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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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wohin er sich Anfang Au-
    gust begab, und aus seinen damals an seine Frau
    gerichteten Briefen möchte ich hier um so lieber Mit-
    teilungen machen, als wir W. Gentz, den Menschen
    wie den Künstler, immer nur an den Orient geknöpft
    glauben. Diese Nordlandsbriefe zeigen so recht das
    Umfassende seiner Beziehungen und Interessen und
    sind ebenso durch reichen Inhalt wie ganz besonders
    auch durch eine knappeste Form der Darstellung
    ausgezeichnet.
    Der erste Brief ist noch von heimischem Boden, aus
    Noer bei Eckernförde, geschrieben.

    Noer, den 1. August 1874

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    Es regnet augenblicklich sehr stark. Das gibt mir Zeit
    zum Schreiben. Dienstag abend elfeinhalb trat ich
    meine Fahrt hierher an; Mittwoch neuneinhalb mor-
    gens war ich in Kiel. Ich ging gleich nach
    Düsternbrook, mein erstes Seebad zu nehmen. Dort
    traf ich Kosleck, der die Kieler durch seine Trompe-
    tenkonzerte in Aufregung gebracht hat, während er
    mit seinen Einnahmen weniger zufrieden ist. Für eine
    Seebadekur scheint sich mir Düsternbrook nicht zu
    eignen, keine Dünenbildung und das Wasser oft un-
    rein, zumal wenn der Wind das Schmutzwasser vom
    Hafen hertreibt. Ich selbst traf das Wasser zwar gut
    und klar, die Buchenwaldung auf der Promenade
    nach dem Bade prachtvoll, aber auf die Umgebung
    einer viel größeren Stadt wie Kiel deutend. Das üppi-
    ge Grün fiel mir auf, das Land war nicht so regenarm
    gewesen. Land Holstein ist von einer Üppigkeit, die
    bei uns nicht existiert. Um vier Uhr fuhr ich nach
    Noer, welches dicht am Eckernförder Busen liegt;
    man sieht in weiter Ferne Eckernförde liegen, sieht
    aber auch in weiter Ferne den weiten offenen Hori-
    zont des Meeres, was bei Kiel nicht stattfindet. Der
    Weg nach Noer führt durch die üppigsten Felder und
    Auen, eingefaßt durch buschige Hecken von Hasel-
    nüssen und Brombeeren; überall ragen aus blühen-
    den Gärten die hohen Dächer hervor, auf den Stra-
    ßen, im fetten Erdreich, weht kein Staub. Noer ist
    kein Dorf, nur eine Herrschaft von etwa
    12 000 Morgen. Das Schloß, 1722 erbaut, ohne ar-
    chitektonischen Schmuck, steht in einem weiten
    Park. Ich bewohne ein großes Zimmer im ersten
    Stock, den Meerbusen hinter dichten Baumgruppen
    überblickend. Des Abends springen Rehe über die

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    Rasenflächen; vor der Veranda, auf welcher der Tee
    genommen wird, stolzieren ein paar Pfauen, weiße
    Tauben umschwirren, zur Freude der Kinder, den
    einfach idyllischen Ort. Die Gräfin ist große Tierlieb-
    haberin, hat zahme Rehe im Hühnerhof und anderes
    Getier. Auf Menschenumgang muß aber hier verzich-
    tet werden. (Moltke, der augenblicklich in Lübeck,
    wird in nächster Zeit zum Besuch erwartet.) Der
    Umgang des Grafen sind seine Bücher, seine Biblio-
    thek, in der er den größten Teil des Tages zubringt;
    er fühlte sich gestern, da er meinetwegen viel im
    Freien zugebracht, sehr erquickt; so lange dauernde
    Luftbäder hatte er lange nicht genommen, wie er mir
    sagte. In seinem Rock sind offene Hintertaschen für
    Bücher eingerichtet, die man immer aus denselben
    herausgucken sieht. Die Gräfin sehnt sich mehr nach
    Umgang, kultiviert, in Ermangelung desselben, außer
    der Tierwelt auch die Blumen. Die älteste Tochter,
    jetzt drei Jahr, ist sehr schwächlich; sie heißt nach
    der Mutter Carmelita. Die neunmonatliche Tochter
    Luise, nach der verstorbenen Schwester des Grafen
    genannt, ist ein pausbäckiges, frisches Kind. Die Ein-
    richtung im Schloß ist einfach, die Möbel teils mo-
    dern, teils aus dem Anfang des Jahrhunderts stam-
    mend. Die Stuckplafonds gehören der Jetztzeit an.
    An Bildern sind nur Familienportraits da, zwei von
    Rahl gemalt, den alten Prinzen von Noer, den Vater,
    darstellend; dann seine Großeltern, der Herzog von
    Augustenburg, der Anfang des Jahrhunderts Kultus-
    minister war, und die verwitwete Königin von Däne-
    mark, Tante des Grafen. Der Billardsaal grenzt an
    mein Zimmer; auf dem Billard wird übrigens nicht
    gespielt, es liegt voller illustrierter großer Werke,

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    meistens Indien betreffend. Das Studium des Grafen
    bezieht sich, wie Du weißt, hauptsächlich auf Indien
    und die Sanskritliteratur. Frau Feuerbach, Mutter von
    Anselm Feuerbach, war eingeladen, hierher zu kom-
    men, konnte aber, wegen Besuch ihres Sohnes aus
    Wien, diese Einladung nicht annehmen. Lothar Bu-
    cher war mal hier. Sonst besteht der Hauptumgang
    des Grafen aus Engländern, von denen von Zeit zu
    Zeit jemand herkommt. Der englische Maler Philipp
    hat

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