Wanderungen II. Das Oderland.
gereicht dem Parke jederzeit zu einer besonderen Zierde; seinen schönsten Moment aber hatte dasselbe wohl, als in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 1861 König Wilhelm I., von seiner Krönung in Königsberg zurückkehrend, im Eilzuge an Tamsel und seinem Park vorüberfuhr. Signale, vom Eisenbahndamm aus, wurden gegeben, und in demselben Augenblick, in dem der Zug an der Parklichtung vorüberglitt strahlte das Viktoriabild des Obelisken in rotem Feuer. Dahinter stieg das Schloß in scharf gezeichnetem Umriß auf. Aber einen Moment nur. Dann sank alles wieder in Nacht. ._.
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»Mit mir wird es besser. Zwar will mir das Herz noch zuweilen erkranken, aber ich gebiete ihm Ruhe. Wille und Tätigkeit bändigen es. Machen Sie sich meinetwegen keinen Kummer. Untergehen kann ich, aber mir zum Ekel, andern zur Last leben, das kann ich nicht . Und das ist doch noch sehr glücklich. Ich habe in dieser Zeit zuweilen an den Selbstmord gedacht, aber immer ist er mir vorgekommen wie eine versuchte Roheit.«
»Ich bin bis jetzt hier geblieben, teure Rahel, und hatte vor, noch einen Monat hier zu bleiben, weil, ungeachtet der Gespenster, die in meinem Innern herumwandeln, doch eigentlich der Körper durch Landluft gedeiht und ich jene durch Tätigkeit zu verscheuchen hoffte. Aber ich traue nicht mehr, denn gesunder bin ich zwar, aber nicht weniger reizbar. Ein einziger Moment kann mich dahin zurückwerfen, wo ich war, und was am Ende aus dem finstern Brüten werden kann, übersehe ich nicht. Nun sehe ich zwei Auswege. Der eine ist, mit Ihnen nach Teplitz zu gehen (unbeschreiblich reizend), der andere ist eine Reise nach England und von dort aus weiter nach Spanien, wo ich Dienste nehmen kann. Wäre es so unrecht, die Kraft der südlichen Sonne an mir zu prüfen?«
Diese Bruchstücke zeigen zur Genüge, daß er unmittelbar vor seinem Abgange aus Berlin einen Entschluß gefaßt hatte. Er will den Anblick fliehen, der so viele Gefahren in sich birgt; darum dehnt er auch den Aufenthalt in Friedersdorf aus. Er will nicht nach Berlin zurück, denn »er traut sich selbst nicht und fürchtet, daß er dahin zurückgeworfen werden könne, wo er war«. Er bangt vor der Möglichkeit neuen Brütens, neu aufsteigender Gespenster, und er will fort, weit fort – nach Spanien. Er will Dienste nehmen und das Notwendige und Nützliche zugleich erfüllen, notwendig ihm allein, aber nützlich der Allgemeinheit, der guten Sache.
Rahels Antworten indessen halten ihn in der Heimat fest und führen ihn endlich aus seiner Friedersdorfer Verbannung wieder in die Welt zurück. »Sie dürfen nicht vereinsamen. In Friedersdorf ist keine Gesellschaft für Sie, und die müssen Sie haben, lebendigen, alles anregenden Umgang. Sie gehen da in Ihren eigenen Stimmungen wie in einem Zauberwald umher und werden bald nichts mehr vernehmen können.«
Zuletzt hat er überwunden, und er schreibt, frühere Briefworte Rahels in seiner Antwort wiederholend: »›Leben, lieben, studieren, fleißig sein, heiraten, wenn's so kommt, jede Kleinigkeit recht und lebendig machen, dies ist immer gelebt, und dies wehrt niemand‹;... Ja, Sie haben recht, liebe Rahel. Ja, ich weiß das jetzt . Fernab sind mir jetzt alle Träume von Heldengröße und äußerer Bedeutsamkeit; führt mich das Schicksal dahin, wo ich in großen Kreisen zu wirken habe, so will ich auch das können, aber meine Hoffnungen, meine Pläne sind nicht darauf gestellt. Ich klage auch nicht länger über die Zeit; ganz dumm ist, wer das tut. Wem das Herrliche im Gemüt gegeben ist, dem wird alle Zeit herrlich.«
Beinahe gleichzeitig mit diesem Briefe sehen wir Marwitz nach Berlin zurückkehren, und ein neues, klareres Leben beginnt. Es ist plötzlich, als habe der Most ausgegoren. Viele Ideale sind hin, aber das Schillersche Trostwort: »Beschäftigung, die nie ermattet«, wird auch ein Trostwort für ihn. Ernst, Arbeit nehmen von ihm Besitz, das wirkliche Leben, wie es ist, wohl oder übel, ist plötzlich für ihn da, er stellt sich zu demselben und tritt, mitwirkend, mitstrebend an dem Nächstliegenden, in dieses wirkliche Leben ein.
Er übersiedelte nach Potsdam, um bei der dortigen Regierung als Hülfsarbeiter einzutreten. Zugleich beschäftigten ihn Vorarbeiten zu einem juristischen oder kameralistischen Examen, das er noch zu absolvieren hatte. Es heißt, als er einige Monate später wirklich an die Absolvierung desselben ging, hätten die Examinatoren offen erklärt, »daß es sich bei dem
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