Wanderungen II. Das Oderland.
bewilligte 125 000 Taler, schlug Kossenblatt zur Herrschaft Königs Wusterhausen und überwies es, gleich nach der Übergabe, seinem zweiten Sohne, dem Prinzen August Wilhelm. Ob dieser je dort residiert hat, ist zweifelhaft. Der Prinz bevorzugte das in Nähe seiner Garnison Spandau gelegene Schloß Oranienburg und begnügte sich damit, seinen Namenszug A. W. an dem großen Frontbalkon des ehemaligen Barfusen-Schlosses anbringen zu lassen.
Prinz August Wilhelm verschmähte Kossenblatt, aber der König selbst scheint während seiner letzten Lebensjahre viele Wochen und Monate daselbst zugebracht zu haben. Wenn der Ausdruck gestattet ist: er saß hier seine Gicht ab, und Kossenblatt wurde der Hauptschauplatz jener Kunstübungen, deren Resultate die bekannte Inschrift tragen: »In tormentis pinxit.« 1)
Nach diesen historischen Vorbemerkungen schicken wir uns zu einem Besuche des Schlosses selber an.
Es wirkt im Näherkommen nicht ungünstig, und erst die Rückseite des Baues zeigt uns seine Schwächen: zu lange Flügel und einen zu schmalen Schloßhof. Ebendiese Rückseite hat auch den Blick auf die Spree und eine kümmerliche dahinter gelegene Baumanlage, die den Namen »Lustgarten« führt. In diesem wurde der König in seinem Rollstuhl auf und ab gefahren, und die zugeschrägte Doppelrampe, die sich bis diesen Tag in Hufeisenform an die Schloßflügel legt, zeigt am deutlichsten, mit welcher Sorglichkeit all und jedes eingerichtet war, um die schlechte Laune des von Gicht und Wassersucht geplagten Königs nicht noch schlechter zu machen.
Wir haben jetzt das Schloß umschritten und treten ein. Der Eindruck, den es in seinem Innern macht, ist der des Stattlichen, aber zugleich der höchsten Trübseligkeit. Es ist ein imposantes Nichts, eine würdevolle Lehre – die Dimensionen eines Schlosses und die Nüchternheit einer Kaserne. Aber erst in den Zimmern der Beletage erreicht die Trübseligkeit ihren höchsten Grad. Hechtgrau gestrichene Türen tragen allerhand Inschriften in gelber Ölfarbe, und den Korridor des linken Flügels hinunterschreitend, lesen wir nach der Analogie von Kasernenstube Nr. 3 oder 4: »Ihro Hoheit Kronprinzessin«, »Ihre Hoheiten Prinzessin Ulrike und Amalie«, »Ihre Königlichen Hoheiten Prinz Heinrich und Ferdinand«, »Oberhofmeisterin«, »Fräuleinskammer« etc. Dazwischen immer »Garderobezimmer«, aber, sooft wir öffnen, alles in dieselbe weiße Tünche getaucht.
Wir kehren nun aus dem ersten Stock in das Erdgeschoß zurück. Hier wohnte der König, und mancherlei erinnert noch an seine Neigungen und seine Tätigkeit. In dem großen Eckzimmer des linken Flügels sind die Wände bis zu beträchtlicher Höhe mit kleinen holländischen Kacheln bekleidet: glasierte Täfelchen mit blauen Figuren darauf. Dies war ersichtlich das Staats- und Empfangszimmer, denn über dem Kamine hängt ein Portrait Ludwigs XIV. in weit nachschleppendem Hermelin. Die Farben des Bildes sind halb abgefallen, aber auch der haftengebliebene Rest ist immer noch das einzige, was in dem ganzen weiten Schloß an Kunst erinnert und an Genius mahnt.
In demselben Staats- und Empfangszimmer befindet sich noch ein Dutzend anderer Portraits: die in tormentis gemalten Bilder des Königs selbst. Das Mildeste, was man von ihnen sagen kann, ist: sie verleugnen die Stunde ihres Ursprungs nicht. Freilich haben auch sie ihre Verehrer gefunden. Einige unbedingte Friedrich-Wilhelm-Bewunderer haben die ganze Frage auf das Gebiet der Energie gespielt und von diesem Standpunkt aus mit einem gewissen Rechte gesagt: »So malte ein Mann, der nicht malen konnte. Und so malte er unter Schmerzen und – jeden Tag ein Bild.«
Vor diesem Raisonnement verneigt sich die Kritik.
Alle diese Bilder des Königs rühren aus den Jahren 1736, 1737 und 1738 her. Es sind sämtlich Portraits (Bruststücke), und zwar einundvierzig an der Zahl, von denen sich zweiunddreißig in den Zimmern, neun aber im Korridor befinden. Alle in Rahmen von geheiztem Eichenholz. So häßlich die Bilder sind und so unfähig, ein künstlerisches Wohlgefallen zu wecken, so wecken sie doch immerhin ein gewisses künstlerisches Interesse . Der Hang zum Charakteristischen ist unverkennbar. In dem einen Zimmer hängen zum Beispiel zwei seiner Judenköpfe nebeneinander. Man sieht deutlich, daß ihm der erste Kopf nicht jüdisch genug erschienen war und daß er sich zum zweitenmal an die Arbeit machte, um den nationalen Typus entschiedener
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