Wanderungen durch die Mark Brandenburg
In der
Nähe von Malmö sieht es aus wie bei Lichterfelde,
denn viele Wiesen, Massen von Kühen und Pferden
weiden auf ihnen; grau bleibt die Landschaft immer.
Das ganze Land ist wie besäet mit erratischen Gra-
nitblöcken, je größer, je mehr man sich der Haupt-
stadt nähert. Die vielen Seen erscheinen blauer wie
bei uns, Birken fast die durchgängige Vegetation, lila
die Farbe der Wiesenblumen. Die Holzhäuser sind
ganz rot angestrichen, die Leute sehr artig und ho-
nett, die Verpflegung auf den Eisenbahnhöfen idea-
lisch. Man bezahlt eine verhältnismäßig geringe
Summe und ißt und trinkt dann kalt oder warm, so-
viel man will und kann. Das Büffet ist so variiert wie
in den feinsten Gesellschaften... Sollte das Wetter
hier immer so schlecht bleiben, würde ich nicht bis
Schluß des Kongresses aushalten, sondern spätes-
tens am 14. abreisen. Geht die Kur gut vonstatten?
Wie geht es den Kindern?
Wie immer Dein W. G.
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Stockholm, 6. August 1874
In Schweden blühen die Linden spät und spärlich.
Ich schicke Dir ein Spezimen, wie es eben hier vor-
kommt, im Stockholmer Tiergarten gepflückt von wo
ich soeben zurückkomme. Man fährt hier viel auf
Dampfschiffen, die, omnibusartig, fortwährend her-
über- und hinüberfahren, und zwar für einen sehr
geringen Preis. Das Wetter ist heute weniger
schlecht, obgleich ich den ganzen Spaziergang mit
aufgespanntem Regenschirm gemacht habe. Da ich
mit Hülfe eines von mir aufgetriebenen Kommissio-
närs mehr habe sehen können, bin ich heute auch
zufriedener gewesen als gestern. Ich war im Schloß,
wo sich vorzügliche Gobelins befinden; eine bessere
Dekoration als selbst Bilder, wenn sie von solcher
Schönheit sind wie hier. Natürlich alle französisch.
Danach die Synagoge gesehen; maurisch, sehr origi-
nell. Alle hier befindliche Statuen, die Gustav Wasas,
Gustav Adolfs, Karls XII. usw. (einige davon von Mo-
lin und Byström), sind gut. Das Skandinavische Mu-
seum genau betrachtet. Ein Konservator führte ver-
schiedene Kongreßmitglieder, denen ich mich
anschloß; das Waffenmuseum, die Kostüme der
schwedischen Könige und Königinnen, das Antiken-
cabinet – in allen sehr interessante Sachen. Im
»Tiergarten« das Schloß Rosendal gesehen.
Sehr alt ist hier nichts, jedoch finden sich immer Ein-
zelheiten, an denen man lernen kann. Die Vergnü-
gungslokale sind teilweise im Alhambrastil; dasselbe
gilt vom Tivoli in Kopenhagen, in dem sich sogar ein
sehr schönes chinesisches Theater befindet. Den
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Vorhang desselben bildet ein chinesischer Pfau, mit
ausgebreitetem Schweif. Das Thorwaldsen-Museum,
außen bemalt, hat Anklänge ans Altägyptische; der
gemalte Fries aber befindet sich unten, parterre, auf
schwarzem Grunde. Drinnen auch viel schwarze Far-
be. Drei Indianer fuhren auf dem Schiff von Kopen-
hagen nach Malmö mit uns; sie wurden viel ange-
staunt. Virchow und Kuhn getroffen. Virchow hatte
für mich ein Zimmer im »Kung Karl« bestellt, was ich
leider nicht wußte. Tut mir jetzt leid, ihn nicht vorher in Berlin aufgesucht zu haben. Zur feierlichen, auf
morgen angesetzten Eröffnung des Kongresses weiße
Krawatte gekauft die ich ohnehin nötig hatte, weil
uns die Stadt Stockholm morgen abend ein Bankett
gibt. Meine Einladung trägt die Nummer 889. Über-
sicht über Stockholm heute morgen vom höchsten
Punkt aus genossen. Zum Seebaden hier keine Gele-
genheit. Die Bäder befinden sich im Mälarsee. Ich
hoffe, es geht Euch wohl.
Wie immer Dein W. G.
Stockholm, 11. August 1874
Seit meinem letzten Briefe vieles erlebt, so daß ich
nicht zum Schreiben kam, Lehr- und Genußreiches,
auch manches Langweilige. Soeben komme ich von
Upsala zurück. Eine Meile über Upsala hinaus, auf
dem Odins-Hügel, werde ich wohl den nördlichsten
Punkt auf meiner Erdenlaufbahn erreicht haben. Die
Partie war wunderbar. Die Regierung stellte dem
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Kongreß einen großen Extra-Eisenbahnzug zur un-
entgeltlichen Verfügung; morgens sieben Uhr ging's
fort, und um neuneinhalb Uhr hatten wir den Odins-
Hügel erreicht, den man für uns hatte aufgraben
lassen. Drei fast gleiche Hügel, pyramidenartig, lie-
gen nebeneinander, von denen der größte dazu be-
stimmt war, durchsucht zu werden.
Eine wahre Völkerwanderung zeigte sich; meilenweit
mußten die Leute herbeigekommen sein, um die
Fremden zu sehen. Zur Erquickung reichten uns die
Studenten, nach altnordischer Sitte, Met in
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