Wanderungen durch die Mark Brandenburg
in einem altlutherischen
Hause und der Pfleger eines einzigen gichtbrüchigen
Sohnes gewesen. So war denn vieles erklärt. Was
ihn aus der großen Stadt in dies abgelegene Dorf
geführt, erfuhren wir nicht.
Erst über ein breites Brachfeld hin und bald danach
einen Waldweg hinauf, erreichten wir die Kuppe des
unser nächstes Ziel bildenden Kapellen berges und betraten den alten Bau, der seinerzeit diesem Berge
den Namen gegeben. Zwei Wände sind eingestürzt
zwei stehen noch, so daß es auch für den Laien ein
leichtes ist, sich alles wieder in Vollständigkeit vorzustellen. Es war eine gotische Kapelle, zehn Schritt im
Quadrat, nach allen vier Seiten hin offen, genau nach
Art jener Baldachine, denen man in alten Domen so
oft über dem Altar begegnet.
Ob dieser Bau vordem ein Wallfahrtsort war, ist
schwerlich noch mit Sicherheit festzustellen, aber
das scheint mir gewiß, daß er kirchlichen Zwecken und nur solchen diente. Die Konsolnische, darauf das Muttergottesbild stand, ist noch wohlerhalten, und so
muß es denn einigermaßen überraschen, in selbst
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guten Büchern auf folgende Versicherungen zu sto-
ßen: »Es verrät nichts hier, daß das Gebäude jemals
kirchlichen Zwecken gedient haben könne. Der
Zweck desselben war ein militärischer; es war eine
Burgwarte . Das Gemäuer zeugt von hohem Altertum, und es ist mindestens möglich, daß es, wenn nicht
aus der Slawenzeit, so doch aus der Zeit der deut-
schen Eroberung stammt. Es diente wohl als Zwi-
schenstation für die Burgen Trebbin und Saarmund.«
So viele Zeilen, so viele Fehler.1) Der ganze Bau war
niemals etwas anderes als eine rechtwinklige Zu-
sammenstellung von vier offenstehenden Portalen,
genau das Gegenteil von Festung, Warte, Burg. Es
ist ein Kapellchen aus dem vierzehnten oder viel-
leicht auch erst aus dem fünfzehnten Jahrhundert, so
daß hier mutmaßlich ein Rechenfehler von dreihun-
dert Jahren zu verzeichnen bleibt.
An diesen Kapellenberg knüpfen sich zahlreiche Sa-
gen, die, wie verschieden auch in ihrer Einkleidung,
doch sämtlich auf das alte, namentlich in unserer
Mark beliebte Thema hinauslaufen, »daß daselbst ein
Schatz vergraben sei«. Noch in diesem Jahrhundert
kam ein Herr von Thümen ventre à terre von Berlin
geritten, ließ Bauern und Tagelöhner wecken und zog
in langer Kolonne den Berg hinauf, um unter dem
alten »Bocksdornstrauch«, der die linke Kapellenecke
mit seinem Gezweige füllt, bohren und graben zu
lassen. Denn unter dem Bocksdornstrauche liegt der
Schatz. Aber der Schatz kam nicht und der tolle Herr
von Thümen mußt es schließlich doch wieder aufge-
ben, gerade so, wie es hundert Jahre früher (noch in
der sächsischen Zeit) auch sein Ahnherr, der alte
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Kreisdirektor von Thümen, hatte aufgeben müssen,
»obwohlen der schon ganz nahe daran gewesen«.
Die Sage von diesem alten Kreisdirektor aber, die
noch von Mund zu Munde geht ist die folgende: Es
war wohl schon den dritten Tag, und sie gruben im-
mer noch. Da kamen sie bis an eine eiserne Türe mit
einem Schlüsselloch, und durch das Schlüsselloch
konnten sie hineinkucken und eine mit Geld aufge-
häufte Braupfanne sehen. Und auf dem Gelde saß
der Böse. Der alte Kreisdirektor aber hat trotz alle-
dem nicht ablassen wollen und hat angefangen zu
parlamentieren und an den Bösen zu schreiben. Vor-
erst hat sich keiner finden wollen, um die Briefe zu
bestellen, zuletzt aber hat sich doch einer gefunden,
der Ebel hieß, und hat alle Nacht einen Brief vom
alten Kreisdirektor auf den Kapellenberg getragen.
Und immer, wenn er an die rechte Stelle gekommen,
um den Brief hinzulegen, hat schon ein Brief vom
Bösen dagelegen und ein Münzgroschen dabei als
Botenlohn. So haben sie sich geschrieben hin und
her, der Böse und der Herr Kreisdirektor, und immer
um die zwölfte Stunde war Ebel auf dem Kapellen-
berg. Und der Böse schrieb zuletzt: »Der Herr Kreis-
direktor solle wahr und wahrhaftig alles haben; aber
den Briefträger müß er ihm geben und den Arm vom
See, der die ›Lanke‹ heißt, auch.« Das hat aber der
Kreisdirektor nicht gewollt, weil es Ebeln sein Leben
und wohl auch noch andere Menschenleben gekostet
hätt. Denn wenn der Böse erst den Seearm gehabt
hätt, so wäre mancher mit 'm Kahn verunglückt oder
im Winter auf 'm Eis und hätt ertrinken müssen. Alle
Jahr hätte wenigstens einer 'ran gemußt. Und so ist
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denn die Braupfanne voll Geld nicht gehoben
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