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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Wirtschaftsgebäude wegragte, während ihm ge-
    genüber, alles Pappelgestrüpps unerachtet, der klei-
    ne Pieskower Kirchturm immer deutlicher hervortrat.
    Beide Dörfer lockten mich, das eine wie das andere,
    da das Fuhrwerk aber geschont werden mußte, so
    beriet ich mit Moll und proponierte, daß er mit den
    Pferden unmittelbar auf das an unsrer eigentlichen
    Reiselinie gelegene Pieskow fahren solle, während
    ich meinerseits erst nach Saarow marschieren und
    von dort aus in einem kleinen »Seelenverkäufer«
    über den See herüberkommen wolle. Das fand denn
    auch seine Zustimmung, wie jede den Weg kürzende
    Proposition, und während er sofort auf einem
    Schlängelwege bergab und auf die linke Schermüt-
    zel-Seite zufuhr, hielt ich mich rechts, um auf einem

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    am See hinlaufenden Wiesenpfade bis an den Fahr-
    damm und demnächst auf die große Saarower Dorf-
    straße zu kommen.
    Es war ein wundervoller Weg; über dem blauen Was-
    ser wölbte sich der blauere Himmel, und zwischen
    den spärlichen Binsen, die das Ufer hier einfaßten,
    hing ein ebenso spärlicher Schaum, der in dem
    scharfen Ostwinde beständig hin und her zitterte.
    Holz und Borkestücke lagen über den Weg hin zer-
    streut, andre dagegen tanzten noch auf dem flim-
    mernden See, der im übrigen, all diesem Flimmern
    und Schimmern zum Trotz, einen tiefen Ernst und
    nur Einsamkeit und Stille zeigte. Nirgends ein Fi-
    scherboot, das Netze zog oder Reusen steckte, ja
    kaum ein Vogel, der über die Fläche hinflog. Oft hielt
    ich an, um zu horchen, aber die Stille blieb, und ich
    hörte nichts als den Windzug in den Binsen und das
    leise Klatschen der Wellen.
    Und endlich auch die Schläge, die vom Pieskower
    Turm her zu mir herüberklangen. Ich zählte zwölf, es
    war also Mittag, und ehe der letzte noch ausge-
    summt hatte, war ich auch schon bis an die Stelle
    heran, wo mein Fußweg in die vorerwähnte Saarower
    Dorfgasse mündete.
    Dicht am Eingange saß ein Mütterchen auf einem
    Strauch- und Reisigbündel, das sie sich aus der Hei-
    de geholt, und grüßte mich. Alte Weiber sollen kein
    Glück bringen, aber wenn sie freundlich sind und
    einem einen »Guten Tag« bieten, so hat es mit der
    ganzen Jägerweisheit nicht viel auf sich. Und so blieb

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    ich denn auch stehen und sagte: »Na, Mutterchen, is
    wohl ein bißchen schwer? Und die Sonne sticht heut
    so. Sie müssen die Kinder in den Wald schicken. O-
    der haben Sie keine?«
    »Woll, Kinner hebb ick un Enkelkinner ook. Awers se
    wulln joa nich. Un se künn' ook nich. Se möten joa all in de School.«
    »Ja, ja. Alles muß in die Schule. Haben Sie denn
    auch 'ne Kirche in Saarow?«
    »Nei. Wi möten nach Reichenwald.«
    »Richtig. Ich erinnere mich. Das ist da, wo sie den
    alten Rittmeister begraben haben. Haben Sie den
    noch gekannt?«
    »O wat wihr ick nich? He wihr joa so in mine Joahr.
    Woll hebb ick em kennt.«
    »Und wie war er denn?«
    »Na, he wihr joa sowiet janz goot. Bloot man en bee-
    ten schnaaksch un wunnerlich un ok woll en beeten
    to sihr för de Fruenslüd. Awers nu is he joa dod.«
    »Und hat wohl ein Denkmal? Ich meine so was von
    Stein oder Eisen. Eine Figur oder einen Engel mit
    'nem Spruch oder Gesangbuchvers.«
    »Nei. För so wat wihr he nich.«

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    »Und is sonst noch was in Saarow zu sehn?«
    »Ick glöw nich. Veel is hier nich in Saarow. En nijen
    Kohstall...«
    »Aber drüben in Pieskow?«
    »Joa, in Pieskow. O woll, versteiht sich. In Pieskow,
    da möt wat sinn.«
    »Na, dann werd ich mal sehn. Ich dank auch schön,
    Mutterchen.« Und damit ging ich weiter in das Dorf
    hinein.
    Wirklich, in Saarow war nicht viel, und als ich mich
    genugsam davon überzeugt hatte, hielt ich mich auf
    den See zu, wo nach meiner Meinung eine Fähre sein
    mußte. Nach einigem Suchen sah ich ein angekettel-
    tes Boot liegen und dicht daneben ein Häuschen, an
    das drei, vier Ruder angelehnt waren. Also hier war
    es mutmaßlich. Ich trat denn auch ein und fand eine
    Frau, die sich, auf eine Stuhllehne gestützt, von hin-
    ten her über ihren etwa zwölfjährigen Jungen bog
    und ein Exempel mit ihm rechnete, das diesem blut-
    sauer zu werden schien. Als ich ihr mein Anliegen
    vorgetragen hatte, sagte sie kurz, aber nicht un-
    freundlich, »sie habe nur den Jungen zu Haus, ob ich
    mit dem fahren wolle«.
    »Gewiß.«

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    Und so stieg ich denn ins Boot und setzte mich so,
    daß ich dem Jungen, der rückwärts saß, grad in die
    Augen sah. Als wir schon abstießen, kam auch

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