Wanderungen durch die Mark Brandenburg
rechten Flügel der Bewunderung
als an den linken der Enttäuschung grenzte. Wirklich,
ich war enttäuscht und würde, wenn es Moll vorge-
zogen hätte, schlechtweg daran vorüberzufahren, im
günstigsten Falle gedacht haben: »Ei, ein großer
Stein.« Und das sollte nun einer der berühmten
Markgrafensteine sein, eines der sieben märkischen
Weltwunder! Ich hatte mir diese Steine halb mem-
nonssäulenartig oder doch wenigstens als ein paar
von der Natur gebildete Riesenobelisken gedacht und
sah nun etwas Zusammengekauertes daliegen, das
genau den Eindruck eines toten Elefanten auf mich
machte. Nun sind Elefanten ja unzweifelhaft große
Tiere, wenn ihnen aber obliegt, als Berg- und Fels-
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trümmer landschaftlich zu funktionieren, so kommt
die Landschaft und kommen sie selber zu kurz.
»Ist er es denn wirklich?« bracht ich endlich heraus.
»Es ist wohl bloß der kleine; es sollen ja zwei sein.«
»Ja, zwei sind es, und der andre war auch größer.
Aber den haben sie ja zersprengt, und was nu noch
davon da is, das is nich viel, un is bloß Scheiben-
ständer und Kugelfang, wenn die Rauener ihr Frei-
schießen haben.«
»Aber im Granit kann sich doch keine Kugel fangen.«
»Is schon richtig. Aber das ist ja gerade das Gute.
Sehen Sie, so 'n richtiger Kugelfang is eigentlich gar
kein Kugelfang. Das heißt, er is es zu sehr.«
»Wie denn?«
»Ja, wie soll ich es sagen? Es is damit wie mit dem
Schiffsjungen, dem der silberne Teekessel ins Meer
gefallen war und der dann ängstlich und pfiffig frag-
te: ›Is das verloren, wovon man weiß, wo's is?‹ Und so kann man auch beim richtigen Kugelfang fragen.
In 'n Sand stecken sie drin, und jeder weiß ganz ge-
nau, wo sie sind. Aber weg sind sie doch. Und nun
sehen Sie sich die klugen Rauener an! An den Granit
schlägt die Kugel, und klatsch, da liegt sie. Und
wenn sie mit Schießen fertig sind, suchen sie die
platten Kugeln wieder auf. Und liegen alle da wie die
Pflaumenkerne.«
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»Hören Sie, Moll, das gefällt mir. Können wir diesen
Kugelfang nicht sehen? Ich meine den Stein.«
»O gewiß. Er liegt ja hier gleich nebenan. Und ich
brauch auch nicht abzusträngen. In den Sand hier stehen die Pferde wie 'ne Mauer.«
Diese prusteten und rieben sich vergnügt und wie
zum Zeichen des Einverständnisses die Köpfe, Moll
und ich aber gingen nach rechts in das Gehölz hin-
ein, wo wir alsbald auch den andern Stein fanden,
der mal der größere gewesen war. In seiner Front
erkannt ich leicht die beiden Erdwandungen einer
mehr als hundert Schritt langen Schießallee, wäh-
rend sich am Stein selber unzählige Kugelspuren
zeigten.
»Und dies ist also der große Stein. War er viel größer als der andre?«
»Nein, ich hab ihn zwar nicht mehr gesehn, aber die
Leute sagen es ja.«
»Was?«
»Nu, daß er nich viel größer war... Und so um die zwanziger Jahre rum wurd er in drei Stücke gesprengt, gerad so, wie Sie 'ne Birn in drei Stücke
schneiden: links 'ne Backe un rechts 'ne Backe und
in der Mitte das Mittelstück. Un aus 's Mittelstück
haben sie ja nu die große Schale gemacht, die jetzt
auf 'n Berliner Lustgarten steht, und die linke Backe,
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das is das Stück, das wir hier sehen, un die rechte
Backe, die werd ich Ihnen nachher zeigen.«
»Ist es nötig, sie zu sehen?«
»Ja, die müssen Sie sehen. Ich zeig Ihnen alles, wie
sich's gehört. Und es heißt auch die ›Schöne Aus-
sicht‹.«
Alsbald saßen wir wieder in unsrem Wagen und fuh-
ren jetzt im Zickzack auf eine sandige Höhe hinauf.
An höchster Stelle hielten die Pferde wie von selbst,
und Moll sagte: »Hier ist es. Dies ist die ›Schöne
Aussicht‹.«
»Und die Backe?«
»Die liegt hier .« Und dabei wies er auf ein sonderbares Granitmobiliar, das mich, auf den ersten Blick
wenigstens, an Stonehenge erinnerte, jenen alten
Druidenplatz in der Nähe von Salisbury, den man in
Kunstatlassen und illustrierten Architekturgeschich-
ten abgebildet findet. Im Quadrat standen vier
Steinbänke, dazwischen präsentierte sich ein großer,
runder Steintisch, alles aus dem Granitstück gefer-
tigt, das man von dem Stein unten abgesprengt hat-
te.
Der Wagenplatz, auf dem ich saß, war höher als das
Steinmobiliar und gönnte mir einen freieren Umblick.
Alles in der Welt aber hat sein Gesetz, und wer auf
der »Schönen Aussicht« ist, hat nun mal die Pflicht,
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sich auf den Steintisch zu stellen, um von ihm aus, und nur von ihm
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