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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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schreibst. Es ist eine ganz fatale Empfindung, wenn alle Tage der Postbote einläuft und die Austeilung der Briefe im Salon geschieht und für einen jeden etwas da ist und für den Herrn von Chamisso – nischt niche!
    ... Ich kratze immer an meinem ›Schlagschatten‹, und, wenn ich's Dir gestehen muß, lache und fürchte ich mich manchmal darüber, sowie ich daran schreibe – wenn die andern nur für mich nicht darüber gähnen. Mein viel gefürchtetes viertes Kapitel habe ich mir, nach vielem Kauen, gestern aus einem Stücke, wie eine Offenbarung, aus der Seele geschnitten und heute abgeschrieben. Es ist auch schon eher Morgen als Nacht, darum ade. Das Blitz-Prosa-Schreiben wird mir ungeheuer sauer, mein Brouillon sieht toller aus als alle Verse, die ich je gemacht.«
     
    Bald nach diesem Briefe scheint Chamisso nach Berlin zurückgekehrt zu sein. Es wird zwar in Kunersdorf erzählt, er habe sich zunächst nach Nennhausen hin, zu Fouqué, auf den Weg gemacht, um diesem seinen »Schlemihl« vorzulesen; es liegen aber doch wohl Monate dazwischen, da, wie wir aus dem letztzitierten Briefe ersehen, bis etwa Mitte Oktober erst vier Kapitel von elf beendigt waren. Übrigens stand Fouqué damals auch wohl im Felde.
     
    So waren die Erlebnisse von Schloß Kunersdorf, so waren die Personen, die, während eines halben Jahrhunderts und darüber, dort kamen und gingen.
    Wir durchschreiten jetzt zunächst die Zimmer und Säle des Erdgeschosses und verweilen vor älteren und neueren Familienportraits von zum Teil künstlerischem Interesse. Die Aufzeichnung dieser Bilder aber für eine andere Gelegenheit vertagend, wenden wir uns nunmehr dem im obern Stockwerk gelegenen Bibliothekzimmer zu, wo wir zunächst den Bildnissen derer begegnen, die einst Freunde des Kunersdorfer Hauses waren: Thaer, Wildenow, Alexander von Humboldt, Reil etc. Was aber unser Interesse lebhafter in Anspruch nimmt, das ist ein großer pultartiger Schrank, der in seinen verschiedenen Kästen und Fächern alles das umschließt, was sich auf den Generalmajor von Lestwitz bezieht. Das ganze Arrangement erinnert mehr oder weniger an die großen Glaskästen, in denen man in England (im Britischen Museum, im Greenwich-Hospital, in Abbotsford etc.) allerhand Erinnerungsstücke an historische Persönlichkeiten, zum Beispiel an Nelson, Walter Scott oder Sir John Franklin, auszustellen pflegt. Auch unsere »Kunstkammer« hat ähnliches.
    In diesem Lestwitz-Schranke, dessen oberer Teil aus ebensolchem Glaskasten besteht, befinden sich folgende Gegenstände:
    1. Die beiden Degen des Generalmajors von Lestwitz, jeder mit drahtumsponnenem Griff und einfacher Lederscheide.
    2. Der Schlachtplan von Torgau (»der Lestwitz-Tag«), groß und in sauberster Ausführung. Dazu: »Ausführlicher Bericht, wie die merkwürdige Schlacht bei Süptitz, ohnweit Torgau, am 3. November 1760 geschehen ist. Leipzig, bei Christian Gottlieb Hilscher«.
    3. Karten und Manöverpläne, die der Generalmajor von Lestwitz selbst gebraucht.
    4. Karten, die auf den Siebenjährigen Krieg Bezug haben, bis 1763.
    5. Militärische Pläne und Karten seit 1763.
    Alle unter 3, 4 und 5 angeführten Karten und Pläne befinden sich in großen Mappen und sind zum Teil für den Lestwitzschen Privatgebrauch gezeichnet und getuscht, teils im Buchhandel erschienen. Bei den letztern lesen wir abwechselnd: »Zu finden in Johann Jakob Korns Buchhandlung in Breslau« oder »Gestochen von Glaßbach in Berlin«.
    In demselben Schranke finden wir noch ein anderes historisches Wertstück, das freilich nicht mehr der Lestwitz-Zeit angehört, sondern vom Grafen Peter Alexander von Itzenplitz, von Groß Behnitz im Havellande her, mit nach Kunersdorf gebracht wurde. Es ist dies
    6. der Flötenkasten Friedrichs des Großen , den – bald nach dem Tode des großen Königs – Friedrich Wilhelm II. an seinen Minister Wöllner zum Geschenk machte. Der Minister Wöllner war mit einer Groß Behnitzer Itzenplitz vermählt, wodurch dies historische Wertstück (da das Wöllnersche Paar kinderlos starb) in die Itzenplitzsche Familie kam.
    Es ist ein weißer, in der geschmackvollsten Weise mit Rosen, Erdbeeren und allerlei Blumenguirlanden bemalter Porzellankasten von etwa fünf Zoll Höhe bei sieben Zoll Breite und elf Zoll Länge. In diesem Kasten, der zwei Etagen hat und mit rotem Samt ausgeschlagen ist, liegt die Ebenholzflöte des Königs. Sie besteht aus acht Stücken: einem Mundstück, einem Klappenstück und sechs

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