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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zuschickte, traf noch seine seifenschau-
    mene Hälfte. Weiter. Endlich mündeten wir auf einen
    lindenumstellten Platz, der die »Freiheit« hieß. Wir
    nahmen es als selbstverständlich hin. Warum sollte
    hier nicht Freiheit sein?
    Der Eindruck des Öden, den die ganze Stadt macht,
    an dieser Stelle steigert er sich, denn hier war einmal Leben. Unter den Fenstern des ersten Stockes
    hin ziehen sich lange Wirtshausschilder: »Stadt Hal-
    le«, »Stadt Leipzig«, die sich fast wie Grabschriften
    lesen über einer Zeit, die nicht mehr ist. Hier führte
    vor fünfzig oder hundert Jahren die große Straße von
    Sachsen vorüber, hier war ein Hauptzollamt, und
    Saarmund hatte damals eine Bedeutung etwa wie
    Wittenberge heut oder irgend sonst ein Platz, an
    dem der Koffer untersucht und die Sprache des
    deutschen Biedermannes in der Maut- und Zollnuan-
    ce gesprochen wird. Das ist nun alles dahin. Die ge-
    schlossenen Fenster zeigen nichts mehr als lange
    Rouleaux, deren in der Schräge schwebende Land-
    schaften auf ein völlig gestörtes Roll- und Räderwerk
    deuten; alle Krippen stehen leer, und müde vom
    Warten, haben sie sich an die Wand gelehnt. Die

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    Hühner picken drum herum. Wo sie's hernehmen,
    Gott weiß.
    Ein eignes Geschick ist um gewisse Städte wie um
    gewisse Menschen her. Sie sind anmutig, alles
    scheint für sie zu sprechen, und sie können es
    nichtsdestoweniger zu nichts bringen. So Saarmund.
    Einer der vielen Orte, die nicht leben und nicht ster-
    ben können und nur dazu da sind, im Herzen eines
    Vorüberfahrenden ein sentimentales Gefühl zu we-
    cken.
    An einem der Prellsteine von »Stadt Leipzig«, wo der
    Weg nach rechts hin abbiegt, stand ein Mann in mitt-
    leren Jahren, mit einem guten, zuverlässigen Ge-
    sicht. Seine Kappe hatte den Schnitt einer alten
    Landwehrmütze, sein Rock aber einen Stehkragen
    von dunkler Farbe. Eine Art Nachtwächterblau. Mir
    lagen immer noch die »Nutheburgen« im Kopf, nach
    denen ich meine Suche nicht ohne weiteres aufgeben
    wollte. Das ist dein Mann, dacht ich, und ließ halten.
    »Sind Sie von hier?«
    »Ja.«
    »Das ist schön. Da kennen Sie gewiß die Nuthebur-
    gen?«
    Der Ausdruck seines Gesichts ließ keinen Zweifel
    darüber, daß dieses Wort mit dem balladesken Dop-
    pel-U zum ersten Male sein Ohr traf. In seiner Ant-

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    wort geriet er vom Hundertsten ins Tausendste, stol-
    perte zwischen allerhand Lokalbezeichnungen wie
    Burgwall und Nuthe-Brücke hin und her und erzählte
    mir Dinge, die, wie gewöhnlich, auf alles mögliche
    Rücksicht nahmen, nur nicht auf den Gegenstand
    meiner Sehnsucht. Ich sah bald, daß der älteren
    märkisch-wendischen Heimatskunde hier keine Quel-le floß, und war denn auch rasch entschlossen, durch
    eine Diversion jeder weiteren Verwirrung vorzubeu-
    gen.
    »Ist sonst nichts da, das sich verlohnte?«
    »Nichts als der Galgenberg... Da haben Sie die beste
    Aussicht: das ganze Nuthe-Tal. Links Potsdam und
    rechts Trebbin. Es soll auch ein Schatz...«
    »Gut, gut.« Ich grüßte, gab dem Kutscher einen lei-
    sen Schlag, und im nächsten Momente ging es vom
    Straßendamm hinunter in den mahlenden Sand hin-
    ein.
    Eine kurze Strecke Weges, da stieg der Berg mit
    dem ominösen Namen vor uns auf. Es war ein heißer
    Tag und Mittagsstunde; wir hielten deshalb und stie-
    gen aus. Die Sonne fiel glühend auf den Abhang, den
    wir hinauf mußten. Vor uns weideten ein paar mage-
    re Schafe, die sich ihrer Magerkeit an dieser Stelle nicht zu schämen hatten; nur halbverbranntes,
    moosartig kurzes Gras zog sich über den Sand hin,
    und nichts grünte als die Wolfsmilch. Endlich oben.

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    Es lohnte sich schon. Wie um dem Missetäter das
    Scheiden doppelt schwer zu machen, stellte das Mit-
    telalter seinen Dreibaum immer auf die höchsten und
    schönsten Punkte.
    Und wieder stand ein Dreibaum dort oben vor uns,
    aber freilich das Kind einer anderen Zeit: ein Ver-
    messungsinstrument spreizte seine drei mageren
    Beine.
    Das helle Licht hinderte den Blick; nur mitunter kam
    eine leise Trübung, und das Auge konnt alsdann die
    Landschaft umfassen. Zu Füßen Saarmund mit sei-
    nen roten Dächern und rotem Turm; dahinter die
    Wiesen und die Nuthe; jenseits aber die stillen Dör-
    fer des Teltow und diesseits die stilleren Berge der
    Zauche.
    Wer nach uns an diese Stelle tritt, der freue sich des
    Bildes und der allgemeinen Vorstellung: an diesem
    Wasserlauf entlang lagen also die Nutheburgen ! Und er nehme dies Bild und diese

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