Wanderungen durch die Mark Brandenburg
großen
Schlösser zu Köpenick und Oranienburg, beides
Schöpfungen des eben verstorbenen Fürsten, wurden
vom Etat gestrichen; was verkaufbar war, wurde
verkauft – konnte man sich wundern, daß, bei so
veränderten Verhältnissen, das wenigstens seiner
Größe und äußeren Erscheinung nach ungleich be-
scheidenere Caputh mit auf die Liste der Proskribier-
ten gesetzt wurde! Es sank zu einem bloßen Jagd-
hause herab, an dem alsbald der mit holländischen
Fliesen ausgelegte Souterrainsaal, weil sich's drin
wie in einem Weinkeller pokulieren ließ, das Beste
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war. Von seinem alten Bestande über der Erde blie-
ben dem Schlosse nur der Kastellan und die Bilder,
wahrscheinlich weil mit beiden nichts anzufangen
war. Der Kastellan war ein alter Türke, das rettete
ihn; die Deckengemälde aber – in den Schlössern
waren ihrer ohnehin mehr denn zuviel, und wenn die
Schlösser sie nicht aufnehmen konnten, wer damals in brandenburgischen Landen hätte sein Geld an die
sinnbildliche Verherrlichung der Künste, an Minerva
und Caliban, an Borussia und die Mohrenkönigin ge-
setzt! Auch heute noch sind ihrer nicht viele.
Soviel über die historischen vierzig Jahre. Wir schi-
cken uns jetzt an, in das Schloß selbst einzutreten.
Die doppelarmige Freitreppe, wir erwähnten ihrer
bereits (schon Sophie Charlotte schritt über diese
Stufen hin), ist von Efeusenkern des Hauses derart
umrankt und eingesponnen, daß jeden Tragstein ein
zierlich-phantastischer Rahmen von hellgrünen Blät-
tern schmückt. Die Wirkung dieses Bildes ist sehr
eigentümlich. Eine Treppe in Arabeskenschmuck!
Natur nahm der Kunst den Griffel aus der Hand und
übertraf sie.
Die Tür des Gartensalons öffnet sich. Freundliche
Worte begrüßen uns; wir sind willkommen.
Von einem kleinen zeltartigen Raume aus, der un-
mittelbar hinter der Freitreppe liegt, treten wir nun-
mehr unseren Rundgang an. Die Zimmer führen
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noch zum Teil die Bezeichnungen aus der kurfürstli-
chen Zeit her: Vorgemach, Schlafzimmer, Cabinet
des Kurfürsten , auf dem andern Flügel ebenso der Kurfürstin ; dazu Saal, Porzellankammer, Teezimmer.
Die meisten Räume quadratisch und groß. Alle haben
sie jene Patina, die alten Schlössern so wohl kleidet
und angesichts welcher es gleichgültig ist, ob Raum
und Inhalt sich in Epoche und Jahreszahlen einander
decken. Nicht wie alt die Dinge sind, sondern ob alt überhaupt, das ist es, was die Entscheidung gibt. So auch hier. Die verblaßten oder auch verdunkelten
Tapeten, die Gerätschaften und Nippsachen – es sind
nicht Erinnerungsstücke genau aus jener Zeit ca-
puthischen Glanzes, aber sie haben doch auch ihr Alter, und wir nehmen sie hin wie etwa einen gotischen Pfeiler an einem romanischen Bau. Beide ha-
ben ihr Alter überhaupt, das genügt; und unsere
Empfindung übersieht es gern, daß zwei Jahrhunder-
te zwischen dem einen und dem anderen liegen.
Die Tapeten, das Mobiliar, die hundert kleinen Ge-
genstände häuslicher Einrichtung, sie sind weder aus
den Tagen der strengen noch aus den Tagen der hei-
tern Kurfürstin, die damals hier einander ablösten;
die Hand der Zerstörung hat mitleidlos aufgeräumt
an dieser Stelle. Aber wohin die Hand der Zerstörung
buchstäblich nicht reichen konnte – die hohen Deckengemälde, sie sind geblieben und sprechen zu
uns von jener Morgenzeit brandenburgischer Macht
und brandenburgischer Kunst. Die großen Staatsbil-
der haben wir bereits in dem kurzen historischen
Abriß, den wir gaben, beschrieben, aber viel reizvol-
ler sind die kleinen. Ich schwelgte im Anblick dieser
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wonnigen Nichtigkeiten. Kaum ein Inhalt und gewiß
keine Idee, und doch, bei so wenigem, so viel ! Ein bequemes Symbolisieren nach der Tradition; in gewissem Sinne fabrikmäßig; alles aus der Werkstatt,
in der die Dinge einfach gemacht wurden ohne be-
sondere Anstrengung. Aber wie gemacht! welche
Technik, welche Sicherheit und Grazie. Wie wohltu-
end das Ganze, wie erheiternd. Jetzt setzen die
Künstler ihre Kraft an eine Idee und bleiben dann, neun Mal von zehn, hinter dieser und oft auch hinter sich selbst zurück. Wie anders damals. Die Maler
konnten malen und gingen ans Werk. Kam ihnen
nichts, nun, so war es immer noch eine hübsche Ta-
pete; erwies sich aber die Stunde günstig, so war es
wie ein Geschenk der Götter.
So Großes fehlt hier; aber auch das Kleine genügt.
Genien und wieder Genien, blonde und braune,
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