Wanderungen II. Das Oderland.
bedenken Sie, daß mir Provinzen fehlen, daß andere verwüstet sind; denken Sie an die enormen Anstrengungen, die ich machen muß, und Sie werden einsehen, daß meine Ablehnung nur in der völligen Unfähigkeit ihren Grund hat, Ihnen zu helfen. Sobald die Dinge sich ändern, soll geschehen, was möglich ist.«
Ja, er geht schließlich weiter und bewilligt wirklich eine Summe zu einem Betrage, der nicht genannt wird, dessen Unzureichendheit aber sich mutmaßen läßt, denn die Anfangsworte des Begleitschreibens lauten: »Es tut mir aufrichtig leid, Madame, weder so viel tun zu können, wie ich möchte, noch so viel, wie Sie wünschen. Aber ich habe Ordre gegeben« etc.
Dies sind die letzten Zeilen, die Friedrich nach Tamsel hin richtete. Sie zeigen, wie diese letzten Briefe überhaupt, daß er auch unter den pressendsten Verhältnissen nie vergaß, was er diesem Hause und dieser Frau an Dankbarkeit schuldig war. Er hätte sonst einen ganz andern Ton angeschlagen. Frau von Wreech indes scheint anders empfunden und bis zuletzt die Vorstellung unterhalten zu haben, daß des Königs Benehmen hart überhaupt und speziell hart gegen sie , die Genossin, die Freundin seiner Jugend, gewesen sei.
Der Friede kam, das verwüstete Tamsel blühte wieder auf, der alte Feldmarschall mit seinen roten Gamaschen hing wieder an der boisierten Wand, und der Park, schöner werdend von Jahr zu Jahr, füllte sich mit Marmorstatuen. Dem Ruhme des Prinzen Heinrich wurden Tafeln und Obelisken errichtet, jedem einzelnen aus dem Hause der Hohenzollern fiel eine Huldigung zu. Nur dem Größten nicht. Kein Stein, keine Tafel trug damals den Namen König Friedrichs. Hier , wo er glücklich gewesen war und vielleicht auch glücklich gemacht hatte, sollte sein Name vergessen sein.
Aber die Zeiten üben Gerechtigkeit. Im Sommer 1795 wurde der jüngste Sohn der schönen Frau von Wreech, zugleich der letzte seines Stammes, in die Kirchengruft hinabgesenkt, und andere Bewohner zogen in Schloß Tamsel ein, andere, die lächeln mochten über den Unmut, der sich unterfangen hatte, den Namen des großen Königs von dieser Stelle ausschließen zu wollen.
Am 31. Mai 1840, am hundertjährigen Jahrestage der Thronbesteigung Friedrichs II., fiel die Hülle von dem Monumente, das Graf Hermann Schwerin dem Andenken des Königs im Tamsler Parke hatte errichten lassen. Es ist ein Denkstein von dreißig Fuß Höhe. Auf der Spitze desselben erhebt sich eine vergoldete Viktoria , während der Sockel die Inschrift trägt: »Es ist ein köstlich Ding einem Manne, daß er das Joch in seiner Jugend trage.«
Unter Beteiligung vieler Tausende aus Dorf und Stadt wurde die Enthüllungsfeier begangen. Ein alter Bauer, als er die Hüllen fallen sah, rief seinem Nachbar zu: »Ick dacht, et süll de Olle Fritz sinn, un nu is et sine Fru.«
Der alte Bauer hatte die Wahrheit gesprochen. Waren doch Viktoria und Friedrich immer zu treuem Bunde vereint gewesen. Die Hohenzollern aber, mögen sie nie aufhören, in gleicher Art dem Siege vermählt zu sein.
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Alexander von der Marwitz
Du hoffst umsonst vom Meere,
Vom Weltgetümmel Ruh;
Selbst Lorbeer, Ruhm und Ehre
Heilt keine Wunden zu .
Waiblinger
Blühend blieb mir im Gedächtnis
Diese schlanke Heldenblume;
Nie vergeß ich dieses schöne
Träumerische Jünglingsantlitz.
H. Heine
Alexander von der Marwitz war der jüngere Bruder des Generallieutenants Ludwig von der Marwitz, dessen Leben und Charakter ich im vorhergehenden Kapitel zu schildern versucht habe. Der Anfang dieses Jahrhunderts war eine Epoche der Dioskuren, der glänzenden Brüderpaare: die beiden Humboldt, die beiden Schlegel, die beiden Tieck, die beiden Bülow – zu ihnen gesellten sich die beiden Marwitz. Beide Brüder waren von verwandter Naturanlage, von gleichem Temperament; beider Herz war groß und hatte jenen hohen Vollschlag, der die Freiheit bedeutet.
Sie hatten eine verwandte Naturanlage, so sagt ich, aber sie waren doch verschieden. Wie ein Adler war der ältere Bruder. Himmel und Einsamkeit um sich her, sah er auf die irdischen Dinge wie auf etwas Fremdes herab, wie auf das Treiben eines Lagers, das morgen abgebrochen wird; Ziel und Heimat lagen ihm über der Welt, nicht auf ihr. Anders der jüngere Bruder. Einem gezähmten Falken glich er, und früh an die Menschenwelt gewöhnt, blieb er in Zwiespalt, wo seine Heimat sei: ob hinter Gitterstäben, wo die schöne Hand der Herrin ihm Spielzeug und Schmeichelworte reichte,
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