Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Freundes
Lust. Mit einer Art von Befriedigung pflegte er sich
aufzurichten und seinem Sohne zuzurufen: »Heut tut
mir der Rücken weh vom Bücken.« Hühner und
Sperlinge vom Garten abzuhalten war die stets gern
erfüllte Pflicht der Kinder.
Der Sommer war schön, aber der schönste Monat
des Jahres war doch der Dezember. »Das Weih-
nachtsgefühl, die hohe Vorfreude des Festes in uns
zu wecken«, so schrieb mir der Sohn, »verstand er
vortrefflich. Er tat es in lockender, die Einbildungs-
kraft anregender Weise, teils durch Töne von Kinder-
instrumenten, teils durch Proben von Weihnachtsge-
bäck, welches von bepelzter Hand durch die knapp
geöffnete und im Hui wieder geschlossene Tür in die
Kinderstube geworfen wurde. Ließ einmal Knecht
Ruprecht gar nichts von sich hören und sehen, so
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baten wir singend an der hoffnungsreichen Pforte um
sein Erscheinen und seine Gaben. Waren wir artig
gewesen, so gewährte er; andernfalls prasselten
Nußschalen oder faule Äpfel durch die Türöffnung herein.« Den Jubel am Heiligen Abend hat er in einem seiner populärsten Gedichte selbst beschrieben:
Nußknacker stehn mit dickem Kopf
Bei Jud und Schornsteinfeger;
Hier hängt ein Schrank mit Kell und Topf,
Dort hetzt den Hirsch der Jäger.
Hier ruft ein Kuckuck, horch!,
Und dort spaziert ein Storch,
Mit Äpfeln prangt der Taxusbaum
Und blinkt von Gold und Silberschaum.
Zu Pferde paradiert von Blei
Ein Regiment Soldaten;
Ein Sansfaçon sitzt frank und frei
Gekrümmt und münzt Dukaten.
Und alles schmaust und knarrt,
Trompet und Fiedel schnarrt;
Fern stehn die Alten, still erfreut,
Und denken an die alte Zeit.
Das Leben auf der Pfarre war ein ziemlich bewegtes.
Mit einigen Predigern in der Umgegend war er von
früher her bekannt, und diese besuchte er, wenn er
auf geistige Anknüpfungspunkte rechnen konnte;
sonst schwerlich. Unter den befreundeten Amtsbrü-
dern befand sich auch der Propst Gloerfeld in dem
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benachbarten Bernau. Dieser würdige und allgemein
hochgeachtete Geistliche hatte einen schönen Tod.
Er war ein großer Gartenfreund, wie die meisten
Geistlichen in jener geldarmen Zeit, und empfing
dann und wann Besuche von Personen, die seinen
schönen Garten sehen wollten. Einmal erschien auch
eine junge, durchreisende Dame, und als er sich bü-
cken wollte, um ihr eine Rose zu pflücken, sank er
tot zwischen die Blumenbeete nieder.
Schmidts Gedichte geben über den Kreis seiner Be-
kanntschaft die beste Auskunft. Es lag in der Natur
seiner Muse, die einen durchaus häuslichen Charak-
ter hatte und das Leben mehr erheitern als auf seine
Höhen treiben wollte, daß er Dinge, die sich in Prosa
ebensogut hätten sagen lassen, in Versen abmachte.
Beispielsweis Einladungen und Gratulationen. So ler-
nen wir denn beim Lesen seiner Dichtungen auch
seine Freunde und Bekannte kennen, und zwar aus
Näh und Ferne: Pastor Schultz aus Döberitz im Ha-
velland, Amtsaktuarius Bernhard aus Löhme (unser
alter Freund aus dem Gamen-Grund her), Prediger
Dapp in Klein-Schöneberg, Rudolf Agrikola, Frau O-
berst von Valentini, Maler Heusinger und andere
mehr, meist Personen, die mit mehr oder minder
Dringlichkeit aufgefordert werden, der Werneuchner
Pfarre, »die im Grunde genommen viel hübscher sei
als die Berliner Paläste«, ihren Besuch zu machen.
Besonders nah stand ihm der Pastor Ahrendts in dem
nur eine Meile entfernten Beiersdorf. Mit diesem hat-
te er zusammen studiert, beide waren in unmittelba-
rer Aufeinanderfolge Prediger im Berliner Invaliden-
hause gewesen, beide hatten zu Ende des vorigen
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Jahrhunderts ihre benachbarten Landpfarren erhal-
ten und verblieben darauf bis zu ihrem Tode, nach-
dem beide kurz vorher ihr fünfzigjähriges Jubiläum
gefeiert hatten, Schmidt 1837, Ahrendts 1838.
Unter den gelegentlich Einsprechenden waren auch
einzelne Berliner Geistliche von der strengeren Rich-
tung, wie Held und Hennefuß. Er teilte die Ansichten
dieser Herren nicht und hatte dessen kein Hehl, war
aber in der Art, wie er ernste Gespräche führte, von
so feinen und anziehenden Formen, daß die Besuche
weit öfter wiederholt wurden, als man hätte mutma-
ßen sollen. All dieser Zuspruch, weil er ihm geistige
Nahrung und Anregung bot, erfreute ihn lebhaft,
aber höchst unbequem waren ihm die affektierten
Leute aus der großen Stadt, die sich aus Neugier
oder aus Sentimentalität bei ihm blicken ließen, um
hinterher von den
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