Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
rechten Flügel der Bewunderung
    als an den linken der Enttäuschung grenzte. Wirklich,
    ich war enttäuscht und würde, wenn es Moll vorge-
    zogen hätte, schlechtweg daran vorüberzufahren, im
    günstigsten Falle gedacht haben: »Ei, ein großer
    Stein.« Und das sollte nun einer der berühmten
    Markgrafensteine sein, eines der sieben märkischen
    Weltwunder! Ich hatte mir diese Steine halb mem-
    nonssäulenartig oder doch wenigstens als ein paar
    von der Natur gebildete Riesenobelisken gedacht und
    sah nun etwas Zusammengekauertes daliegen, das
    genau den Eindruck eines toten Elefanten auf mich
    machte. Nun sind Elefanten ja unzweifelhaft große
    Tiere, wenn ihnen aber obliegt, als Berg- und Fels-

    2297
    trümmer landschaftlich zu funktionieren, so kommt
    die Landschaft und kommen sie selber zu kurz.
    »Ist er es denn wirklich?« bracht ich endlich heraus.
    »Es ist wohl bloß der kleine; es sollen ja zwei sein.«
    »Ja, zwei sind es, und der andre war auch größer.
    Aber den haben sie ja zersprengt, und was nu noch
    davon da is, das is nich viel, un is bloß Scheiben-
    ständer und Kugelfang, wenn die Rauener ihr Frei-
    schießen haben.«
    »Aber im Granit kann sich doch keine Kugel fangen.«
    »Is schon richtig. Aber das ist ja gerade das Gute.
    Sehen Sie, so 'n richtiger Kugelfang is eigentlich gar
    kein Kugelfang. Das heißt, er is es zu sehr.«
    »Wie denn?«
    »Ja, wie soll ich es sagen? Es is damit wie mit dem
    Schiffsjungen, dem der silberne Teekessel ins Meer
    gefallen war und der dann ängstlich und pfiffig frag-
    te: ›Is das verloren, wovon man weiß, wo's is?‹ Und so kann man auch beim richtigen Kugelfang fragen.
    In 'n Sand stecken sie drin, und jeder weiß ganz ge-
    nau, wo sie sind. Aber weg sind sie doch. Und nun
    sehen Sie sich die klugen Rauener an! An den Granit
    schlägt die Kugel, und klatsch, da liegt sie. Und
    wenn sie mit Schießen fertig sind, suchen sie die
    platten Kugeln wieder auf. Und liegen alle da wie die
    Pflaumenkerne.«

    2298
    »Hören Sie, Moll, das gefällt mir. Können wir diesen
    Kugelfang nicht sehen? Ich meine den Stein.«
    »O gewiß. Er liegt ja hier gleich nebenan. Und ich
    brauch auch nicht abzusträngen. In den Sand hier stehen die Pferde wie 'ne Mauer.«
    Diese prusteten und rieben sich vergnügt und wie
    zum Zeichen des Einverständnisses die Köpfe, Moll
    und ich aber gingen nach rechts in das Gehölz hin-
    ein, wo wir alsbald auch den andern Stein fanden,
    der mal der größere gewesen war. In seiner Front
    erkannt ich leicht die beiden Erdwandungen einer
    mehr als hundert Schritt langen Schießallee, wäh-
    rend sich am Stein selber unzählige Kugelspuren
    zeigten.
    »Und dies ist also der große Stein. War er viel größer als der andre?«
    »Nein, ich hab ihn zwar nicht mehr gesehn, aber die
    Leute sagen es ja.«
    »Was?«
    »Nu, daß er nich viel größer war... Und so um die zwanziger Jahre rum wurd er in drei Stücke gesprengt, gerad so, wie Sie 'ne Birn in drei Stücke
    schneiden: links 'ne Backe un rechts 'ne Backe und
    in der Mitte das Mittelstück. Un aus 's Mittelstück
    haben sie ja nu die große Schale gemacht, die jetzt
    auf 'n Berliner Lustgarten steht, und die linke Backe,

    2299
    das is das Stück, das wir hier sehen, un die rechte
    Backe, die werd ich Ihnen nachher zeigen.«
    »Ist es nötig, sie zu sehen?«
    »Ja, die müssen Sie sehen. Ich zeig Ihnen alles, wie
    sich's gehört. Und es heißt auch die ›Schöne Aus-
    sicht‹.«
    Alsbald saßen wir wieder in unsrem Wagen und fuh-
    ren jetzt im Zickzack auf eine sandige Höhe hinauf.
    An höchster Stelle hielten die Pferde wie von selbst,
    und Moll sagte: »Hier ist es. Dies ist die ›Schöne
    Aussicht‹.«
    »Und die Backe?«
    »Die liegt hier .« Und dabei wies er auf ein sonderbares Granitmobiliar, das mich, auf den ersten Blick
    wenigstens, an Stonehenge erinnerte, jenen alten
    Druidenplatz in der Nähe von Salisbury, den man in
    Kunstatlassen und illustrierten Architekturgeschich-
    ten abgebildet findet. Im Quadrat standen vier
    Steinbänke, dazwischen präsentierte sich ein großer,
    runder Steintisch, alles aus dem Granitstück gefer-
    tigt, das man von dem Stein unten abgesprengt hat-
    te.
    Der Wagenplatz, auf dem ich saß, war höher als das
    Steinmobiliar und gönnte mir einen freieren Umblick.
    Alles in der Welt aber hat sein Gesetz, und wer auf
    der »Schönen Aussicht« ist, hat nun mal die Pflicht,

    2300
    sich auf den Steintisch zu stellen, um von ihm aus, und nur von ihm

Weitere Kostenlose Bücher