Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Musen und Gra-
zien«), bei Oehmigke jun., 1802. Dies ist alles, was
ich aus der Epoche von 1796 bis 1802 von seinen
Veröffentlichungen in Händen gehabt habe; doch
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möcht ich fast bezweifeln, daß die gegebene Aufzäh-
lung die Gesamtheit seiner damaligen Produktion
umfaßt. Die Kluft zwischen 1798 und 1802 ist zu
weit. Nach dem Jahre 1802 scheint er sein Harfen-
spiel an die Wand gehängt zu haben; nur aus dem
Jahre 1815 begegnen wir noch schließlich einem
schmalen Büchelchen, das den Titel » Neueste Ge-
dichte « führt und in zwei Sonettenkränzen, eine Form, in der er sich auch früher schon versuchte,
den Tod seiner ersten Gattin, Henriette, und das frü-
he Hinscheiden seines Lieblingssohnes Ulrich beklagt.
Ich erwähnte dieser Lieder schon weiter oben.
Sehen wir von dem Jahrgange des Erscheinens ab
und betrachten wir seine Dichtung als ein Ganzes,
das wir nicht äußerlich nach Namen und Datum,
sondern nach seinem inneren Gehalt zu teilen und zu
trennen haben, so ergeben sich drei Hauptgruppen:
Sonette, Balladen und Naturbeschreibungen, letztre
vom kurzen Lied an bis zum ausgeführten Idyll.
Über die erste und zweite Gruppe (Sonette und Bal-
laden) gehen wir so schnell wie möglich hinweg. Er
hatte weder von dem einen noch von dem andern
auch nur eine Ahnung, und während ihm im Sonett,
all seiner Reimgewandtheit unerachtet, alle Grazie
der Form und des Gedankens fehlte, suchte er – die
schwächeren und schwächsten Sachen Bürgers zum
Vorbild nehmend – das Wesen der Ballade teils im
Mordhaft-Schauerlichen, teils in einem Gespenster-
apparate, der schon deshalb niemanden in Schre-
cken setzen konnte, weil er selber keinen Augenblick
an das wirkliche Lebendigsein dieser seiner Figuren
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glaubte. So kam es, daß er in dieser Dichtungsart
beständig den bekannten einen Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen tat und uns statt erschüttern-
der Gestalten bloße Karikaturen vorführte. Um we-
nigstens eine Belagsstelle für dies mein Urteil zu zitieren, laß ich hier die erste Strophe der Spukballade
»Graf Königsmarck und sein Verwalter« folgen:
Graf Königsmarck hatt irgendwo
In Sachsen an der Saale
Ein Gut wohin er gern entfloh
Der höfischen Kabale.
Die Wirtschaft dort besorgt ein treuer,
Verständiger und frommer Meier.
Dies genüge. Dieselbe Ballade weist übrigens viel
schlimmere Strophen auf. Keine Dichtungsart viel-
leicht kann die Verwechslung von Einfach-
Natürlichem mit Hausbacken-Prosaischem so wenig ertragen wie die Ballade.
Schmidt von Werneuchen war kein Sonettist und
noch weniger ein Minstrel, der es verstanden hätte,
bei den Festmahlen alter Häuptlinge die heroischen
Sagen des Clans zu singen, aber er war ein Naturbe-
obachter und Naturbeschreiber trotz einem. Nicht die
Geßnersche Idylle war seine Stärke, bei den Nieder-
ländern schien er in die Schule gegangen zu sein,
und wenn Friedrich Wilhelm I. einmal ausrufen durf-
te: »Ich hab ein treu-holländisch Herz«, so durfte
Schmidt von Werneuchen sagen: »Ich hab ein gut-
holländisch Aug.« Und wirklich, jetzt, wo man es
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liebt, die Künstler dadurch zu charakterisieren, daß
man sie mit hervorragenden Erscheinungen einer
verwandten Kunst vergleicht, möcht es gestattet
sein, Schmidt von Werneuchen einen märkischen
Adriaen von Ostade zu nennen. Beide haben in
»Bauernhochzeiten« exzelliert.
Aber diese »Bauernhochzeiten« unsers märkischen
Poeten waren doch, der Gesamtheit seines Schaffens
gegenüber, nur die Staffage ; er konnte ein Genre-maler sein, wenn ihm der Sinn danach stand, vor
allem indes war er ein Landschafter , oft freilich nur ein grober Realist, der die Natur rein äußerlich ab-schrieb, oft aber auch ein feinfühliger Künstler, der
sich auf die leisesten landschaftlichen Stimmungen,
auf den Ton und alle seine Nuancen verstand. Er war
nicht immer der gereimte Prosaiker, der mit Freud
und Behagen niederschreiben konnte:
Die Küchlein ziepen;
Nestvögel piepen
Im Fliedergrün,
Und Frauen ziehn
Mit Milch in Kiepen
Barfüßig hin
Zur Städterin –
er konnte sich auch sehr wesentlich über diese Spie-
lereien, über dies rein äußerlich Beschreibende erhe-
ben, und trotz eines leisen Anklangs an Bürgers
»Pfarrerstochter zu Taubenhain« zähl ich doch bei-
spielsweise folgende Strophe zu den gelungensten
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Schilderungen einer herbstlichen Landschaftsstim-
mung:
Es sauste der Herbstwind durch Felder und
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