Wanderungen II. Das Oderland.
ließ seine Willfährigkeit nichts zu wünschen übrig, und gemeinschaftlich anfassend, ward an der sonnigsten Stelle des Gartens ein Kaffeeplatz ohne Zwang und Mühe arrangiert. Die Zusammensetzung geschah aus den üblichen Requisiten: einem weißgestrichenen Tisch mit einem Riß in der Mitte und einem Stuhl mit bereits schräg gedrückter Lehne.
Der Kaffee kam, die Sonne labte uns, alles war frisch und erquicklich; nur eines ging wie ein Schatten über das heitre Bild: der Kellner stand wie angewurzelt an unserem Tisch. Ich hätt ihn wegschicken können, aber auch das erschien mir untunlich. Es war ersichtlich, er sehnte sich nach dem süßen Laut menschlicher Stimme, einer Stimme, die ihn vergewissern konnte: »Kroll lebt noch, und das Odeum ist kein leerer Wahn.« Ich ließ ihn also stehen und führte eine jener Unterhaltungen, die man im Lauf der Jahre, ohne Wissen und Wollen, führen lernt und die, einen gewissen öden Mittelkurs innehaltend, dem Angeredeten das Recht gönnen, weiterzusprechen, aber zugleich durchklingen lassen: er täte besser, auf dieses Recht zu verzichten. Dieser Verzicht trat auch endlich ein, und ich war allein.
Ich hatte einen prächtigen Platz inne, der Zufall war mir günstig gewesen, und dem sogenannten Kapellenberg, der das Tal schließt, den Rücken zukehrend, überblickte ich die ganze Anlage des Brunnens: den Park, die Gartenpartien, die Baulichkeiten. Diese Baulichkeiten, neuerer Anfügungen zu geschweigen, gehören drei verschiedenen Regierungszeiten an und werden danach genannt. Man unterscheidet bis diesen Tag einen kurfürstlichen, einen altköniglichen und einen neuköniglichen Flügel. An Schönheit lassen alle drei gleichviel zu wünschen übrig; die »Kolonnade« jedoch, die sich, unserer ehemaligen Stechbahn nicht unähnlich, unter diesen Flügeln hinzieht, gibt, neben manchem andern, dem Ganzen einen aparten und zugleich gemütlichen Charakter und veranschaulicht uns auf einen Blick die Geschichte der verschiedenen Epochen des Bades überhaupt.
Diese Geschichte ist in kurzem die folgende.
Wann zuerst des Bades Erwähnung geschieht, ist nicht mit voller Gewißheit festzustellen. Leonhart Thurneysser, der bekannte Alchimist, schrieb zwar schon um 1572: »Zwischen Freienwalde und Neustadt, am Gebirge, ist ein Flüßlein, das führt Rubinlein mit sich, gar klein, aber schön an Farbe« – es bleibt indessen zweifelhaft, ob unter diesem Flüßlein das Quellgewässer des Freienwalder Gesundbrunnens zu verstehen ist. Wenigstens fehlen jetzt die »Rubinlein«, die kleinen wie die großen.
Es scheint, daß man in alten Zeiten die Quelle einfach in die Talschlucht ausströmen und ihren Weg sich suchen ließ. Nur bei den armen Leuten der Nachbarschaft genoß der »Brunnen« schon damals eines gewissen Ansehns, und man trank ihn als ein bewährtes Mittel gegen hartnäckige Fieber. Was dabei wirksam war, ist schwer zu sagen. Auch Augenkranke kamen. Sie legten von dem braunen Ockerschlamm auf das Auge und sahen nach kurzer Zeit wieder klarer und besser. Schwerlich war es der braune Eisenschlamm als solcher, der so vorteilhaft wirkte, vielmehr die anhaftende Flüssigkeit, die Eisenvitriol enthielt. Gehört doch der Zinkvitriol (eine Art Geschwisterkind des obengenannten Eisensalzes) bis diese Stunde noch zu den bevorzugten Mitteln der Augenheilkunde.
Jedenfalls war der Ruf und Ruhm des Freienwalder Quells allerlokalster Natur, bis 1684 die Kunde nach Berlin und bis in das kurfürstliche Schloß drang, daß in Freienwalde ein »mineralisches Wasser« entdeckt worden sei. Einige mit Fieber und Lähmung Behaftete seien gesund geworden. Der Kurfürst, bereits in seinen alten Tagen und von der Gicht schwer geplagt, schöpfte Hoffnung, daß ihm vielleicht das eigne Land gewähren möchte, was ihm so viele fremde Heilquellen bis dahin versagt hatten, und er schickte seinen Kammerdiener und Chemikus, den als Entdecker des Phosphors berühmt gewordenen Kunckel, nach Freienwalde, um sich von der mineralischen Kraft des neu entdeckten Quells zu überzeugen. Der Bericht lautete günstig, und noch im selben Jahre trafen der Kurfürst und seine Gemahlin als erste Brunnengäste im Bade zu Freienwalde ein.
Nun brachen glänzende Tage an. Der Ruf von der Heilkraft des Brunnens verbreitete sich bis in ferne Gegenden, und im nächsten Jahre, 1685, fanden sich 1500 Gäste in Freienwalde zusammen. Freilich waren es nicht samt und sonders Brunnengäste . »Der Kurfürst, der auch in diesem Jahre
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