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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ge-
    flügelte und ungeflügelte, umschweben und um-
    schwirren uns, und die Guirlanden, die sich zwischen
    den Fingerspitzen der lachenden Amoretten hinzie-
    hen, sie haben eine Pracht und Wahrheit der Farbe,
    daß es ist, als fielen noch jetzt die Rosen in vollen
    roten Flocken auf uns nieder. Im Teezimmer bringt
    eine dieser geflügelten Kleinen ein Tablett mit blau-
    gerändertem Teezeug – selbst Boßdorf, als er sein
    Riesentablett der Lautenschlägerin präsentierte, hät-
    te von diesem Liebling der Grazien lernen können.
    Diese Zeit sinnlich blühender Renaissance, sie ist
    dahin. Was wir jetzt haben, mit allen unsren Prätensionen, wird nach zweihundert Jahren schwerlich
    gleiche Freude und Zustimmung wecken.

    2185
    Es war Mittag, als wir wieder auf die Freitreppe hi-
    naustraten. Der Himmel hatte sich bezogen und ges-
    tattete jetzt einen unbehinderten Blick auf das weite
    Wasserpanorama.
    Die holländische Yacht, mit drei Königen und einem
    ganzen Silbertresor an Bord, steuerte nicht mehr
    havelabwärts; aber statt ihrer schwamm eine ganze
    Flottille von Havelkähnen heran, und am Horizonte
    stand in scharfen Linien steifgrenadierhaft die Garni-
    sonkirche von Potsdam: das Symbol des Jüngstgebo-
    renen im alten Europa, des Militärstaats Preußen .

    Petzow

    Auf der Fortuna ihrem Schiff
    Ist er zu segeln im Begriff;
    Will einer in der Welt was erjagen,
    Mag er sich rühren und mag sich plagen.
    Schiller

    Wie Buda-Pest oder wie Köln und Deutz ein Doppel-
    gestirn bilden, so auch Caputh und Petzow. Sie ge-
    hören zusammen. Zwar ist die Wasserfläche, die die
    beiden letzteren voneinander trennt, um ein Erhebli-
    ches breiter als Rhein und Donau zusammengenom-
    men, aber nichtsdestoweniger bilden auch diese bei-
    den »Residenzen diesseit und jenseit des Schwielow«

    2186
    eine höhere Einheit. Eine Einheit, so verschieden sie
    untereinander sind. Sie ergänzen sich. Caputh ist
    ganz Handel, Petzow ist ganz Industrie. Dort eine
    Wasserstraße, eine Werft, ein Hafenverkehr; hier die
    Tag und Nacht dampfende Esse, das nie erlöschende
    Feuer des Ziegelofens. Schönheit der Lage ist beiden
    gemeinsam; doch ist Petzow hierin weit überlegen,
    sowohl seiner eigenen unmittelbaren Erscheinung als
    dem landschaftlichen Rundblick nach, den es gestat-
    tet.
    Die etwas unregelmäßig über einen Hügelrücken sich
    hinziehende Dorfstraße folgt im wesentlichen dem
    Schwielow-Ufer; zwischen Dorf und See aber ist ein
    ziemlich breites, schräg abfallendes Stück Land
    verblieben, in das Schloß und Park sich teilen.
    Beide sind Schöpfungen dieses Jahrhunderts; Vater
    und Großvater des gegenwärtigen Besitzers, des
    Amtsrats von Kaehne, riefen sie ins Leben. Die ge-
    nannte Familie sitzt nachweisbar seit 1630 an dieser
    Stelle; vielleicht viel länger. Die Kaehnes waren da-
    mals schlichte Bauern. In genanntem Jahre, also
    während des Dreißigjährigen Krieges, erwarben sie
    das Lehnschulzengut und hielten es nicht nur fest,
    sondern wußten auch ihren Besitz derart zu erwei-
    tern, daß im Jahre 1740 der damalige Träger des
    Namens in den Adelstand und fünf Jahre spä-
    ter (1745) der Gesamtbesitz zu einem kreistagsfähi-
    gen Rittergute erhoben wurde.
    Ein Beispiel derartigen Aufdienens »von der Pike«,
    wie es die Familie Kaehne gibt, ist sehr selten; viel

    2187
    seltener, als man glaubt. Ein Blick auf die Geschichte
    der Rittergüter belehrt uns darüber. Was in den alt-
    adeligen Grundbesitz als Neuelement einrückt oder
    gar durch Zusammenlegung von Bauergütern (und
    selbstverständlich unter schließlicher Ernennung sei-
    tens des Landesherrn) neue Rittergüter kreiert, das
    sind entweder selbst wieder prosperierende, ihren
    Besitz erweiternde Adelige, die für jüngere Söhne
    einen ebenbürtigen Neubesitz stiften, oder aber –
    und das ist das Häufigere – es sind Geldleute , Städter , Repräsentanten einer modernen Zeit, die den Handels- und Industriegeist in die Landwirtschaft
    hineintragen. Der Bauer folgt selten dem Beispiel; er ist stabil, er bleibt, was er ist. Wenn er nichtsdestoweniger zu spekulieren beginnt so tut er's auf seine
    Weise. Es reizt ihn dann weit mehr das Geld als das Wachsen der Ackerfläche. Er erweitert sich nicht innerhalb seiner eigenen Sphäre; er wird eben einfach
    ein anderer.
    Die Familie Kaehne bezeichnet einen Ausnahmefall.
    Schloß und Park, so sagten wir, sind Schöpfungen
    dieses Jahrhunderts.
    Das Schloß , in seiner gegenwärtigen Gestalt wurde nach

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