Wanderungen II. Das Oderland.
ein alter Spaten, um Wurzeln auszugraben, und an der obersten Karrensprosse hängt ein Korb, drin er die fleischfarbenen Reizker und die gelben Pfefferlinge sammelt, die ihm sein gutes Glück als Zugabe beschert.
Der Alte selbst trägt Strohhut und Leinwandjacke und zeigt nichts Auffälliges als das Fehlen jeder Spur von Oberlippe. Mittlerweile hab ich ihm guten Tag geboten und frag ihn, ob er aus Prenden sei.
»Joa, ick bin ut Pren'n.«
»Ist es noch weit, Papa?«
»Nei, jlieks wenn Se 'rutkomen. Awers sehen künn'n Se nich; 't liggt in 'n Grunn.«
»Und ist ein Krug da?«
»Joa, twee. Een jlieks hier vöhrnan, wo Sparren sin Slott stunn.«
»Noch was zu sehen?«
»Veel nich. As ick in 't Dörp käm (ick bin nich bührtig von Pren'n), doa stunn noch veel. Awers nu nich mihr. Ick hebb mien'n Zickenstall von Oll-Sparren sin Slott bu't.«
»Und erzählen sich noch die Leute von ihm?«
»Joa, se vertellen noch veel. Un mine Fru seggt immer, de grote Steen, dicht an unsern Tuun, dat wihr Sparren sien Steen. Un vördem, so meent se, sinn ook vier iserne Krampen anwest, un an jede Kramp wihr wedder ne iserne Kett un an jede Kett een von Oll-Sparren sine Skloaven. Un ook en Linnenboom wihr doa. Awers nu is de Linn' wech, un de Krampen sinn ooch wech. Man bloot den groten Steen, den hebben se liggenloaten. He mücht wol en beeten to sweer sinn.«
»Sonst nichts, Papa?«
»Duch, duch. Se vertellen noch allerhann anner dumm Tüüch un dohn joa binah, as wenn he de Düwel selber west wihr. Se seggen, he föhr nich giern dörch 'n Sann, un wenn he sinen Mantel antrecken deih, denn wihr et mit eens as en groten Winn, un Kutsch un Pierd un allens geng heidi dörch de Luft. Mal eens verluhr sien Kutscher sien' Pietsch un wull sich büggen. Awers Oll-Sparr heel' em von hinnen her fast un seggte man bloot: ›Vergett nich, mien Söhn, wo du bist.‹ Un as de Kutscher den annern Dag durch Biesenthal torüggföhr, doa seech he, dat sien' Pietsch an 'n Biesenthalschen Kirchturm hängen deih. Awers ick glöv et nich. Ick bin nich bührtig vunn Pren'n.«
»Ich glaub es auch nicht, aber man kann doch nicht wissen.«
»Nei. weeten kann man't nich. Un se seggen ook, he spökt in dissen Wald, hier so rümmer. Un ick hebb ook all so watt hührt, as wie Pietschenknalln un Pruhsten un as ob een' vunn wiet aff lachen deih. Nei, weeten kann man't nich.«
»Adieu, Papa, und seht Euch vor.«
»Wovor?«
»Vor 'm alten Sparr.«
Er lachte und rief mir nach: »Nei, nei, de Sünn is joa noch an 'n Heben. Un he kümmt nich an helln lichten Dag.« 1)
Es war, wie der Alte gesagt hatte, Prenden versteckte sich. Aber in einiger Entfernung drehte sich eine Mühle langsam im Winde. Dort mußt es sein.
Und dort war es wirklich. Kaum daß ich die Mühle passiert hatte, so stand ich abermals an einem jener vielen Taleinschnitte, die hier das Hügelland durchziehen, und sah, über die Kronen der unten stehenden Bäume hinweg, in Dorf Prenden hinein. Ich werde dieses Anblicks nicht leicht vergessen. Nach rechts hin dehnte sich ein stiller, graublauer See mit breitem Sandufer, während sich zur Linken ein durch Gartenland und bestellte Äcker hinplätscherndes Fließ in Wald und Wiese verlor. Dazwischen aber – dem Lauf des Tales nicht folgend, sondern die Längslinie desselben quer durchschneidend – lag das Dorf, auf seinen zwei höchsten Punkten Schloß und Kirche tragend.
Die bunten Farben eines Herbsttages steigerten noch den Reiz des Bildes.
Ich durchschritt das Dorf, um zuerst die jenseits gelegene Kirche nach ihren etwaigen Schätzen zu durchforschen. Konnte nicht Edell Sparr ein Marmordenkmal im hohen Chor oder Emerentia von Seestedt einen Denkstein vor dem Altar haben? Die Hoffnung war gerechtfertigt, aber sie blieb unerfüllt, und ich habe selten einen freudloseren Platz betreten. Malerisch hatte mich die Kirche von der andern Seite des Hügels aus gegrüßt, nun erst sah ich, daß alles nicht viel andres als eine Landschaftscoulisse gewesen war. Das Innere kahl, der Kirchhof verödet und kein Andenken erfindbar als das eine , das sich der Feldmarschall selber gestiftet: zwei schöne Glocken , deren Inschriften unter einer Kruste von Schwalbenguano meiner Entzifferungskunst spotteten.
Und so hatt ich denn Einblick in eine Kirche getan, deren gesamter Kunstschmuck ein zerbrochener Rest eines Altarschnitzwerks und deren historisches Glanzstück, außer den zwei Glocken, eine vereinzelte Kriegsdenkmünze vom Jahre 1813 war.
Ich war
Weitere Kostenlose Bücher