Wanderungen II. Das Oderland.
mocht ihn in seiner Abneigung gegen die »Welschen« bestärken. Es kamen in der Tat verdrießliche Szenen vor. Seine Gegner bei Hofe gefielen sich darin, in seiner Gegenwart französisch zu sprechen oder wohl gar bei seinem Erscheinen die bis dahin deutsch geführte Konversation mit einer französischen zu vertauschen. Den begreiflichen Ärger darüber ließ er hinterher die Sprache selbst entgelten.
Von Habsucht besaß er, wie fast alle Personen, die den Hof König Friedrichs I. bildeten, ein reichlich zugemessen Teil; doch scheint er sich, trotz alles Hanges nach Besitz, der Korruption jener Zeit entzogen und seine gut deutsche Natur in Unbestechlichkeit gezeigt zu haben. Er genoß auch dieses Rufes. Im Jahre 1699 beschwerte sich der holländische Großpensionär Heinsius über eine ganze Reihe unbegreiflicher Handelsmaßregeln, die alle vom Feldmarschall Barfus (der damals alles war, auch Finanzminister) ausgegangen seien, und ließ den Verdacht durchblicken, daß Barfus im Solde Frankreichs stehe. Der Großpensionär erhielt indessen von kompetenter Seite den Bescheid, daß General Barfus überhaupt unbestechlich, »jedenfalls aber zu antifranzösisch sei, um sich jemals durch Frankreich bestechen zu lassen«.
Und sowenig bestechlich er war, sowenig intrigant war er. Er diente nur den Intriguen anderer, war vielleicht die Hauptkarte, ohne welche das Intriguenspiel nie und nimmer gewonnen werden konnte, aber wie hoch immer der Wert seiner Karte veranschlagt werden mochte, er war nicht der Spieler selbst. Klügere benutzten ihn und gönnten ihm die goldenen Früchte, die ihm für seine Mitwirkung in den Schoß fielen.
Er war nicht intrigant, aber wir wurden irregehen, wenn wir ihm aus dem Fehlen dieser Eigenschaft irgendein besonderes Verdienst machen oder ihn gar mit der hohen Tugend der Selbstsuchtslosigkeit ausstatten wollten. Er gehörte jener Klasse von Charakteren an, denen man in Norddeutschland und besonders in den Marken häufig begegnet: Personen, die zu wirklicher oder scheinbarer Offenheit eine große Verschlagenheit gesellen und soldatische Derbheit, ja rücksichtsloseste Schroffheit mit einem scharfen Erkennen des eigenen Vorteils glücklich vereinen. Er war voll jener scharfen Lebensklugheit, die den Habsüchtigen eigen zu sein pflegt, und besaß in hohem Maße die Kunst (ganz wie bei Szlankamen), einen glücklich gegebenen Moment zu benutzen . Aber er besaß nicht die Kunst, einen solchen Moment durch eine klug geschürzte Verwickelung herbeizuführen . Und das ist es, was den Unterschied zwischen praktischer Lebensklugheit und Intrigue bedingt. Der »Praktiker« nutzt die Situation, der Intrigant macht sie. Jener wird meist realere, dieser meist idealere Zwecke verfolgen. Der Intrigant wird in der Regel gefährlicher, der »Praktiker« in der Regel selbstsüchtiger sein.
Die Hofgeschichte jener Tage bietet zwei Beispiele, die diesen Unterschied recht klar ins Auge stellen. Als der Streit zwischen Schöning und Barfus auf seiner Höhe stand und Schönings Hochmut und Rechthaberei den »richtigen Moment« für Barfus vorbereitet hatte, verstand es dieser, ebendiesen richtigen Moment zu benutzen. Und zwar einfach dadurch, daß er der in seinen Beschwerdeschriften immer anmaßlicher werdenden Sprache Schönings einen Ton der Devotion gegenüberstellte. Dieser Ton der Devotion gegen den Kurfürsten und seine Regierung hatte nichts von einer Intrigue an sich, war vielmehr nur das einfache Resultat des Schlusses: »Wo Anmaßung verletzt hat, wird Devotion doppelt willkommen sein.« Und der Erfolg bewies, daß dieser Schluß ein richtiger gewesen war.
So weit reichten die Gaben unseres Barfus. Als es sich aber sechs Jahre später darum handelte, den allmächtigen Eberhard Danckelmann, den Günstling des Kurfürsten, aus der Gunst seines Herrn zu entfernen, war es nicht genug, eine sich bietende Situation zu benutzen, sondern es kam vielmehr darauf an, mittelst einer Reihenfolge kleiner, ineinandergreifender Szenen erst eine Situation zu schaffen . Dazu war Graf Christoph Dohna der Mann. Er begann folgendes Meisterspiel. Er wußte sich eine Medaille zu verschaffen, die Danckelmann kurz vorher zu Ruhm und Verherrlichung seiner Familie hatte schlagen lassen. Gewölk hing über Berlin; durch das Gewölk hindurch aber leuchtete das Siebengestirn Eberhard Danckelmanns und seiner sechs Brüder. Inschrift: »Intaminatis fulget honoribus.« Christoph Dohna, der die Vorliebe des Kurfürsten für Münzen und
Weitere Kostenlose Bücher