Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Tagen, und namentlich
    seitdem ein Bomgarden- Brück daraus geworden,
    immer ein Punkt von Bedeutung war, ein Punkt, des-
    sen Wichtigkeit gleichen Schritt hielt mit dem indus-
    triellen Aufblühen der Schwielow- und Havel-Ufer.
    Die Einnahmen verzehnfachten sich, und wenn frü-
    her hier ein einfacher, altmodischer Zoll gezahlt wor-
    den war, um die Landreisenden trocken von einem
    Ufer zum andern zu bringen, so kamen nun die viel
    einträglicheren Tage, wo, neben dem Brückenzoll für
    Pferd und Wagen, vor allem auch ein Brücken-
    Aufzugzoll für alle durchpassierenden Schiffe gezahlt werden mußte. Der Kulturstaat etablierte hier eine
    seiner Doppelpressen; zu Land oder zu Wasser –
    gezahlt mußte werden, und Baumgartenbrück wurde
    für Brückengeld-Einnehmer allmählich das, was die
    Charlottenburger Chausseehäuser für Chausseegeld-
    Einnehmer waren. Und so ist es noch.
    Aber die lachenden Tage von Baumgartenbrück bra-
    chen doch erst an, als, vor etwa vierzig Jahren, aus

    2197
    dem hier stehenden Brückenwärterhaus ein Gast-
    haus wurde, ein Vergnügungsort für die Potsdamer schöne Welt, die mehr und mehr anfing, ihren Brauhausberg und ihren Pfingstberg den Berlinern abzu-
    treten und sich eine stille Stelle für sich selber zu
    suchen. Sie verfuhren dabei kurz und sinnig wie die
    Schweizer, die ihre Allerwelts-Schönheitspunkte: den
    Genfer und den Vierwaldstätter See, den Fremden
    überlassen, um an irgendeiner abgelegenen Stelle
    der Glarner Alpen »ihre Schweiz für sich« zu haben.
    Die Potsdamer wählten zu diesem Behufe Baumgar-
    tenbrück.
    Und es war eine vorzügliche Wahl! Es vereinigt sich
    hier alles, was einem Besuchsorte zu Zierde und
    Empfehlung gereichen kann: Stille und Leben, Abge-
    schlossenheit und Weitblick, ein landschaftliches Bild
    ersten Ranges und eine vorzügliche Verpflegung.
    Hier unter den Laubgängen zu sitzen, nach einem
    tüchtigen Marsch oder einer Fahrt über den See, ist
    ein Genuß, der alle Sinne gefangennimmt; nur muß
    man freilich die Eigenart des Platzes kennen und bei-
    spielsweise wissen, daß hier nur eines getrunken werden darf: eine Werdersche.
    Mit der Werderschen, und wir treten damit in eine
    bukolische Betrachtung ein, ist es nämlich ein eigen
    Ding. Sie ist entweder zu jung oder zu alt, entweder
    so phlegmatisch, daß sie sich nicht rührt, oder so
    hitzig, daß sie an die Decke fährt; in Baumgar-
    tenbrück aber steht sie im glücklichen Mittelpunkt
    ihres Lebens; gereift und durchgeistigt, ist sie gleich weit entfernt von schaler Jugend wie von über-2198
    schäumendem Alter. Die Werdersche hier hat einen
    festen, drei Finger breiten Schaum; feinfarbig, leicht
    gebräunt, liegt er auf der dunkeln und doch klaren
    Flut. Der erste Brauer von Werder ist Stammgast in
    Baumgartenbrück; er trinkt die Werdersche, die er
    selber ins Leben rief, am besten an dieser Stelle. Er
    ist wie ein Vater, der seinen früh aus dem Hause
    gegebenen Sohn am Tisch eines Pädagogen wohler-
    zogen wiederfindet.
    Baumgartenbrück, trotz des Verkehrs, der an ihm
    vorübergleitet, ist ganz ausgesprochen ein stiller,
    lauschiger Platz; vor allem kein Platz prätentiöser
    Konzerte. Kein Podium mit Spitzbogenfaçade und
    japanischem Dach stellt sich hier, wie eine beständi-
    ge Drohung, in die Mitte der Versammlung hinein,
    und keine Riesenplakate erzählen dem arglos Einge-
    tretenen, daß er gezwungen sei, zu Nutz und From-
    men eines Abgebrannten oder Überschwemmten
    zwei Stunden lang sich ruhig zu verhalten. Diese
    Ungemütlichkeiten haben keine Stätte unter den
    Bäumen von Baumgartenbrück.
    Hier ist nur der böhmische Musikant zu Hause, der
    des Weges zieht und mit dem Notenblatt sammelt.
    Ehen treten wieder ihrer sieben ein, stellen sich
    schüchtern seitwärts, und wohl wissend, wie gefähr-
    lich jedes Zaudern für sie ist, beginnen sie sofort.
    »Il Bacio« eröffnet den Reigen. Wohl ist es hart. Die
    Posaune, mit beinah künstlerischem Festhalten eines
    Tones, erinnert an das Nachtwächterhorn alter Tage;
    die Trompete kreischt, der Triangel bimmelt erbärm-
    lich. Wie immer auch, seid mir gegrüßt!

    2199
    Wenn ich dieser alten Gestalten mit den schadhaften
    Bärten und den verbogenen Käppis ansichtig werde,
    lacht mir immer das Herz. Nicht aus Sentimentalität,
    nicht weil sie mich an Jugendtage erinnern, sondern
    weil sie so bequem, so harmlos sind, während der
    moderne Künstler, nach eigner Neigung und vor al-
    lem auch durch die feierliche

Weitere Kostenlose Bücher