Wanderungen II. Das Oderland.
Barfus-Schloß ein. Aber freilich nur als Gast. War es romantischer Herzenszug oder Pietät gegen die Stätte, wo sein Ahnherr gelebt und einen Denkstein seines Ruhms und seines Reichtums hinterlassen hatte, gleichviel, ein Enkel des Feldmarschalls hatte das Ansuchen an König Friedrich Wilhelm IV. gestellt, einen Sommer lang in Schloß Kossenblatt residieren zu dürfen, und diesem Ansuchen war nachgegeben worden.
Ein Wagen hielt vor der Steintreppe, die rostigen Angeln gaben halb widerwillig nach, und der nachgeborene Barfus, selber ein General, stand als Fremdling in dem wüsten und weitschichtigen Schloß seiner Ahnen. Niemand war mit ihm als seine Frau und deren Dienerin. Er bezog ein paar Eckzimmer, und das Nötigste an Hausrat wurde herbeigeschafft. Aber es war nicht möglich, den öden Ort in einen wohnlichen zu verwandeln. Der Regen fuhr durch die morsch gewordenen Fenster, und selbst das heitere Sonnenlicht war eine Pein, denn ungemildert fiel es durch die großen Fenster und sprang heiß und blendend von den kahlen weißen Wänden zurück. Zu dem Bedrückenden der Öde gesellte sich der Mangel an allem, was das Leben an Unterhalt erfordert. Die Stadt war weit, und das Dorf war arm. Die Frauen litten schwer. Nur das romantische Herz des Generals trug alles, was ihm Schloß Kossenblatt an Entbehrungen auferlegte, mit Freudigkeit. Ja, es hob ihn mehr, als daß es ihn niederdrückte. Er war nicht nach Schloß Kossenblatt gekommen, um zu bankettieren; es lag ihm nicht an lustiger Gesellschaft und an lautem Gespräch über den Tisch hin; es lag ihm an stiller Zwiesprach mit denen, die nicht mehr waren. Ihm waren diese weiten Räume nicht öde, und wenn er nachts oder am hellen Mittage sie durchschritt, vernahm er ein Flüstern und stand still, ob er's erlauschen könne. Vergeblich hingen die Blicke seiner Frau an ihm und baten um Rückkehr zu den Menschen.
Endlich kam Hülfe.
Es war Hochsommer, und die Hitze des Tags hatte den General in die Wald- und Wiesengründe geführt, die den Kossenblatter See nach Süden hin umziehen. Es wurde drückend schwül, und um die vierte Stunde brach das Unwetter los. Als die Donner heraufzogen, war es, als rollten schwere Wagen durch alle Säle und Korridore. Einzelne Windstöße fuhren gegen das Schloß, und die entsetzten Frauen hörten jetzt, wie nah und fern und oben und unten ein gespenstisches Klappen von Fenstern und Türen begann. An hundert Stellen zugleich wollte der Böse herein. Das Blitzen wurd immer heftiger, und Herrin und Dienerin flohen aus ihren Zimmern in den langen schmalen Korridor hinaus, der auf den Schloßhof niederblickt. Der Flügel gegenüber stand wie in Nacht. Aber plötzlich war es, als fiel' ein Feuer vom Himmel, und der Schloßhof stand wie in Flammen, und die Dienerin schrie laut auf: »Dort sitzt sie!«... Es war ihr, als habe sie die alte Reichsgräfin gesehen, im Rollstuhl, unter der Balkontür und in die Flammen des Hofes starrend.
Dieser Nachmittag entschied.
Die Gäste verließen Schloß Kossenblatt, und alles war wieder wie zuvor. Spinnen und Ameisen begannen ihre stille Wirtschaft, und niemand anders sprach ein als der Wind im Kamin.
Aber aus der Geschichte unserer Tage haben wir noch einmal um anderthalb Jahrhunderte zurückzugehen in die Tage des letzten Grafen Barfus und in aller Kürze jener dritten Epoche Schloß Kossenblatts zu gedenken: der Zeit Friedrich Wilhelms I.
Im Jahre 1735 kam König Friedrich Wilhelm I. auf einer Jagd von Königs Wusterhausen aus in die Kossenblatter Gegend, sah das schöne Schloß und forderte den Besitzer auf, ihm seine Besitzung zu verkaufen. Als dieser Antrag abgelehnt wurde, wurden nichtsdestoweniger alle Mittel in Bewegung gesetzt sich des ganzen Güterkomplexes zu versichern. Es fand sich auch bald ein Weg, da er sich durchaus finden sollte . Der Verlauf war folgender. Graf Barfus hatte dem Unterhändler des Königs gegenüber von 180 000 Talern gesprochen, nur um loszukommen, in der festen Voraussicht, daß diese hohe Summe nie bewilligt werden würde, worin er auch recht behielt. Vielmehr begnügte sich der König damit, den Grafen wissen zu lassen, daß der Preis seiner Güter, nachdem er überhaupt einmal auf den Verkauf derselben eingegangen sei, nicht länger einseitig durch ihn selbst bestimmt werden könne. Es geböte sich jetzt eine Taxierung . Hiernach kam denn auch im Januar 1736 ein Kauf zustande, ohne daß die belehnten Agnaten befragt worden wären. Der König
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