Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Ur-
    sprung der ganzen Anlage keine Zweifel aufkommen.
    Der Spruch aber lautet:
    Wir bauen oftmals feste
    Und sind nur fremde Gäste;
    Wo wir sollten ewig sein,
    Da bauen wir ja wenig ein.
    Frau Schenker ist eine freundliche Wirtin und eine
    stattliche Großmutter; ob deutsch oder wendisch, sie
    hängt am Spreewald und schreibt der Spree, neben
    allem sonstigen Guten, auch wirkliche Heil- und

    2282
    Wunderkräfte zu, worüber wir uns in einen scherz-
    haften Streit mit ihr verwickeln. Inzwischen ist die
    Tafel gedeckt worden, und wir blicken auf eine rei-
    zende Szenerie. Der Tisch mit dem weißen Linnen
    steht unter einer mächtigen und prächtigen Linde,
    zwischen uns und dem Fluß aber wölbt sich eine ho-
    he Laube von Pfeifenkraut, vor derem Eingange –
    wie Puck auf seinem Pilz – Frau Schenkers jüngste
    Enkelin auf einem Baumstumpf sitzt und, das la-
    chende Gesicht unter dem roten Kopftuch halb ver-
    borgen, in Neugier auf die fremden Gäste herüber-
    blickt.
    Und nun das Mahl selber! Das wäre kein echtes
    Spreewaldsmahl, wenn nicht ein Hecht auf dem Ti-
    sche stünde.
    Die Leber ist von einem Hecht und nicht von einem
    Schleie,
    Der Fisch will trinken, gebt ihm was, daß er vor Durst
    nicht schreie.
    Und mit diesem zeitgemäßen Leberreime ging es an
    die Entpuppung des Korbes, der bereits während der
    Fahrt mehr als einen interessierten Blick auf sich
    gezogen hatte. Das erste Glas galt, wie billig, der
    Wirtin, andere folgten, bis zuletzt die Mahlzeit und
    die lange Reihe der Toaste mit dem Jubelhymnus
    abschloß:
    Die Leber ist von einem Hecht und nicht von einem

    2283
    Störe,
    Es lebe Lehrer Klingestein, der Kantor der Kantöre.

    4. In Kätner Posts Garten
    Es war inzwischen Nachmittag geworden, und wir
    schickten uns zur Weiterfahrt an. Noch viel war zu
    sehen: die Dörfer Burg und Leipe, und in der Nähe
    des ersteren ein Stück Hügelland, darauf das Schloß
    des letzten Wendenkönigs gestanden haben soll.
    Die Kanäle vor und neben uns wurden immer flacher
    und seichter, endlich saßen wir fest. »Es geht nicht«,
    murmelte Bootführer Birkig. »Es muß gehn«, erwiderte der Kantor wie Blücher auf dem Marsche nach
    Waterloo. Und siehe da, es ging.
    Aber nicht auf lange, die Richtung war uns verloren-
    gegangen, und wir wären mit unserem »frisch Was-
    ser unterm Kiel« um nichts gebessert gewesen,
    wenn nicht der Kantor – unser Columbus jetzt – un-
    erschütterlich gegen Westen gezeigt und einer bei-
    nah meuternden Mannschaft gegenüber auf seinem
    Willen bestanden hätte. Zwar war es zunächst ein
    allerschlimmster Platz, an den wir gelangten, ein
    Wasserkreuzweg, von dem aus Kanälchen und kleine
    Flußarme nach den verschiedensten Seiten hin ab-
    zweigten, aber dieser Moment äußerster Not und
    Verwirrung bezeichnete doch auch zugleich den Mo-

    2284
    ment unserer Rettung. Just an der Stelle, wo zwei
    Flußarme fast in spitzem Winkel einander berührten,
    stand ein Bauern- oder Kätnerhaus, dessen weißge-
    tünchtes Fachwerk aus Geißblatt und Fischernetzen
    freundlich hervorblickte, während sich uns in Front
    des Hauses, in einem halb ans Ufer gezogenen Kahn,
    ein streng und doch zugleich auch freundlich ausse-
    hender Mann präsentierte, der, von ebendiesem
    Kahn aus, dem Treiben seiner im Flusse badenden
    und nach allen Seiten hin jubelnd umherplätschern-
    den Kinder zusah. Es waren ihrer sieben, das älteste
    elf, das jüngste kaum vier Jahr alt, und aus Lachen
    und Kinderunschuld wob sich hier ein Bild, das uns
    auf Augenblicke glauben machte, wir sähen in eine
    feenhafte Welt. Und daß wir diese Welt nicht störten,
    das war ihr höchster Zauber. Ungeängstigt und von
    keiner Scham überkommen, spielten die Kinder wei-
    ter und tauchten unter und prusteten das Wasser in
    die Höh wie junge Delphine. Das älteste Mädchen
    war eine Schönheit; ihre Augen lachten, und das
    lange, aufgelöste Haar schwamm wie Sonnenschein
    neben ihr her.
    Bootführer Birkig rekolligierte sich zuerst und rief das uns sowohl wie das Bild auf einen Schlag entzau-bernde Wort über das Wasser hin: »ob man uns ei-
    nen Kaffee kochen wolle«. Das bereitwilligste »ja«
    klang zurück, und einige Minuten später sprangen
    wir ans Ufer, hinter dessen Büschen jetzt die Kinder
    in allen Stadien der Toilette standen und lagen, ei-
    nes, das jüngste, noch platt im Sande. Der im Kahne
    stehende Häusler oder Kätner aber, der sich uns bald
    danach als Kätner Post vorstellte, war uns um

Weitere Kostenlose Bücher