu halten, dazu völ-
    lig unzuverlässig. In der Nacht vor dem Abzuge, der
    endlich stattfinden mußte, desertierten 500 Mann
    von den Wachen , während die nicht im Dienst be-
    findlichen Mannschaften, der Sicherheit wegen, in
    ihre Quartiere eingeschlossen wurden. Während des
    Abzuges selbst steigerte sich das Übel; jede Minute
    brachte Verluste, die Geschütze blieben in den
    grundlosen Wegen stecken, ganze Bataillone lösten
    sich auf.
    General von Einsiedel, als er mit den Überresten sei-
    nes Corps in Schlesien angekommen war, wurde vor
    ein Kriegsgericht gestellt. Schuldlos, wie er war,
    konnte seine Freisprechung kaum ausbleiben. Aber
    die Gnade des Königs war verscherzt. An dem Feld-
    zuge des nächsten Jahres durfte er nicht teilnehmen;
    er blieb in Potsdam, wo er am 24. Oktober 1745
    starb.
    Als wenige Monate später die Grenadiere heimkehr-
    ten und das Haus ihres Chefs verödet fanden, hieß
    es alsbald: er sei heimlich enthauptet. Mit allen De-
    tails wurd es erzählt. Der Scharfrichter aus Berlin sei 2130
    mit verbundenen Augen herübergeholt worden;
    nachts, im Keller seines eigenen Hauses, habe die
    Hinrichtung stattgefunden; in ebendiesem Keller sei
    seine Leiche auch verscharrt worden.
    Die Zweifel, die laut zu werden versuchten, wurden
    niedergeschlagen, und man muß einräumen, daß die
    Sache nicht nur ein verdächtiges Ansehen, sondern
    auch manches um und an sich hatte, was die An-
    nahme mehr oder weniger direkt zu unterstützen
    schien. Die Vorgänge in Prag, das Kriegsgericht, die
    Ungnade des Königs waren Tatsachen; in das Kir-
    chenbuch der Garnisonkirche war sein Tod nicht ein-
    getragen. Was aber schwerer als alles andere ins
    Gewicht fiel und dem Verdacht, von ganz anderer
    Seite her, Nahrung zuführte, war der Umstand, daß
    das Ländchen Bärwalde (damals noch eine preußi-
    sche Enklave im Kursächsischen) Einsiedelscher Be-
    sitz war und bei allen Schwarzsehern und Geheim-
    niskrämern alsbald die Frage anregte: ob nicht, mit
    Rücksicht auf die Lage dieses Besitzes, ein Einver-
    ständnis von Einsiedels mit dem sächsischen Hofe angenommen werden müsse. Solche Frage, einmal
    angeregt, wurde selbstverständlich immer bestimm-
    ter mit »Ja« beantwortet, und in Potsdam, wie im
    Ländchen Bärwalde selbst, herrschte zu Anfang die-
    ses Jahrhunderts nicht der geringste Zweifel mehr.
    Generallieutenant von Einsiedel war und blieb »heim-
    lich enthauptet«, und die Bärwalder steigerten sich
    bis zu der grotesken Vorstellung, »daß das Haupt,
    um die Hinrichtung auch im Tode noch zu kaschie-
    ren, auf höchst sinnreiche Weise an dem steifen Uni-formkragen (den es damals gar nicht gab) befestigt 2131
    worden sei«. Gegen all diese Annahmen war nichts
    zu machen. Die heimlich bestrafte Untat hatte ein
    siegreich romantisches Interesse, während der Ge-
    genbeweis prosaisch und undankbar war.
    Und doch kam die Zeit, wo er geführt werden mußte.
    Friedrich Wilhelm IV., der in der immer wieder ange-
    regten Frage endlich klarsehen wollte, gab dem Ge-
    neral Kurd von Schöning Auftrag: »die Sache ins
    reine zu bringen«. Die Resultate dieser Untersuchung
    liegen nun vor.
    Es sind zunächst zwei Aufzeichnungen, zwei Doku-
    mente, die den Gegenbeweis übernehmen. Das erste
    derselben ist eine Zessionsurkunde, eine gerichtliche
    Konvention, worin der Einsiedelschen Familie der
    Besitz des Ländchens Bärwalde zugesichert wird. In
    dieser Konvention vom 7. Oktober 1745, die also nur
    sieben Tage vor dem Hinscheiden des Generals von
    diesem selber ausgestellt wurde, nennt er sich: Sei-
    ner Königlichen Majestät wohlbestallter Generallieu-
    tenant, Oberst über ein Bataillon Grenadiergarde , Erbherr zu Bärwalde etc., woraus ersichtlich, daß die
    Ungnade des Königs keine besonders strenge und
    bedrohliche gewesen sein kann. Dieser würde sonst
    unzweifelhaft, vor Aufbruch und Rückkehr der Trup-
    pen, einen andern Chef des Gardebataillons ernannt
    und den Namen von Einsiedels gestrichen haben.
    Das zweite, wichtige Dokument ist das Kirchenbuch
    zu Meinsdorf, im Ländchen Bärwalde, in dem wir von
    der Hand des damaligen Pfarrers Presso folgende
    Aufzeichnungen finden: »... Gedachter Herr General-

    2132
    lieutenant von Einsiedel ist

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