Wanderungen II. Das Oderland.
diesem Orte doppelt trifft, richtet er noch einmal einige Zeilen an die schöne Frau. Keine Verse sind eingeschlossen, aber ein Besseres hat er sich in der Schule des Lebens erobert – ein echtes Gefühl. Der Brief selbst aber lautet:
»Madame! Ich habe mich nach der Schlacht vom 25. hierher begeben und eine volle Zerstörung an diesem Orte vorgefunden. Sie mögen versichert sein, daß ich alles nur Mögliche tun werde, um zu retten, was noch zu retten ist. Meine Armee hat sich genötigt gesehen, hier in Tamsel zu fouragieren, und wenn freilich die verdrießliche Lage, in der ich mich befinde, es ganz unmöglich macht, für all den Schaden aufzukommen, den die Feinde ( vor mir) hier angerichtet haben, so will ich wenigstens nicht, daß von mir es heiße, ich hätte zum Ruin von Personen beigetragen, denen gegenüber ich die Pflicht, sie glücklich zu machen, in einem besonderen Grade empfinde. Ich halte es für möglich, daß es Ihnen selbst, Madame, eben jetzt am Notwendigsten gebricht, und diese Erwägung ist es, die mich bestimmt, auf der Stelle die Vergütigung alles dessen anzuordnen, was unsere Fouragierungen Ihnen gekostet haben. Ich hoffe, daß Sie diese Auszeichnung als ein Zeichen jener Wertschätzung entgegennehmen werden, in der ich verharre als Ihr wohlgewogener Freund Friedrich.«
Frau von Wreech empfing diesen Brief am selben Tage noch, woraus sich schließen läßt, daß sie auf einem der benachbarten Güter Zuflucht gesucht hatte, denn dem Briefe sind von der Hand der Empfängerin die Worte hinzugefügt: »Empfangen am 30. August 1758, in demselben Jahre, in dem ich alles verlor, das ich mein nannte« – oder, wie es im Originale heißt: »L'année où j'ai perdu tout ce que j'avais dans le monde pour vivre.«
Diese Worte der Frau von Wreech sind charakteristischer, als sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Der Brief des Königs hatte zweifellos den Zweck, ein Trostbrief zu sein; der Ausdruck seiner Teilnahme, zugleich die Zusage, für alles aufkommen zu wollen, was die Verpflegung seiner Truppen gekostet hatte, alles das bezeugt genugsam, daß er aufzurichten wünschte, tatsächlich, aber auch in Worten. Frau von Wreech indessen, unberührt von dem schönen Inhalte des Briefes, scheint nur dem einen bitteren und niederdrückenden Gedanken gelebt zu haben: Ich war reich und bin nun arm; ich konnte geben und helfen und bin nun selber hülfebedürftig.
Es würde gewagt sein, aus der kurzen Notiz: » das Jahr, in dem ich alles verlor, was ich mein nannte«, so weitgehende Schlüsse auf die damalige Stimmung der Frau von Wreech zu ziehen, wenn nicht die Korrespondenz, die sich von jenem 30. August an zwischen Jugendfreund und Jugendfreundin entspann, keinen Zweifel darüber ließe, von welchen Empfindungen das Herz der freilich schwer heimgesuchten Frau damals ausschließlich erfüllt wurde. Und wenn die Jugendbriefe des Kronprinzen uns mehr mit der Empfängerin in Tamsel als mit dem Küstriner Verfasser sympathisieren ließen, so wendet sich jetzt das Blatt, und der König kommt zu seinem Recht .
Auch auf diese zweite Korrespondenz werfen wir noch einen flüchtigen Blick. Sie besteht nur aus fünf Briefen, und diese wirken neben der Jugendkorrespondenz wie die Billets eines sich mit Anstand zurückziehenden Ehemanns neben dem Briefpäckchen, das er als Bräutigam geschrieben. Aber sie verlieren dadurch nichts von ihrem Wert. Im Gegenteil. Von verschiedenen Punkten aus datiert, wohin der Krieg den schwerbedrängten König gerade rief, von Dresden, Breslau, Leipzig aus, gereicht jeder einzelne dem Schreiber zu hoher Ehre. Aus ihrem Inhalt ergibt sich, daß Frau von Wreech nicht müde wurde, den König erst um Unterstützung für die verarmten Bauern der Wreechschen Güter, dann um Darlehne für sich selbst zu bitten. Diese Gesuche waren sicherlich dazu angetan, die Geduld des Königs zu erschöpfen, der zum Beispiel einen dieser Briefe kurz nach dem schwer erkauften Siege von Torgau, will also sagen in einem Augenblick empfing, wo die halbe Monarchie ziemlich ebenso verwüstet war wie die Güter der Frau von Wreech; aber seine Antworten zeigen nirgends Ungeduld oder jenen herben Ton, durch den er so schwer verletzen konnte, und selbst da, wo er auf das bestimmteste ablehnt, lehnt er nur ab, weil er muß . Er schreibt eigenhändig von Breslau aus:
»Madame, Sie stellen sich die Dinge sehr anders vor, als sie sind. Bedenken Sie, daß ich seit einem Jahre weder Gehalte noch Pensionen zahle;
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