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Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Baker
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Berge.«
    »Ich verliere dich. Du gerätst außer Reichweite.«
    »Wollte mich bloß verabschieden.«
    »Viel Glück, Nikki. Gott segne dich.«
     
    Nikki breitete Seekarten aus, auf denen Konturlinien für die Wassertiefe, Gezeiten, Untiefen und Bojen verzeichnet waren. Sie musste vorsichtig sein, das Papier war nass und riss leicht ein.
    Auf einer mit Pfeilen übersäten Karte der Arktis sah sie sich die Meeresströmungen an. In Kürze würde sie die Grönlandsee erreichen, eine Strömung mit Namen Beaufort-Wirbel hatte sie erfasst, Teil eines größeren Systems aus zahnradähnlich ineinandergreifenden Kreisströmungen, welche die Transpolardrift bestimmten. Sie würde sie nach Süden tragen und anschließend in östlicher Richtung bis vor die norwegische Küste, das allerdings konnte noch Wochen dauern.
    Sie hatte Durst. Sie klappte die Deckenluke auf, tauchte den Schlauch der Entsalzungsanlage ins Meer und kurbelte am Griff. Aus dem Ausgabeschlauch tröpfelte Frischwasser. Es dauerte eine volle Stunde, bis sie ihre Feldflasche gefüllt hatte. Ihr Adrenalinspiegel ebbte langsam ab und wich Langeweile und Verzweiflung.
     
    Nikki passierte Land, einen zackigen Gebirgskamm vor dem fahlen Horizont. Eine Seemöwe zog hoch über dem Boot ihre Kreise. Sie warf einen Blick auf ihre Karte; sie war im Begriff, an der Insel Longyearbyen vorbeizutreiben, die zum norwegischen Hoheitsgebiet gehörte, ein
karger Fels, auf dem die Russen einst Kohle gefördert hatten. Welch spärliche Bevölkerung auch immer dort einst ihren Lebensunterhalt zusammengekratzt haben mochte, sie war vermutlich längst evakuiert worden, aber vielleicht existierte noch das eine oder andere Vorratslager.
    Angeblich galt das Meer, welches das norwegische Staatsgebiet umgab, als Sperrgebiet, über dem AWACS-Maschinen eine Flottille aus Kanonenbooten kommandierten. Allerdings hatte sie weder Flugzeuge gesehen noch irgendwelche Boote. Sie hielt nach den rot blinkenden Lichtern von Flugzeugen Ausschau, die in großer Höhe flogen, doch der Himmel blieb leer.
    Was würde wohl passieren, wenn sie von einem Kanonenboot aufgebracht wurde? Würde man ihr den Befehl geben, umzukehren, sie gefangen nehmen und in ein Internierungslager verschleppen? Höchstwahrscheinlich würde man mit einer auf Deck montierten Kanone das Feuer eröffnen und sie von der Wasseroberfläche pusten.
    Sie entdeckte noch ein paar Konservendosen, von denen sich allerdings die Etiketten gelöst hatten. Sie schüttelte sie; ein leises Rasseln: Kichererbsen. Da sie den Dosenöffner nicht finden konnte, stocherte sie mit einer Nagelfeile auf die Dosen ein, doch die hinterließ kaum einen Kratzer.
    Sie rationierte ihre Lebensmittel; zum Frühstück drei Rosinen, zum Abendessen einen Cracker mit einem Klecks Erdnussbutter.
    Das Pumpen des Frischwassers kostete sie viel Zeit und jede Menge Muskelkraft. Sie füllte eine Zwei-Liter-Flasche und genehmigte sich jede Stunde einen kräftigen Schluck.

     
    Sie trieb die Küste von Longyearbyen entlang. Trübes Tageslicht; in dem Gerümpel unter Deck fand sie einen Feldstecher und suchte die Küstenlinie ab. Trostlose Klippen vulkanischen Ursprungs, keine Vögel, kein Grashalm, keine Spur von Leben.
    Sie blickte nach Süden, eine verwischte Eintrübung zeichnete sich vor dem Himmel ab. War das eine Wolke oder etwa Rauch?
    Plötzlich umrundete das Boot eine Landzunge, und sie erblickte die noch schwelenden Überreste einer Blockhütte. Das Dach war teilweise eingefallen. Eine Fischerhütte? Ein von Walfängern errichteter Unterschlupf?
    Nikki rief zum Strand hinüber: »Hallo? Kann mich irgendjemand hören?«
    Das Boot trieb an dem fernen Haus vorbei.
    »Hallo? Ist dort jemand?«
    Dann eine Bewegung, eine Gestalt zeigte sich im Türeingang der Hütte, womöglich ein Plünderer auf der Suche nach Vorräten.
    »He. He, hier drüben.« Sie schwenkte ihre Arme. »He, hallo.«
    Die Gestalt blickte in ihre Richtung.
    Sie nahm das Fernglas von einem Haken neben der Einstiegsluke, stellte die Entfernung scharf, korrigierte sie. Blut und Metall, der Mann besaß keinen Unterkiefer, seine Zunge schlenkerte schlaff herab. Zwei Frauen gesellten sich zu ihm, ihre Gesichter waren ein Chaos aus metallischen Borsten. Alle drei waren mit blutverschmierten Fellen bekleidet. Sie standen am hölzernen Bootssteg und griffen mit ihren Fingern nach dem fernen Boot.
    Nikki ließ sich von der Strömung Richtung Süden tragen.

     
    Morgen. Der südliche Himmel wies eine zarte

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