Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ge-
flügelte und ungeflügelte, umschweben und um-
schwirren uns, und die Guirlanden, die sich zwischen
den Fingerspitzen der lachenden Amoretten hinzie-
hen, sie haben eine Pracht und Wahrheit der Farbe,
daß es ist, als fielen noch jetzt die Rosen in vollen
roten Flocken auf uns nieder. Im Teezimmer bringt
eine dieser geflügelten Kleinen ein Tablett mit blau-
gerändertem Teezeug – selbst Boßdorf, als er sein
Riesentablett der Lautenschlägerin präsentierte, hät-
te von diesem Liebling der Grazien lernen können.
Diese Zeit sinnlich blühender Renaissance, sie ist
dahin. Was wir jetzt haben, mit allen unsren Prätensionen, wird nach zweihundert Jahren schwerlich
gleiche Freude und Zustimmung wecken.
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Es war Mittag, als wir wieder auf die Freitreppe hi-
naustraten. Der Himmel hatte sich bezogen und ges-
tattete jetzt einen unbehinderten Blick auf das weite
Wasserpanorama.
Die holländische Yacht, mit drei Königen und einem
ganzen Silbertresor an Bord, steuerte nicht mehr
havelabwärts; aber statt ihrer schwamm eine ganze
Flottille von Havelkähnen heran, und am Horizonte
stand in scharfen Linien steifgrenadierhaft die Garni-
sonkirche von Potsdam: das Symbol des Jüngstgebo-
renen im alten Europa, des Militärstaats Preußen .
Petzow
Auf der Fortuna ihrem Schiff
Ist er zu segeln im Begriff;
Will einer in der Welt was erjagen,
Mag er sich rühren und mag sich plagen.
Schiller
Wie Buda-Pest oder wie Köln und Deutz ein Doppel-
gestirn bilden, so auch Caputh und Petzow. Sie ge-
hören zusammen. Zwar ist die Wasserfläche, die die
beiden letzteren voneinander trennt, um ein Erhebli-
ches breiter als Rhein und Donau zusammengenom-
men, aber nichtsdestoweniger bilden auch diese bei-
den »Residenzen diesseit und jenseit des Schwielow«
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eine höhere Einheit. Eine Einheit, so verschieden sie
untereinander sind. Sie ergänzen sich. Caputh ist
ganz Handel, Petzow ist ganz Industrie. Dort eine
Wasserstraße, eine Werft, ein Hafenverkehr; hier die
Tag und Nacht dampfende Esse, das nie erlöschende
Feuer des Ziegelofens. Schönheit der Lage ist beiden
gemeinsam; doch ist Petzow hierin weit überlegen,
sowohl seiner eigenen unmittelbaren Erscheinung als
dem landschaftlichen Rundblick nach, den es gestat-
tet.
Die etwas unregelmäßig über einen Hügelrücken sich
hinziehende Dorfstraße folgt im wesentlichen dem
Schwielow-Ufer; zwischen Dorf und See aber ist ein
ziemlich breites, schräg abfallendes Stück Land
verblieben, in das Schloß und Park sich teilen.
Beide sind Schöpfungen dieses Jahrhunderts; Vater
und Großvater des gegenwärtigen Besitzers, des
Amtsrats von Kaehne, riefen sie ins Leben. Die ge-
nannte Familie sitzt nachweisbar seit 1630 an dieser
Stelle; vielleicht viel länger. Die Kaehnes waren da-
mals schlichte Bauern. In genanntem Jahre, also
während des Dreißigjährigen Krieges, erwarben sie
das Lehnschulzengut und hielten es nicht nur fest,
sondern wußten auch ihren Besitz derart zu erwei-
tern, daß im Jahre 1740 der damalige Träger des
Namens in den Adelstand und fünf Jahre spä-
ter (1745) der Gesamtbesitz zu einem kreistagsfähi-
gen Rittergute erhoben wurde.
Ein Beispiel derartigen Aufdienens »von der Pike«,
wie es die Familie Kaehne gibt, ist sehr selten; viel
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seltener, als man glaubt. Ein Blick auf die Geschichte
der Rittergüter belehrt uns darüber. Was in den alt-
adeligen Grundbesitz als Neuelement einrückt oder
gar durch Zusammenlegung von Bauergütern (und
selbstverständlich unter schließlicher Ernennung sei-
tens des Landesherrn) neue Rittergüter kreiert, das
sind entweder selbst wieder prosperierende, ihren
Besitz erweiternde Adelige, die für jüngere Söhne
einen ebenbürtigen Neubesitz stiften, oder aber –
und das ist das Häufigere – es sind Geldleute , Städter , Repräsentanten einer modernen Zeit, die den Handels- und Industriegeist in die Landwirtschaft
hineintragen. Der Bauer folgt selten dem Beispiel; er ist stabil, er bleibt, was er ist. Wenn er nichtsdestoweniger zu spekulieren beginnt so tut er's auf seine
Weise. Es reizt ihn dann weit mehr das Geld als das Wachsen der Ackerfläche. Er erweitert sich nicht innerhalb seiner eigenen Sphäre; er wird eben einfach
ein anderer.
Die Familie Kaehne bezeichnet einen Ausnahmefall.
Schloß und Park, so sagten wir, sind Schöpfungen
dieses Jahrhunderts.
Das Schloß , in seiner gegenwärtigen Gestalt wurde nach
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