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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sein.«
    Und nun gingen sie über den Kirchhof wieder auf das
    Herrenhaus zu. Alles war still, wie ausgestorben.
    Aber ein Sonnenschein lag auf dem Dach, und Küster Jerse, der zurückgeblieben war, läutete Mittag.

    2140
    Es sollten noch stillere Tage kommen. Ohne Sonnenschein und ohne Läuten.

    Wust 1730
    Dreiundzwanzig Jahre waren ins Land gegangen.
    Vieles hatte sich geändert, und nur Wust und sein
    Herrenhaus waren unverändert geblieben. Der
    »Dienst« hielt nach wie vor den Gutsherrn in der
    Ferne fest, jetzt in der Ostprovinz des jungen Landes, in Königsberg, aber der junge Oberst von da-
    mals war inzwischen ein alternder Generallieutenant
    geworden. Und Geschicke bereiteten sich vor, die
    innerhalb dreier Monate seine Seele völlig beugen
    und brechen sollten.
    Verweilen wir einen Augenblick bei dem Vorspiele zu
    dieser Tragödie. Am 5. August hatte, unter Mitwissen
    und Beihilfe verschiedener Personen, darunter der
    Lieutenant Hans Hermann von Katte, ein Fluchtver-
    such des Kronprinzen stattgefunden. Die Nachricht
    davon lief durchs Land. Zwanzig Tage später war sie
    in Königsberg, und noch am selben Tage schrieb der
    Generallieutenant an seinen Bruder, den Kammer-
    präsidenten von Katte in Magdeburg:

    »Mein lieber Bruder!

    2141
    Mit was Betrübnis ich diese Feder ansetze, ist Gott
    bekannt. Ihr werdet von Eurem Sohn aus dem Reich
    leider erfahren haben, wie unsere gottlosen Kinder
    sich in das größte Labyrinth gesetzet, und hat Euer
    Sohn solches dem Major von Rochau geschrieben.
    Dieser hat mir dessen Brief mit der Ordonnance an-
    hero gesandt, da ich eben anitzo hier in Königsberg
    sein und bleiben muß. Ich hab es als meine Pflicht
    erachtet, meinen Sohn zu abandonnieren , meinen
    Eid und meine Schuldigkeit vorzuziehen und Eures
    Sohnes Schreiben dem Könige mit einer Estafette zu
    senden. Hat mein Sohn in seinem Dessein nicht
    reussieret, so wird ihn der König wohl arretieren las-
    sen. Ich kann nichts weiter tun als seufzen, ihn Gott
    und des Königs Erbarmung überlassen. Adieu, mein lieber Bruder. Gott stärke uns in unserem Elend. Ich
    bin Euer treuer Bruder
    H. H. Katt.«

    Dieser Brief trägt das Datum: Königsberg,
    25. August. Es ist sehr bemerkenswert, daß der Va-
    ter Hans Hermanns von Katte in diesem Schreiben
    sich ganz auf die Seite des Königs stellt. Die Loyalität ging noch über das Vaterherz. Es darf nicht wundernehmen, da aus spätren Briefen hervorgeht, daß
    dem Generallieutenant damals noch der Gedanke
    fernlag, der König werde aus der Affaire ein Kapital-
    verbrechen machen. Man kannte das cholerische
    Temperament Friedrich Wilhelms, seine strengen
    Ansichten über »Dienst«, nichtsdestoweniger rechne-

    2142
    te man auf Gnade. Niemand erwartete ein Äußerstes .
    Aber gerade das Äußerste kam. Das Votum des
    Kriegsgerichts zu Köpenick hatte auf dauernde Ge-
    fängnisstrafe gelautet. Der König, aus souveräner
    Machtvollkommenheit, stieß das Urteil um und (viel-
    leicht ein einzig dastehender Fall in der Geschichte) schärfte das Urteil und verwandelte die Kerkerstrafe in Tod, unter Anfügung jener berühmt gewordenen
    Worte: »es wäre besser, daß Katte stürbe, als daß
    die Justiz aus der Welt käme«.
    Das war am 1. November. Am 2. November kannte
    Hans Hermann von Katte sein Schicksal, am 3. be-
    gann seine Überführung nach Küstrin, am 5. mittags
    traf er ein, und am 6. früh fiel sein Haupt.
    Über all dies hab ich in dem Kapitel » Die Katte-
    Tragdödie «, Band II, Seite 299 bis 339, ausführlich berichtet.
    Die letzte Szene der Tragödie, die Beisetzung, führt uns wieder nach Wust.
    Ein bleierner Novemberhimmel hing über Dorf und
    Landschaft, auf Feldern und Wegen standen Wasser-
    lachen, und an den Ebereschenbäumen blinkten ein-
    zelne Regentropfen. Es war um die fünfte Stunde,
    die Sonne, die den ganzen Tag über nicht geschienen
    hatte, blinzelte im Untergehen über die triste Land-
    schaft hin.
    Denselben Ebereschenweg, den damals der Oberst
    von Katte entlangtrabte, kam jetzt ein schmaler Lei-

    2143
    terwagen mit zwei mageren Pferden herauf. Der Kut-
    scher ging nebenher, müd und matt, und tapste
    durch die Regentümpel, die zu umgehen ihm den
    Weg verlängert hätte. Der Wagen selbst gab ihm
    keinen Platz mehr, denn auf dem schmalen Brett
    stand ein langer Sarg, schwarz gestrichen, schmuck-
    los, ohne Haspen und Beschlag.
    Es dunkelte schon, als das Fuhrwerk vor dem Her-
    renhause hielt. Auf dem Vorplatze standen mehrere
    Leute

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