Wanderungen II. Das Oderland.
eigens in Huldigung gegen denjenigen ausführte, in dem die Idee der »großen Blauen« zuerst gedämmert und gelegentlich Gestalt gewonnen hatte.
Fassen wir den Charakter unseres Feldmarschalls ins Auge, so finden wir: er war tapfer, soldatisch, spezifisch deutsch, antifranzösisch (auch hierin ein Vorläufer Friedrich Wilhelms I.), habsüchtig, aber unbestechlich, rechthaberisch, aber nicht ungerecht, in Intriguen verwickelt, aber nicht eigentlich intrigant.
Wir betrachten ihn zuerst in seinen soldatischen, dann in seinen hofmännischen Qualitäten. Als Soldat – ohne ihn überschätzen zu wollen – erhob er sich, trotzdem er immer der Mann blieb, der von der Pike auf gedient hatte, weit über die Klasse derer, die, auf den Befehl eines Vorgesetzten hin, ihre Truppe prompt ins Feuer zu führen verstehen. Hätte seine militärische Laufbahn mit der Erstürmung Ofens abgeschlossen, so würd er einfach einer jener »braven Soldaten« gewesen sein, wie deren unsere Kriegsgeschichte so viele aufzuweisen hat; sein zweimaliges und jedesmal entscheidendes Eingreifen in die Schlacht bei Szlankamen aber zeigt ihn uns allerdings als einen Soldaten von höherer Beanlagung. Beide Male handelte er selbständig und folgte nur seiner persönlichen Erkenntnis dessen, was der gegebene Moment erheischte. Sein Blick und sein Charakter bewährten sich dabei gleichmäßig. Er erkannte, was not tat, und hatte den Mut, das als richtig Erkannte auf eigne Verantwortung hin auszuführen. Dieser Blick und dieser Mut gehören schon zu den selteneren Gaben.
Was ihm andererseits fehlte, das erkennen wir am besten, wenn wir sein militärisches Auftreten mit dem seines Nebenbuhlers Schöning vergleichen. Schöning, wiewohl es ihm versagt blieb, in wirklich großen Verhältnissen zu wirken, geht dennoch, sooft er auftritt, jedesmal über das Alltägliche hinaus. Nicht zufrieden damit, den Moment zu begreifen, begreift er die Situation überhaupt. Es genügt ihm nicht, ein Nächstliegendes zu tun oder zu berechnen, sondern die Rücksicht auf das Ganze bestimmt seine Haltung. Am lehrreichsten nach dieser Seite hin ist sein Auftreten vor Ofen. Kaum auf den Höhen erschienen, kaum begrüßt von dem großen Christenheere, das in weitem Halbkreise die Festung umlagerte, rückte Schöning klingenden Spieles vor, und jede Deckung oder Vorsichtsmaßregel verschmähend, brachte er sich auf einen Schlag in Linie mit der Belagerungsarmee. Der ungedeckte Vormarsch kostete Opfer, und das ganze Manöver, glänzend, wie es war, fand nichtsdestoweniger lebhaften Tadel. Sogar bei den Brandenburgern selbst, von denen es als Rodomontade bezeichnet wurde. Dennoch hatte Schöning recht. Immer das Ganze ins Auge fassend, sagte er sich, daß er der allgemeinen Sache, mindestens aber der Sache seines Kurfürsten, durch etwas Eklatantes am besten diene. Und seine Berechnung traf im vollsten Maße zu. Den Türken sowohl wie den Verbündeten hatte dieser Aufmarsch imponiert, und lange bevor Buda über war, hatten die Brandenburger bei Freund und Feind einen moralischen Sieg errungen. Das war Schöningsch. Solcher Berechnungen und Einfälle wäre Barfus unfähig gewesen. Er gehörte zu den Schachspielern, die in jedem Moment einen guten Zug, vielleicht den besten zu tun verstehen, aber der Gabe weitsichtiger Vorausberechnung ebensosehr wie jeder genialischen Kombination entbehren.
Tapfer, wie Hans Albrecht war, besaß er auch in hohem Maße jenen liebenswürdigen, am häufigsten bei bewährten alten Soldaten vorkommenden Zug, schwache Momente nachsichtig zu beurteilen . Nur die Leute hinterm warmen Ofen dringen auf beständiges Heldentum. Einstmals beklagte sich der Graf Christoph Dohna über die Feigheit eines Offiziers, der ihn während des Gefechts kläglich im Stich gelassen habe. Barfus trat an Dohna heran und sagte: »Hören Sie, Graf, man muß Mitleid mit seinem Nächsten haben und ihm nicht alles Üble antun, was man ihm mit Gerechtigkeit antun könnte. Es gibt schlechte Viertelstunden im Leben . Vielleicht wird dieser Offizier ein andermal sich besser zeigen. Ich werde mit ihm allein reden.« Barfus tat es, und wenige Tage später fiel der Offizier an der Spitze einer Angriffskolonne.
Ein sehr hervorstechender Zug seines Charakters war das Antifranzösische . Seine vielbesprochene »Perückensteuer« war nicht bloß eine Finanzmaßregel, sie war auch gegen das »fremde Unwesen« überhaupt gerichtet. Der Umstand, daß er des Französischen nicht mächtig war,
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