Wanderungen durch die Mark Brandenburg
einem Schinkelschen Plane ausgeführt. Es zeigt
eine Mischung von italienischem Kastell- und engli-
schem Tudorstil, denen beiden die gotische Grundla-
ge gemeinsam ist. Der Bau, wie er sich unter Efeu
und Linden darstellt, wirkt pittoresk genug, ohne daß
er im übrigen besonders zu loben wäre. Es ist be-
merkenswert, daß alles Gotische oder aus der Gotik
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Hergeleitete auf unserm märkischen Boden seit Wie-
derbelebung dieses Stils (einer Epoche, die kaum
zwei Menschenalter zurückliegt) nicht gelingen woll-
te. Im Beginn dieses Jahrhunderts hatten wir uns zu
entscheiden, nach welcher Seite hin die Entwickelung
gehen sollte; irgend eine »Renaissance« war dem herrschenden Ungeschmack gegenüber geboten, es
konnte sich nur darum handeln, ob das Vorbild bei
der Antike oder beim Mittelalter zu suchen sei.
Schinkel selbst – was jetzt so oft vergessen wird –
schwankte; der einzuschlagende Weg war ihm kei-
neswegs von Anfang an klar. Auch er hatte eine Epo-
che, wo das Malerische des Gewölbebaues, wo Stre-
bepfeiler und Spitzbogenfenster ihn reizten. Hätte er
sich damals, wie das bei den rheinischen Baumeis-
tern der Fall war, für Gotik entschieden, so würde die bauliche Physiognomie unserer alten Provinzen, Berlins ganz zu geschweigen, überhaupt eine andere
geworden sein. Wir würden die Gotik, nach einzelnen
gescheiterten Versuchen, aufs neue gelernt haben,
wie die Rheinländer und Engländer sie wieder lern-
ten, und beim Kirchenbau (zu dem es uns an Gelegenheit nicht gefehlt haben würde) uns wieder ver-
traut machend mit der alten Technik, den zerrisse-
nen Faden der Tradition wieder auffindend, würden
wir alsbald auch verstanden haben, unsern Privat bau danach zu modeln und unsere Schlösser und Landhäuser im Kastell- oder Tudorstile aufzuführen. Dies
wurde versäumt, weil – so wollen wir, halb aus Cour-
toisie, halb aus Überzeugung annehmen – ein Besse-
res an die Stelle trat. Wie die Dinge liegen, wird zwar auch jetzt noch gelegentlich der Versuch gemacht,
es mit der Gotik und ihren Dependenzien zu wagen;
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aber diese Versuche scheitern jedesmal, wenigstens
für das Auge dessen, der die Originale oder auch nur
das kennt, was mit immer wachsendem Verständnis unsere westdeutschen Neugotiker danach bildeten.
Auch das Herrenhaus zu Petzow ist ein solcher ge-
scheiterter Versuch. Was daran anmutend wirkt, ist,
wie schon angedeutet, das malerische Element, nicht seine Architektur. Diese, soweit man überhaupt von
einer Architektur sprechen kann, datiert aus dem
Anfang der zwanziger Jahre, ist also kaum fünfzig
Jahre alt. Dies gilt auch besonders von den angebau-
ten Flügeln. Und doch, als wir diese näher besichtig-
ten, nahmen wir an den Fenstern des Erdgeschosses
kunstvoll geschmiedete Eisengitter wahr, die sich
unschwer auf die Mitte des vorigen Jahrhunderts
zurückführen ließen. Dies verwirrte uns. Das Rätsel
sollte sich indes in Kürze lösen. Diese Gitterfenster
wurden nämlich in Potsdam bei einem Häuserab-
bruch erstanden und hierher verpflanzt . Hier prangen nun die hundertfünfzigjährigen an einer erst
fünfzigjährigen Front. Wir erzählen das lediglich zu
dem Behuf, um zu zeigen, wie man durch Beurtei-
lung von Einzeldingen, von denen man dann Schlüs-
se aufs Ganze zieht, erheblich irregeleitet werden
kann. Nichts war verzeihlicher hier als ein Rechen-
fehler von hundert Jahren.
Der Park ist eine Schöpfung Lennés. An einem Hü-
gelabhang gelegen wie Sanssouci, hat er mit diesem
den Terrassencharakter gemein. In großen Stufen
geht es abwärts. Wenn aber Sanssouci bei all seiner
Schönheit einfach eine große Wald terrasse mit Gar-2190
ten und Wiesengründen bietet, so erblickt man von
dem Hügelrücken des Petzower Parkes aus eine im-
posante Wasser terrasse, und unser Auge, zunächst ausruhend auf dem in Mittel höhe gelegenen, erlen-umstandenen Parksee, steigt nunmehr erst auf die
unterste Treppenstufe nieder – auf die breite Was-
serfläche des Schwielow.
Der Park umschloß früher auch die Kirche des Dorfes. Alt, baufällig, unschön, wie sie war, gab man sie
auf, und auf einem weiter zurück gelegenen Hügel
wurde 1841 eine neue Kirche aufgeführt. König
Friedrich Wilhelm IV., das Patronat ist bei der Lan-
desherrschaft, ordnete an, daß der Neubau im roma-
nischen Stile erfolgen solle. Stüler entwarf die Zeich-
nungen; die Ausführung folgte rasch. So reihte sich
denn die Petzower
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