Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Ihr Gemahl kam jetzt,
um an ihrem Grabe zu beten und das einzige Kind,
das sie ihm zurückgelassen, auf seinen Knien zu
schaukeln.
»Wo habt Ihr den Junker?«
»Er spielt im Garten; des Pastors Kinder sind mit
ihm.«
»Da laßt uns sehen, ob er den Papa wiedererkennt.«
Der Kürassieroberst schritt durch die ganze Reihe
der Zimmer hin, bog dann links in den Gartensalon
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ein und trat ins Freie. Auf einem Rasenplatze spielte
ein halbes Dutzend Kinder. In der Mitte war das Gras
ausgerodet und aus dem gelben Sande des Unter-
grundes eine Burg aufgeführt, mit Kastell und Gra-
ben. Inmitten alt der Herrlichkeit stand ein kleiner
stubsnasiger Blondkopf, nicht hübsch, aber mit klu-
gen Augen.
»Hans Hermann, Junge, kennst du mich noch?«
Der Junge sah verwundert auf. Endlich schien es in
ihm zu dämmern, und er ging ruhig auf den Vater
zu.
Dieser hob ihn in die Höh, küßte und streichelte ihn
und sagte dann: »Hans Hermann, wir müssen gute
Freunde sein, du mußt mir allerhand erzählen.
Komm, ich habe dir auch eine Kanone mitgebracht.«
Damit gingen sie in die Halle des Hauses zurück, wo
der Diener inzwischen ein Kaminfeuer angezündet
hatte. Eine Magd trug ein Frühstück auf, während
der Vater seinen Blondkopf auf den Knien schaukelte
und mit Heiterkeit die Fragen beantwortete, die das
Kind unbefangen stellte.
Der Oberst nahm einen Imbiß, ließ den Jungen an
dem Sherry nippen, den er in seiner Satteltasche
mitgebracht hatte, und sagte dann: »Hans Hermann,
nun wollen wir in die Kirche gehen.«
»Ich mag nicht.«
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»Wir wollen uns den Stein ansehen, unter dem die
liebe Mama schläft.«
»Ich mag nicht.«
Der Papa nahm aber den Jungen bei der Hand, der
sich nun willig führen ließ, und so schritten sie auf
die Kirche zu, an deren altem Seitenportal der Küster
bereits mit seinem Schlüsselbunde stand und warte-
te. Er war ein Mann von fünfzig.
»Guten Tag, Jerse, wie geht's?«
»Et jeiht jo, gnädige Herr, man en beten to oll .«
» Man kann nicht immer jung bleiben. Wenn man nur mit Ehren alt geworden ist. Was machen die Kinder?«
»Et jeiht jo, gnädige Herr, man en beten to veel .«
» Ja, Jerse, das ist Eure Schuld.«
Jerse schmunzelte. Der Oberst streichelte dem Jun-
gen das lockige Haar und fuhr dann fort:
»Ich hoffe, daß alles in Ordnung ist. Wann kam der
Steinsarg?«
»Gistern wiern't fief Wochen, un de Steinhauer wier
glieks mit dabi un hett allens sülvst moakt. Un denn
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hebben wi de gnäd'ge Fru mitsamst den höltern'n
Sarg insett.«
»Das ist recht, Jerse. Und nun schließt auf. Ich will
erst sehen, wie es in der Kirche aussieht.«
Sie traten in das Mittelschiff. Nicht weit von der Kan-
zel war ein Reliefbild in die Wand eingelassen, ein
Reiter in der Tracht des Dreißigjährigen Krieges. Der
Oberst blieb stehen. Es war das Bildnis seines Va-
ters. Daneben war ein zweiter Stein, eine seltsame
Rokokoarbeit. Minerva, mit drei Marabouts auf dem
Haupte, sah einen vierzehnjährigen Knaben auf sich
zuschreiten, der ihr, huldigend, einen Apfel über-
reichte. Alles bunt bemalt. Die bunte Farbe reizte die
Neugier des Kindes.
»Was ist das?«
»Das ist eine Göttin. Weißt du, was eine Göttin ist?«
»Nein. Ich will nur wissen, wer der Junge mit dem
Apfel ist.«
»Das ist dein Oheim. Er war sehr fleißig und ist ganz jung gestorben.«
»Ich will nicht fleißig sein.«
»Nun hört, Jerse, wie der Junge aus aller Art ist.«
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»Dat wahrd en richtigen Junker, gnäd'ge Herr. Wat
brukt so 'n lütt' Junker veel to liernen! Et givt all so veel davun.«
»Nun, Jerse, wollen wir in die neue Gruft.«
Damit traten alle drei durch die kleine Seitentür wie-
der auf den Kirchhof hinaus und schritten auf einen
Neubau zu, der augenscheinlich erst vor Jahresfrist
an die Ostseite der Kirche angebaut worden war,
eine sehr einfache Architektur mit zwei Gitterpforten
und einer Klapptür in Front. Das Äußere war öde, das
Innere noch mehr. In dem frisch geweißten Raume
stand ein einziger Steinsarg, ein Marmorsarkophag,
kunstvoll und reich gearbeitet, dessen prächtige
Schönheit in diesem schmucklosen Raume einen
seltsamen Eindruck machte.
Der Oberst nahm seinen Knaben an die Hand und
trat an den Sarg heran. Er blickte lange auf densel-
ben. Dann beugte er sich zu dem Kinde nieder und
küßte es auf die Stirn.
Das Kind sah sich ängstlich um, drängte sich an den
Vater und sagte: »Komm, ich mag hier nicht
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