Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Ur-
sprung der ganzen Anlage keine Zweifel aufkommen.
Der Spruch aber lautet:
Wir bauen oftmals feste
Und sind nur fremde Gäste;
Wo wir sollten ewig sein,
Da bauen wir ja wenig ein.
Frau Schenker ist eine freundliche Wirtin und eine
stattliche Großmutter; ob deutsch oder wendisch, sie
hängt am Spreewald und schreibt der Spree, neben
allem sonstigen Guten, auch wirkliche Heil- und
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Wunderkräfte zu, worüber wir uns in einen scherz-
haften Streit mit ihr verwickeln. Inzwischen ist die
Tafel gedeckt worden, und wir blicken auf eine rei-
zende Szenerie. Der Tisch mit dem weißen Linnen
steht unter einer mächtigen und prächtigen Linde,
zwischen uns und dem Fluß aber wölbt sich eine ho-
he Laube von Pfeifenkraut, vor derem Eingange –
wie Puck auf seinem Pilz – Frau Schenkers jüngste
Enkelin auf einem Baumstumpf sitzt und, das la-
chende Gesicht unter dem roten Kopftuch halb ver-
borgen, in Neugier auf die fremden Gäste herüber-
blickt.
Und nun das Mahl selber! Das wäre kein echtes
Spreewaldsmahl, wenn nicht ein Hecht auf dem Ti-
sche stünde.
Die Leber ist von einem Hecht und nicht von einem
Schleie,
Der Fisch will trinken, gebt ihm was, daß er vor Durst
nicht schreie.
Und mit diesem zeitgemäßen Leberreime ging es an
die Entpuppung des Korbes, der bereits während der
Fahrt mehr als einen interessierten Blick auf sich
gezogen hatte. Das erste Glas galt, wie billig, der
Wirtin, andere folgten, bis zuletzt die Mahlzeit und
die lange Reihe der Toaste mit dem Jubelhymnus
abschloß:
Die Leber ist von einem Hecht und nicht von einem
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Störe,
Es lebe Lehrer Klingestein, der Kantor der Kantöre.
4. In Kätner Posts Garten
Es war inzwischen Nachmittag geworden, und wir
schickten uns zur Weiterfahrt an. Noch viel war zu
sehen: die Dörfer Burg und Leipe, und in der Nähe
des ersteren ein Stück Hügelland, darauf das Schloß
des letzten Wendenkönigs gestanden haben soll.
Die Kanäle vor und neben uns wurden immer flacher
und seichter, endlich saßen wir fest. »Es geht nicht«,
murmelte Bootführer Birkig. »Es muß gehn«, erwiderte der Kantor wie Blücher auf dem Marsche nach
Waterloo. Und siehe da, es ging.
Aber nicht auf lange, die Richtung war uns verloren-
gegangen, und wir wären mit unserem »frisch Was-
ser unterm Kiel« um nichts gebessert gewesen,
wenn nicht der Kantor – unser Columbus jetzt – un-
erschütterlich gegen Westen gezeigt und einer bei-
nah meuternden Mannschaft gegenüber auf seinem
Willen bestanden hätte. Zwar war es zunächst ein
allerschlimmster Platz, an den wir gelangten, ein
Wasserkreuzweg, von dem aus Kanälchen und kleine
Flußarme nach den verschiedensten Seiten hin ab-
zweigten, aber dieser Moment äußerster Not und
Verwirrung bezeichnete doch auch zugleich den Mo-
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ment unserer Rettung. Just an der Stelle, wo zwei
Flußarme fast in spitzem Winkel einander berührten,
stand ein Bauern- oder Kätnerhaus, dessen weißge-
tünchtes Fachwerk aus Geißblatt und Fischernetzen
freundlich hervorblickte, während sich uns in Front
des Hauses, in einem halb ans Ufer gezogenen Kahn,
ein streng und doch zugleich auch freundlich ausse-
hender Mann präsentierte, der, von ebendiesem
Kahn aus, dem Treiben seiner im Flusse badenden
und nach allen Seiten hin jubelnd umherplätschern-
den Kinder zusah. Es waren ihrer sieben, das älteste
elf, das jüngste kaum vier Jahr alt, und aus Lachen
und Kinderunschuld wob sich hier ein Bild, das uns
auf Augenblicke glauben machte, wir sähen in eine
feenhafte Welt. Und daß wir diese Welt nicht störten,
das war ihr höchster Zauber. Ungeängstigt und von
keiner Scham überkommen, spielten die Kinder wei-
ter und tauchten unter und prusteten das Wasser in
die Höh wie junge Delphine. Das älteste Mädchen
war eine Schönheit; ihre Augen lachten, und das
lange, aufgelöste Haar schwamm wie Sonnenschein
neben ihr her.
Bootführer Birkig rekolligierte sich zuerst und rief das uns sowohl wie das Bild auf einen Schlag entzau-bernde Wort über das Wasser hin: »ob man uns ei-
nen Kaffee kochen wolle«. Das bereitwilligste »ja«
klang zurück, und einige Minuten später sprangen
wir ans Ufer, hinter dessen Büschen jetzt die Kinder
in allen Stadien der Toilette standen und lagen, ei-
nes, das jüngste, noch platt im Sande. Der im Kahne
stehende Häusler oder Kätner aber, der sich uns bald
danach als Kätner Post vorstellte, war uns um
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