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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hinaus, und fünf Minuten später saßen wir,
    eng zusammengerückt und fest wie ein Spiel alter
    Karten, auf den beiden Längssitzen des Wagens. Die
    Pferde zogen an, und beinahe gleichzeitig rief eine
    Stimme aus dem Hintergrunde des Wagens: »Fens-
    ter zu, daß es warm wird.« Feste Kommandos wer-
    den immer befolgt. Eine geschäftige Hand zog sofort
    an der Lederstrippe, das alte Klapperfenster flog in
    die Höhe, und dreizehn Personen, drei Zigarren und
    eine kleine Tranlampe, die zunächst noch ganz keck
    und lustig brannte, unterzogen sich jetzt der ge-
    wünschten Erwärmungsaufgabe.
    Als ich mich orientiert hatte, sah ich, daß der
    Schlachtschrei »Fenster zu« nur von der alten Norne
    gekommen sein konnte. Sie zog nunmehr eine bunte
    Kapuze über das graue Haar, packte ein Paar Hand-
    schuhe ohne Finger in einen Korb, den sie auf dem
    Schoße hielt, und sagte dann zu ihrem Nachbar, ei-
    nem bärtigen, graumelierten, mittelalterlichen Herrn:
    »Sehen Sie, Herr Inspektor, wir sammeln und verlie-
    ren.«

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    »Jawohl, Mutter Sootzmann«, erwiderte der Angere-
    dete, der die Alte ganz ersichtlich beschwichtigen
    wollte.
    »In Nauen haben wir gesammelt, in Wustermark und
    Dyrotz haben wir verloren, in Falkenrehde haben wir
    wieder gesammelt.«
    »Jawohl, Mutter Sootzmann.«
    »Alles im Leben ist Sammeln und Verlieren. Wenn
    der Mensch in Falkenrehde Kaffee trinkt, hat er ge-
    sammelt. Ich habe gesammelt, Herr Inspektor...«
    »Jawohl, Mutter Sootzmann«, unterbrach dieser jetzt
    rascher als vorher, weit er irgendeinen unharmoni-
    schen Abschluß befürchten mochte.
    Immer dichter inzwischen wurde der Dunstkreis. Die
    Laterne begann zu blaken, was kaum noch als ein
    Übelstand gelten konnte, und der »Regierungsbeam-
    te«, gebildet bis zuletzt, sprach über Stickstoffoxyd
    und zu früh zugemachte Ofenklappen, ein Thema,
    dessen Zeitgemäßheit nicht zu bezweifeln war.
    Ich weiß nicht mehr, was ich antwortete oder ob ich
    überhaupt antwortete. Ein Kopfweh, das schon die
    Grenzen des tic douloureux streifte, schlug meine
    Artigkeit in Banden.
    Und so fuhren wir nach Potsdam hinein.

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    Endlich Luft!
    Im Freien begann ich, über die verschiedenen Arten des Grauens zu reflektieren.
    Was war die Falkenrehder Gruft gegen diesen Naue-
    ner Omnibus und was der »Enthauptete« gegen Mut-
    ter Sootzmann, die Norne!

    Zwei »heimlich Enthauptete«

    Auch Tröstliches kommt ans Licht der Sonnen.
    Romantisch verloren, menschlich gewonnen.

    Geschichten von »Enthaupteten«, wie wir sie vorste-
    hend in dem Falkenrehder Kapitel erzählt, am liebs-
    ten aber von » heimlich Enthaupteten«, haben hierzuland immer eine Rolle gespielt und sich neben den
    »Weißen Frauen« und »vergifteten Apfelsinen« in
    unsren Volkssagen erhalten.
    Unter diesen » heimlich Enthaupteten« stehen, noch über den General von Weiler hinaus, Graf Adam
    Schwarzenberg (gestorben 1640) und General von
    Einsiedel (gestorben 1745) obenan.
    Erst neuere Forschungen haben festgestellt, daß bei-
    de Geschichten, wie die Weilersche, bloße Erfindun-

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    gen sind und jedes eigentlichen Anhalts entbehren.
    Verdachtgründe lagen vor, und die Gesamtsituation
    ließ dergleichen als möglich erscheinen.
    Dies genügte. Wir beginnen mit dem Graf-
    Schwarzenberg-Fall und zeigen zuerst, wie das Ge-
    rücht entstand, dann, wie es widerlegt wurde.

    1. Graf Adam Schwarzenberg
    1755 kam Prinz August Wilhelm von Preußen, ältes-
    ter Bruder Friedrichs des Großen, mit seiner Schwes-
    ter, der Prinzessin Amalie, nach Spandau. Bei dieser
    Gelegenheit besahen sich die beiden königlichen Ge-
    schwister auch das Innere der Nikolaikirche. Bei der
    Begräbnistafel des Grafen Schwarzenberg blieb der
    Prinz erstaunt stehen, indem er zu seiner Umgebung
    äußerte: »Wie? Ist der Graf nach dem Tode George
    Wilhelms nicht nach Wien gegangen und dort ver-
    storben? Diese Tafel ist wohl nur zum Schein hier
    angebracht?« Aller Gegenversicherungen ungeachtet
    blieb der Prinz auf seiner Meinung bestehen, und um
    sich vollständig von dem Sachverhalt zu überzeugen,
    befahl er, das Grab zu öffnen. Nachdem dies gesche-
    hen, erhielt der Page von Dequede von dem Prinzen
    die Weisung, hinabzusteigen und zu sehen, ob sich
    wirklich ein Leichnam im Gewölbe befinde. Der be-
    herzte Page kam nach einiger Zeit mit dem halb
    vermoderten Kopfe eines Menschen wieder zum Vor-

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    schein. Der Prinz besah den Kopf genau und rief
    dann unwillig: »Ja, das ist er. Man werfe ihn

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