Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sind Sie eigentlich
her?«
»Ich? Ich bin aus Hinterpommern.«
»Ist es möglich?«
»Ja, was will man machen.«
»Und von wo denn?«
»Von Köslin. Das heißt, ein bißchen ab, so nach 'm
Gollenberg zu.«
»Da sind Sie ja Nachbar von Bismarck.«
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»Nei, der liegt mehr rechts weg, so zwischen Rum-
melsburg und Schlawe. Meine Gegend ist doch noch anders. Und ich sag Ihnen, eine propre Gegend.«
»Ich dacht immer, es wäre da nicht viel los.«
»Ja, das haben mir schon viele gesagt. Aber es is
nicht so. Da is mehr los als hier. Denn was haben Sie
denn hier? Eine Kussel und dann wieder 'ne Kussel.
Und mal 'ne Kräh und, wenn's hoch kommt, 'ne
Bockmühle.«
»Nu gut. Aber was haben Sie denn? Ist es denn besser bei Ihnen?«
»Nu, besser is es schon, denn schlechter is nich
möglich. Und das macht alles der Charakter. Der
Charakter is immer die Hauptsache. Sehen Sie, bei
uns gibt es lauter amtliche Menschen.«
»Und alle zehn Schritt 'nen Edelmann.«
»Ach, lieber Herr, ein Edelmann is gar nich so
schlimm. Ich bin auch für Freiheit; aber was so 'n
richtiger Edelmann is, na, viel tut er woll freilich auch nich, aber er tut doch immer was . Und der Bauer is auch janz anders bei uns.«
»Ich hab immer gefunden, der Bauer ist überall der-
selbe. Der Bauer ist überall hart.«
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»Is schon richtig. Aber doch alles mit 'n Unterschied.
Un warum is er hier so hart, ich meine so schlimm-
hart? Weil er selber nichts hat. Es is ja die reine
Hungerleiderei. Sehen Sie sich doch diesen Weg und
diese Schonung an. Der reine gelbe Sand. Und wo
der reine gelbe Sand is, is auch immer der reine gel-
be Neid. Und gönnt keiner dem andern was. Und von
was geben oder helfen steht nu schon gar nichts
drin.«
»Hören Sie, Moll, ich bin zwar selber ein Märker, a-
ber ich glaube wahrhaftig, Sie haben ein bißchen
recht.«
»I, freilich hab ich recht. Es is alles pauvre hier, und von 's Pauvresein is noch nie nich was Gutes gekommen.«
Unter solchen Gesprächen waren wir bis in Rauen
selbst hineingefahren. Auch dieses, wie der Hügelab-
hang draußen, zeigte den Bergwerkscharakter; alle
Häuser sahen rußig und schmucklos aus, und nur
eine modische Petroleumlampe mit blauem Ständer
und weißer Milchglasglocke war überall als einziges
Zierstück in die Fenster gestellt.
In der Kirche, die für das Fest geputzt und gesäubert
wurde, trafen wir einen Ortsangesessenen, an den
ich mich alsbald mit der Frage wandte: »was die
rauensche Kirche denn wohl habe«.
»Wir haben gar nichts als den alten Grabstein vorm
Altar. Alles, was in Schnörkelbuchstaben da-
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raufstand, ist weggetreten; aber die Rauener sagen,
es wär ein Bischof gewesen. Und ich denke mir, es
wird wohl ein Bischof gewesen sein.«
»Ein Bischof? Hören Sie...«
»Ja, warum soll es kein Bischof gewesen sein? Es
waren ihrer ja so viele. Welche liegen in Fürstenwal-
de, welche liegen in Beeskow, und warum soll nicht
wenigstens einer in Rauen liegen? Er kann ja 'ne
Vorliebe für Rauen gehabt haben.«
»Glauben Sie?«
Diese letzten Worte waren schon vor dem vorer-
wähnten Altar gesprochen worden, und wir schoben
jetzt eine längliche Strohdecke fort, unter der der
angebliche Bischofsstein gelegen war. Er war wirklich
ganz abgetreten, bis auf eine einzige, den Schriftzü-
gen oder Buchstaben nach aus der Wende des fünf-
zehnten und sechzehnten Jahrhunderts herstam-
mende Zeile, die durch einen schmalen, nur etwa
zwei Zoll breiten Vorsprung der Altarstufe geschützt
und gerettet worden war. Diese Zeile lautete:
»v. Wulffen, Tempelb...« Es war also ein Tempelber-
ger Wulffen, der hier begraben lag, und kein Bischof
dieses Namens. Wie denn solcher überhaupt nicht
existiert hat, was sich aus dem vollständigen, uns
von Wohlbrück in seinem Geschichtswerke gegebe-
nen Verzeichnisse der Lebuser Bischöfe mit Sicher-
heit ersehen läßt.
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Aus dem Dorfe Rauen fuhren wir abermals in eine
Schonung ein, zwischen deren Krüppelkiefern eine
Fahrstraße sich ängstlich hin und her schlängelte,
fast als ob jeder einzelne Baum zu schonen gewesen
wäre. Wo so wenig ist, ist auch eine Kiefer etwas.
Endlich aber passierten wir eine halb offne Stelle, die durch mehrere hier sich kreuzende Waldwege gebildet wurde.
»Das ist er«, sagte Moll und hielt sein Fuhrwerk an.
»Wer?«
»Der große Stein.«
»Der Markgrafenstein?«
Er nickte bloß und überließ mich meinem Staunen,
das weniger an den
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