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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ist endlich,
    selbstverständlich zugunsten der Frauenansicht, ent-
    schieden, und der seit einer Viertelstunde seine Peit-
    sche »Gewehr bei Fuß« habende Kutscher nimmt sie
    jetzt wieder in die Hand, um, angetan mit allen Ab-
    zeichen seiner Würde, in Werneuchen einzufahren.
    Schon holpert und stolpert der Wagen auf dem tief
    ausgefahrenen Steinpflaster, der Kutscher knallt o-
    der streicht mit bemerkenswerter Eleganz die Stech-
    fliegen von dem Hals der Pferde, das rote Dach des
    Regenschirms wird eingezogen, und nur einmal noch
    fährt die Schirmkrücke mit einem energischen »Sitz
    gerade« in den Rücken des linken Jungen. In dem-
    selben Augenblick aber, wo der Getroffene zusam-
    menfährt, hält auch der Wagen schon vor der Wer-
    neuchener Pfarre.
    Von unserm Versteck her haben wir Zeit, das Haus
    zu mustern. Es ist ein Fachwerkbau mit gelbem An-
    strich und kleinen Fenstern, sein einziger Schmuck
    der geräumige Vordergiebel und ein paar alte Kasta-

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    nienbäume, deren hohe Kronen das ganze Haus in
    Schutz zu nehmen scheinen. Die Haustüre steht of-
    fen und gönnt einen Blick auf den kühlen fliesenge-
    deckten Flur; aber niemand erscheint auf ihm, um
    die Gäste willkommen zu heißen. Die beiden Jungen
    haben endlich das Terrain rekognosziert und kom-
    men mit einer barfüßigen alten Frau zurück, die sie
    hinten im Garten mit Unkrautjäten beschäftigt fan-
    den. In ziemlich dienstlichem Tone poltert der Amt-
    saktuarius ein paar seiner Fragen heraus; aber bald
    ergibt sich's, daß die Jätefrau taub ist und es am
    geratensten sein dürfte, die Gesamtkosten der Un-
    terhaltung ihr zuzuschieben. »Alles ausgeflogen...
    Alles in 'n Wald... Ulekens Geburtstag.« Diese Worte
    genügen völlig. Unser Amtsaktuarius ist lange genug
    in dem Werneuchener Pfarrhaus aus- und eingegan-
    gen, um zu wissen, wo der Pfarrer seine Lieblings-
    plätze hat, und der Alten zum Zeichen völligen Ein-
    geweihtseins einen kurzen Gruß zunickend, läßt er
    im nächsten Augenblicke weitertraben. Als der Wa-
    gen etwas heftig anrückt, fall ich nach hinten über
    und stoße so stark an die Janitschar, daß sämtliche
    Glocken zu klingen anfangen. Aber alles ist bereits in
    solcher Aufregung, daß niemand mehr darauf achtet,
    welcher Mittagsspuk da hinten sein Wesen treibt.
    Bis zum Gamen-Grund ist eine halbe Stunde. Wir
    sind eben in den Fahrweg eingebogen, der nach
    Freienwalde hin abzweigt, und halten alsbald an ei-
    nem Waldpfade, den wir in seinen Windungen durch
    das Gehölz hin deutlich verfolgen können. Quellen
    sickern im Moos. Elsen und anderes Laubholz mischt

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    sich unter die Tannen, und erfrischende Kühle weht
    uns an.
    »Oh, da singen sie schon. Wußt ich doch, daß wir sie
    finden würden« – mit diesen Worten, die fast wie
    Selbstgratulation klingen, eilt der Amtsaktuar von
    rechts her auf die linke Seite hinüber, um bei der
    bevorstehenden Landung seiner Ehehälfte nach Kräf-
    ten behilflich zu sein. Im Vertrauen auf die Gutgear-
    tetheit der Pferde wird statt des direkten Weges über
    das linke Vorderrad der Umweg über den Deichsel-
    tritt gewählt; wir aber, als wir diese Vorkehrungen
    glücklich getroffen sehn, schwingen uns, die linke
    Hand auf dem Wagenkorbe, mit raschem Ruck in den
    Fahrweg hinein und eilen der Aktuarfamilie voraus in
    die Waldestiefe hinein.
    Da haben wir sie. Mitten auf einem Rain, den hoch-
    stämmige Tannen einschließen, scheinen die Elfen an
    hellem Nachmittag ihre Spiele zu treiben. Ein Dut-
    zend Kinder, groß und klein und mit allerhand Krän-
    zen im Haar, tanzen den Ringelreihen, während in-
    mitten ihres Kreises ein Blondkopf steht und mit sei-
    ner Weidenrute hierhin und dorthin zeigt als wär es
    ein Zauberstab. Abwärts davon, in einer Vertiefung
    unter den Bäumen, qualmt und knistert ein Feuer, an
    dessen Rande, neben anderem Topfwerk, eine jener
    weitbauchigen braunen Kannen steht, die den Na-
    men ihrer schlesischen Vaterstadt ruhmreich über
    die Welt getragen haben; dahinter aber, auf einer
    natürlichen Bank, sitzt pastor loci, kenntlich durch
    Haltung und Sammetkäpsel, und reicht seiner neben
    ihm stehenden jungen Frau die Hand. »Es ist gut

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    so«, scheint seine freundliche Miene zu sagen, und
    die Glückliche, glücklich in seinem Besitze, neigt sich und küßt ihm die Stirn, auf einen kurzen Augenblick
    unbekümmert um Kannen und Kinder und um das
    brodelnde Wasser, das eben zischend in die Flamme
    fährt. Wir stehen noch im Bann dieser

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