Wanderungen II. Das Oderland.
Haus ein Ursulinerinnenkloster gewesen sei und dann und wann von nicht Ruhe habenden Äbtissinnen und Nonnen besucht werde. Auch der übliche »unterirdische Gang« wurde mir nicht erlassen. Ich war aber zu müde, um dadurch besonders gestört zu werden, und schlief, bis die Sonne ins Zimmer schien. Eine Stunde später schlenderte ich durch die Stadt.
Beeskow hat zwei Sehenswürdigkeiten: das Amt und die Kirche .
Das Amt , auf einer Spree-Insel unmittelbar vor der Stadt gelegen, war in alter Zeit ein Schloß, dann ein »bischöfliches Haus«, das die Bischöfe von Lebus zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts erwarben und gelegentlich auch bewohnten. Viele der noch jetzt vorhandenen alten Mauern reichen bis in das fünfzehnte Jahrhundert zurück, wo das alte Schloß ausbrannte. Dies erwies sich 1828, als wegen Baufälligkeit das dritte Stockwerk abgetragen wurde. An vielen Stellen fand man doppeltes Mauerwerk. Das innere zeigte die Bischofsmütze, während das dahinter gelegene, ältere Mauerwerk mit Moos und Asche bedeckt war. Es waren Überreste des alten Schlosses. In den untern Stockwerken steckt noch einzelnes davon.
Die Liebfrauenkirche , der wir uns jetzt zuwenden, existierte schon drei Jahrhunderte lang, als die Lebuser Bischöfe von Lebus und Fürstenwalde herüberkamen, und hat dann die geistlichen Herrn um ebenso lange Zeit überlebt. Es ist eine der schönsten Kirchen in der Mark, und der Efeu, der sich bis in die Spitzbogen emporrankt, scheint zu wissen, was er an ihr hat. Der massive Turm geht in seinem zweiten Stockwerk sehr gefällig aus dem Viereck ins Achteck über, und eine pyramidenförmige Spitze schließt den ganzen Bau gefällig ab.
Eine zweiundachtzigjährige Küstersfrau führte mich, und Großes und Kleines, Andacht und Stadtklatsch flossen gleichen Tones über ihre Lippen. Sie zeigte mir den Gekreuzigten und den einen Schächer, die beide »wegen Unschönheit« in einen Seitenraum geschafft worden waren, und erklärte mir die Grabsteine vorm Altar. Der eine war hellbraun und sehr abgetreten. »Das ist unser Pfefferkuchenmann«, sagte sie ruhig, und wirklich, das alte Ratsherrnbild konnte nicht treffender bezeichnet werden. Danach stiegen wir in einen Keller, drin dieselbe Küstersfrau während der Franzosenzeit ein tiefes Loch gegraben und die Kirchengüter versteckt hatte. »Wir fanden beim Graben nichts als Knochen und Schädel.« Sie sagte nicht »Knochen und Schädel von heimlich Verscharrten«, aber sie dacht es. Es gehört das mit zur Volkspoesie.
Dann kletterten wir wieder aufwärts, eine hohe schmale Treppe hinauf, und befanden uns auf einer Empore, die man zu einer Art Kunstkammer umgeschaffen hatte. Allerhand Raritäten waren hier ausgestellt. Aber es war doch schon der Übergang von der Kunstkammer zur Rumpelkammer. Unter andern entdeckt ich ein Luther-Portrait, dessen kurze Geschichte mich freilich mehr interessierte als das Bild selbst. Reisende Schauspieler, deren »erster Liebhaber« es gemalt hatte, hatten es auf Groschenlose ausgespielt, und der Gewinner war es durch »Schenkung« an die Kirche wieder losgeworden. Daneben hingen die lebensgroßen Bildnisse dreier Brüder, die vor längerer oder kürzerer Zeit in Stadt und Kirche geglänzt hatten. Das Ratsherrnbild trug folgende Inschrift:
Der Bürger Dankbarkeit und der Zuhörer Pflicht
Hat uns drei Treueren dies Denkbild aufgericht'.
Dort jenes graue Paar stirbt in der Kirche Würde,
Mich macht das Rathaus alt und schwerer Zeiten Bürde.
Was jene bei der Kirch den Seelen Guts gebracht,
Das nahm ich bei der Stadt, nach Menschen Treu, in acht.
Urteilt uns nach dem Ambt in dem geführten Leben,
So wird ein gutes Lob man uns im Tode geben.
Von Beeskow nach Kossenblatt sind noch anderthalb Meilen. Ein leichter Wagen nahm mich auf, und in brennender Sonnenhitze macht ich den Weg. Die Landschaft war geradezu trostlos, und jedes kommende Dorf erschien noch ärmer als das voraufgegangene. Mahlender Sand und Kiefernheide, dazwischen Brach- und Fruchtfelder, die letzteren so kümmerlich, daß ich meinte die Halme zählen zu können.
Aber der reizlose Weg wurde mir durch eine Begegnung wert. Etwa eine halbe Meile vor Kossenblatt bemerkt ich einen Knaben, der auf einem Feldstein am Wege saß und augenscheinlich sehr ermüdet war. Er mochte zwölf Jahr alt sein. Ich ließ halten, und es entspann sich folgendes Gespräch zwischen ihm und mir:
»Willst du mit?«
»Wo wüllen Se denn hen?«
»Nach Kossenblatt.«
»Da will
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