Wanderungen durch die Mark Brandenburg
nur
wieder hin!«
Diesem Befehle folgte der Page buchstäblich, und als
unmittelbar darauf Kirchendiener und Maurer in die
Kirche kamen, um das Grab wieder zu schließen,
bemerkten sie, daß der Kopf auf der Brust des Leichnams lag . Daraus entstand das Gerücht, daß Graf Schwarzenberg enthauptet worden sei. 1777 ließ der Prediger des damals zu Spandau in Garnison liegenden Regiments Prinz Heinrich einen Aufsatz drucken,
in dem er die Enthauptung bereits als ausgemachte
Tatsache hinstellte. Er beschrieb sogar den Ort in der
Spandauer Heide, wo die Hinrichtung stattgehabt
hätte, und fügte noch hinzu, daß man »im Jah-
re 1755 bereits den Körper des Grafen ohne Sarg,
nur zwischen einigen Brettern liegend, vorgefunden
habe«.
Aber durch ebendiesen Aufsatz wurde auch die Anre-
gung gegeben, näher nachzuforschen und das Ge-
rücht auf seine Grundlosigkeit zurückzuführen.
Oberst von Kalckstein, der damalige Kommandeur
des Regiments, wollte Gewißheit haben und ließ am
20. August 1777 abermals das Gewölbe öffnen, wo-
bei, außer dem Herrn Obersten, noch folgende Per-
sonen zugegen waren: Regimentschirurgus Laube,
der Garnisonprediger, Justizrat Lemcke, Adjutant von
Bardeleben, Konrektor Dilschmann, Inspektor Schulz
und Dr. Heim (der spätre »alte Heim«, damals, von
1776 bis 1783, Arzt und Physikus in Spandau).
2127
Den Deckel fand man neben dem Sarge sehr zertre-
ten; der Sarg selbst war mit violettfarbenem Sam-
met ausgeschlagen und mit goldenen Tressen be-
setzt; der Leichnam ruhte auf Kissen von weißem
Taft. Bekleidet war der Graf mit einer langen spani-
schen Weste von Silberstoff, an der Seite hatte er
einen bereits verrosteten, mit goldener Tresse ver-
zierten Degen, seidene, fleischfarbige Strümpfe be-
deckten die Beine, und auf den Füßen trug er
schwarzlederne Schuhe mit sehr dicken Sohlen. Ein
schwarzsamtner, mit einer goldenen Rundschnur
besetzter, niedergeschlagener Hut lag auf dem Kör-
per und neben demselben der Kopf.
Dr. Heim nahm den Kopf in die Hand, um ihn genau
zu untersuchen; hierbei fand sich, daß derselbe mit
Kräutern angefüllt und einbalsamiert war. Die Kno-
chen waren noch nicht vermodert, und die sieben
Halswirbel fanden sich im Sorge sämtlich unverletzt vor . Heim erklärte: »Der Graf ist nicht enthauptet worden, sondern eines natürlichen Todes gestorben.« Auch wurde eine Urkunde darüber ausgestellt,
die sich, bis diesen Augenblick, in einem verschlos-
senen Kasten des Spandauer Kirchenarchivs befin-
det.
2. General von Einsiedel
Ziemlich um dieselbe Zeit, als in Spandau die Ent-
hauptungssage von Graf Adam Schwarzenberg auf-
kam, also in den Jahren unmittelbar vor Ausbruch
2128
des Siebenjährigen Krieges, hieß es auch in Pots-
dam, als ob die beiden Nachbarstädte auf diesen
Punkt hin eifersüchtig gewesen wären: »General Ein-
siedel sei heimlich enthauptet worden«. Die Sache
machte insofern noch ein gesteigertes Aufsehen, als
alles, was den »katholischen Grafen« (Schwarzen-
berg) anging, um ein Jahrhundert zurücklag, wäh-
rend die Einsiedel -Enthauptung eine Art Tagesereignis war. Lange hielt sich der Glaube daran, bis end-
lich auch dieser »heimlich Enthauptete« von den Tafeln der Geschichte gestrichen wurde.
Wir geben, wie in dem Schwarzenberg-Fall, zunächst
die Umstände, die die Sage entstehen ließen.
Gottfried Emanuel von Einsiedel wurde 1690, wahr-
scheinlich im Herzogtum Sachsen-Weißenfels, gebo-
ren. Er trat 1707 in die preußische Armee, wurde
»seiner ansehnlichen Körperlänge wegen« ein Lieb-
ling Friedrich Wilhelms I., trat in das rote Leibbataillon (die spätere Riesengarde) und machte den Feld-
zug gegen die Schweden mit. Er avancierte, ver-
mählte sich mit Margarete von Rochow aus dem
Hause Reckahn und erhielt, neben anderen Donatio-
nen, im Jahre 1726 das ehemalige Wartenbergsche
Haus in Potsdam, nebst angrenzenden Wohngebäu-
den, zum Geschenk. Auf dieser Stelle errichtete er
das Einsiedelsche Haus, das noch existiert und als
»Hotel Einsiedler« jedem Potsdam-Besucher bekannt
geworden ist. Das Allianzwappen der Familien von
Einsiedel und von Rochow über der Tür erinnert noch
an den Erbauer.1)
2129
Die Huld, die von Einsiedel unter Friedrich Wilhelm I.
erfahren hatte, verblieb ihm auch unter dessen
Nachfolger. Friedrich II. ernannte ihn zum General-
major und zum Chef des neu formierten Grenadier-
Garde-Bataillons. Mit diesem nahm er an dem
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