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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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alles auf. Ein Höcker, physisch oder moralisch, war gleichgültig, wenn es nur ein Äsop war, der ihn trug. Ein brennender Durst erfüllte die Geister, und wer diesen Durst stillte, der war willkommen. Es hätte für Vorurteil, für kleinlich und altfränkisch gegolten, moralische Bedenken zu unterhalten. Erst der Kriegssturm reinigte wieder die Atmosphäre.
    Die Gestalt des Prinzen Louis Ferdinand wird immer jene Zeit hoher Vorzüge und glänzender Verirrungen wie auf einen Schlag charakterisieren. Alexander von der Marwitz war ihm ähnlich. Der Unterschied zwischen beiden war nur der, daß die Genußsucht des Prinzen seinen Charakter schließlich beeinflußte und schädigte, während Marwitz, in wunderbarer Weise, eine getrennte Wirtschaft, eine doppelte Ökonomie zu führen verstand. Das Bedürfnis geistiger Nahrung war allerdings so groß in ihm, daß er, wie sein älterer Bruder von ihm erzählt, ohne geistige Gesellschaft nicht leben konnte und selbst zum Studieren und Arbeiten durch entsprechenden Umgang angeregt werden mußte. Er schreckte dabei vor »alten Schläuchen« nicht zurück, wenn es nur eben ein alter, feuriger Wein war, den sie boten. Aber alles dies blieb bei ihm lediglich Sache der Zerstreuung, des Studiums, des Kennenlernenwollens. Die geistigen Anregungen, sobald sie eines gesunden Kernes entbehrten, waren ihm wie der Genuß eines berauschenden Getränkes, aber auch nicht mehr. Sie gewannen nicht Einfluß auf seine Überzeugungen, am allerwenigsten auf seine Haltung und Führung. Das Gemeine blieb machtlos über ihn, und so ging er durchs Leben wie gefeit durch den Adel seiner Gesinnung.
    Zu diesen Bemerkungen, die darauf aus sind, die Gesamterscheinung Alexanders von der Marwitz ins Auge zu fassen, glaubte ich gleich anfangs schreiten zu dürfen, und der Name Johann von Müllers bot die beste Gelegenheit dazu. Ebendieser war die vollendete Vereinigung von geistiger Kraft und Charakterschwäche, von hohem Erkennen und niederem Handeln. Marwitz übersah in Milde, was ihm nicht paßte, und bewunderte, was ihm der Bewunderung wert erschien. Auch die Antipathien des älteren Bruders, wie bereits hervorgehoben, störten ihn hierin nicht.
    Um Ostern 1804 verließ er das Graue Kloster und bezog die Universität Frankfurt, um daselbst die Rechte zu studieren. In dem bereits zitierten Schulprogramm des genannten Jahres heißt es: »Alexander von der Marwitz bildete bei uns seine glücklichen Naturanlagen mit rühmlichem Fleiße aus und empfahl sich durch ein feines und anspruchloses Betragen. Er hat in den meisten Fächern des Unterrichts, besonders in der alten Literatur, glückliche und ausgezeichnete Fortschritte gemacht.« Er blieb nur ein Jahr in Frankfurt, dessen Stern sich damals bereits im Niedergange befand. Halle lockte ihn, und in Halle vor allem der Name Wolfs. Johann von Müller schrieb an den letzteren: »Diesen Gruß bringt Ihnen Alexander von der Marwitz. Ich brauche ihn nicht zu empfehlen, weil Sie selbst bald sehen werden, wieviel in ihm ist.«
    Mit immer wachsendem Eifer ging er hier an das Studium der Alten; daneben beschäftigten ihn Geschichte und Philosophie, und wie er zwei Jahre zuvor unter den Schülern des Grauen Klosters der tonangebende gewesen war, so arbeitete er sich auch hier zu gleichem Ansehen durch. Die Kommilitonen weder meidend noch suchend, immer er selbst, ernst ohne Hochmut, freundlich ohne Vertraulichkeit, so beherrschte er sie, gleich angesehen an Wissen wie an Charakter. Diese Herrschaft war das natürliche und deshalb unvermeidliche Resultat seiner Überlegenheit; dennoch beklagte sein älterer Bruder in späteren Jahren diese frühen und unbedingten Erfolge, die zuletzt ein Hochgefühl des eigenen Wertes großzogen, das schwindlig machte.
    In Halle war Marwitz anderthalb Jahre. Kurz vor der Jenaer Schlacht verließ er die Universität und begab sich nach Friedersdorf, um in Abwesenheit des älteren Bruders, der, wie wir wissen, als Adjutant des Prinzen Hohenlohe wieder in die Armee getreten war, die Verwaltung des Guts zu übernehmen. Mit der Kraft und raschen Umsicht, die ihm überall, damals wie später, zu Gebote stand, auch wo es die praktische Seite des Lebens galt, griff er in die Wirtschaftsführung ein, und ohne jemals vorher sich um landwirtschaftliche Dinge im geringsten gekümmert zu haben, übersah er die Verhältnisse sofort und setzte später den heimkehrenden Bruder durch die Ordnung, die dieser vorfand, in Erstaunen. Seine

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