Wanderungen durch die Mark Brandenburg
worden und liegt heute noch.
So die Sage.
Wir unsrerseits aber, als wir uns an dem Bocksdorn-
strauche zu schaffen gemacht, erblickten unter sei-
nem Gezweige nichts als einen Haufen allerfleißigster
Ameisen. Ein Avis an alle müßigen Schatzgräber, den
Schatz da zu suchen, wo er liegt.
Als wir noch plauderten und nach einem Aussichts-
punkte suchten, zogen einige von Blankensee kom-
mende Kirchgänger über den Berg, ihrem Nachbar-
dorfe zu. Der Gottesdienst war also aus, und wir gin-
gen nunmehro zurück, um auch unsrerseits unsern
Besuch in der Kirche zu machen. Unser freundlicher
Begleiter verabschiedete sich am Eingange, mutmaß-
lich um uns nicht länger zu behindern, vielleicht auch
aus sektiererischem Geist.
Im Innern bot sich uns anfänglich nichts, was sich
über den Durchschnittsinhalt alter Dorfkirchen erho-
ben hätte; bei nährer Betrachtung aber zeigte sich
doch mancherlei: Grabsteine, Bilder und Schilderei-
en. Ein Epitaphium galt einem alten Kreishauptmann
im sächsischen Kurkreise, Herrn Christian Wilhelm
von Thümen, dessen Portrait von zwei Engeln gehal-
ten wurde. Weiter unterwärts erblickten wir eine sich
in den Schwanz beißende Schlange, mit dem
inschriftlichen Zusatze, »daß seine Ehe mit Sabine
Hedwig von Schlieben durch achtzehn Kinder gesegnet worden sei«.
2869
Wenn uns nun hier ein an Erzvater Jakob erinnernder
Segen entgegentrat, so gemahnten dafür andre sich
vorfindende Denkmäler: ein Grabstein und eine
Schilderei, mehr an Abraham und Sarah. Auf dem
Grabsteine lasen wir freilich nur die Worte: »daß
Anna von Schlabrendorf, Kuno von Thümens ehelich
Gemahl, in Kindesgeburt gottselig entschlafen sei«,
das Bildnis aber vervollständigte diese kurze Mittei-
lung in einem ihm angefügten Reimspruche:
Hier liegt begraben ohne Qual
Kuno von Thümens ehlich Gemahl,
Die tugendsam Frau Anna gut
Von Schlabrendorf, das edle Blut,
Welche gegeben war von Gott
Dem Kuno von Thümen bis an den Tod.
Als ihm eine Tochter sie gebar,
Zählte sie siebenundsechzig Jahr .
Am ersten Jännertag es war.
Sei ihr gnädig, Herr und Gott,
Und helf auch uns aus aller Not.
Sowenig befriedigend diese Reime sein mögen, so
trefflich ist das Bild, unter dem sie stehen. Es ist gu-te Lucas Cranachsche Schule. Nach Sitte der Zeit
Sündenfall, Gesetzgebung, eherne Schlange, Kreuzi-
gung und Auferstehung, alles dicht nebeneinander-
stellend, gibt es auf engem Raume den Hauptinhalt
der christlichen Heilslehre.
2870
Dies Bild, zum Gedächtnis Anna von Schlabrendorfs
gemalt, ist, wie das künstlerisch beste, so auch das
interessanteste, was die Kirche bietet. Keineswegs
aber ist die Reihe der Sehenswürdigkeiten und Erin-
nerungsstücke damit abgeschlossen. In einer Ecke,
beinah unmittelbar über dem vorerwähnten Grab-
stein, hängen Schwert und Sporen2) eines längst
heimgegangenen von Thümen, und in der Höhe des
neuerbauten Turmes befinden sich die durch den
ganzen Thümenschen Winkel hin bei jung und alt
bekannten »Glocken von Blankensee«, daran allerlei
Sagen anknüpfen, wie an den Kapellenberg.
Es war um die vierte Stunde fast, als wir aus dem
Kirchhofstor wieder in die Dorfgasse hinaustraten.
Hier hatte sich inzwischen das Bild verändert: die
Stille des Sonntagvormittags war hin, und die Hei-
terkeit des Nachmittags hatte begonnen. Um die
Dorflinde drehte sich das junge Volk im Ringelreihen,
und die Dirnen – wie immer tanzlustiger als das
männliche Element – deckten jedes Defizit durch
Anleihen bei sich selbst. Wir sahen auf das fröhliche
Treiben, und hätt uns jemand die Ehre angetan, wir
hätten's wohl auf jede Gefahr hin selber noch ge-
wagt. Aber die Versuchung blieb aus, und unser Wa-
gen fuhr vor.
Und nun mahlten wir wieder durch den Sand. Eine
Weile noch, wenn wir uns umsahen, sahen wir die
springende Bewegung und die roten Tücher. Dann
aber kam eine Biegung des Weges, alles, was Bild
gewesen, war hin, und nur die Posaunen markierten
noch den Takt und erzählten uns von dem lustigen
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Volk in Blankensee, »der Residenz des Thümenschen
Winkels«.
1. Solche Urteile datieren noch aus einer Zeit
her, wo die Kenntnis über künstlerische, spe-
ziell über architektonische Dinge gleich Null
war. Kugler, Schnaase, Lübke haben eine völ-
lig »neue Ära« geschaffen. Während jetzt je-
der aus Rund- oder Spitzbogen, aus Tonnen-
oder Kreuzgewölbe den Stil und das Jahrhun-
dert einer Kirche leidlich
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