Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Kirche in den Kreis jener neuen
    schönen Gotteshäuser ein, mit denen der kirchliche
    und zugleich der feine landschaftliche Sinn des ver-
    storbenen Königs Potsdam und die Havelufer um-
    stellte. Wir nennen nur: Bornstedt, Sacrow, Caputh,
    Werder, Glindow. Ihre Zahl ist um vieles größer.
    Der Gottesdienst, die Gemeinde, vor allem die Sze-
    nerie gewannen durch diese Neubauten; aber die
    Lokalgeschichte erlitt erhebliche Einbuße, weil alles
    Historische, was sich in den alten Kirchen vorfand,
    meist als Gerümpel beseitigt und fast nie in den
    Neubau mit hinübergenommen wurde.
    Unter allen Künstlern – diese Bemerkung mag hier
    gestattet sein – sind die Architekten die pietätslo-
    sesten, zum Teil, weil sie nicht anders können. Ma-

    2191
    ler, Skulptoren treffen mit ihrem Vorgänger meist
    wie auf breiter Straße zusammen; sie haben Raum
    neben einander; die Lebenden und die Toten, sie können sich dulden, wenn sie wollen. Nicht so der
    Baumeister. In den meisten Fällen soll das neue
    Haus, die neue Kirche an der Stelle der alten stehen.
    Er hat keine Wahl. Und es sei. Wir rechten zudem
    mit keiner Zeit darüber, daß sie sich für die klügste
    und beste hält. Aber darin geht die jedesmalig mo-
    dernste (die unsrige kennt wenigstens Ausnahmen ) zu weit, daß sie auch das zerstört, was unbeschadet des eignen Lebens weiterleben könnte, daß sie sozusagen unschuldigen Existenzen, von denen sie per-
    sönlich nichts zu befahren hätte, ein Ende macht.
    Der moderne Basilika-Erbauer mag ein gotisches
    Gewölbe niederreißen, das nun mal schlechterdings
    in die gestellte Aufgabe nicht paßt; aber das halb-
    verblaßte Freskobild, die Inschrifttafel, der Grabstein mit der Plattenrüstung – ihnen hätte er auch in dem Neubau ein Plätzchen gönnen können. Er versagt
    dies Plätzchen ohne Not, er versagt es, und daran
    knüpfen wir unsern Vorwurf. Die historische Pietät ist
    fast noch seltener als die künstlerische. So entstehen
    denn entzauberte Kirchen, die helle Fenster und gute
    Plätze haben, die aber den Sinn kalt lassen, weil mit
    der Vergangenheit gebrochen wurde. Ein »gefälliger
    Punkt in der Landschaft« ist gewonnen, eine vielver-
    sprechende Schale, aber, in den meisten Fällen, eine
    Schale ohne Kern.
    Zu diesen in historischer Beziehung »tauben Nüs-
    sen« gehört auch die Petzower Kirche. Aber so leer
    und kahl sie ist und so verstimmend diese Kahlheit

    2192
    wirkt, so gewiß ist es doch auch, daß man im Hi-
    naustreten auf das Flachdach des Turmes diese Ver-
    stimmung plötzlich und wie auf Zauberschlag von
    sich abfallen fühlt. Sie geht unter in dem Panorama,
    das sich hier bietet. Die »Grelle«, eine tiefe Fluß-
    bucht, liegt uns zu Füßen; unmittelbar neben ihr der
    Glindower See. Die Havel und der Schwielow, durch
    Landzungen und Verschiebungen in zahlreiche blaue
    Flächen zerschnitten, tauchen in Nähe und Ferne auf
    und dehnen sich bis an den Horizont, wo sie mit dem
    Blau des Himmels zusammenfließen. Dazwischen
    Kirchen, Dörfer, Brücken – alles, nach zwei Seiten
    hin, umrahmt von den Höhenzügen des Havellandes
    und der Zauche. Das Ganze ein Landschaftsbild im
    großen Stil; nicht von relativer Schönheit, sondern
    absolut. Man darf hier getrost hinaustreten, ohne
    sich des Vergleichssinnes zu entschlagen.
    Eine Viertelstunde später, und wir schritten dorfan,
    um der »Grelle« und ihren Anwohnern einen Besuch
    zu machen. Der Weg dahin führt durch eine Akazien-
    allee und demnächst an einer ganzen Plantage von
    Akazien vorbei. Schon vorher war mir der besondere
    Reichtum des Dorfes an dieser Baumart aufgefallen.
    Man begegnet der Akazie überhaupt häufig in den
    Havelgegenden, aber vielleicht nirgends häufiger als
    hier. Es ist ein dankbarer Baum, mit jedem Boden
    zufrieden, und in seiner arabischen Heimat nicht
    verwöhnt, scheint er sich auf märkischem Sande mit
    einer Art Vorliebe eingelebt zu haben. Alle Akazien in
    Spree- und Havelland rühren mittelbar von Sanssou-
    ci her, wo der Ur-Akazienbaum, der Stammvater
    vieler tausend Enkel und Urenkel, an der Bornstedter

    2193
    Straße, gegenüber dem Triumphbogen, steht. Die
    Akazie, ursprünglich als Zier- und Parkbaum gehegt,
    hat übrigens längst aufgehört, eine exzeptionelle
    Stelle einzunehmen; sie ist, wie das ihrer anspruchs-
    losen Natur entspricht, Nutzholz geworden und bildet
    einen nicht unerheblichen Handelsartikel dieser Ge-
    genden. Ich erfuhr darüber folgendes:
    Zu bestimmten Zeiten kommen

Weitere Kostenlose Bücher